Nierentransplantation

Bessere Verträglichkeit durch Dosisreduktion von Immuntherapeutika?


Veröffentlicht am: 28.11.2019

Dr. Corinna Schraut, Ulm

Eine immunsuppressive Therapie soll sowohl wirksam als auch langfristig verträglich sein. Um die Nebenwirkungen bei der Immuntherapie mit Calcineurin-Inhibitoren und Sirolimus zu verringern, wurden die Auswirkungen einer Dosisreduktion dieser Therapeutika zugunsten eines besseren Verhältnisses von Wirksamkeit und Verträglichkeit untersucht. Eine Therapiekombination aus niedrig dosiertem Tacrolimus, Mycophenolatmofetil und Daclizumab erzielte dabei das beste Ergebnis.

Hintergrund

Obwohl bei der Nierentransplantation kurzzeitig sehr gute Erfolge erzielt werden, stellen die mit einer immunsuppressiven Langzeittherapie verbundenen Nebenwirkungen ein großes Problem dar. Bei der Behandlung mit den Calcineurin-Inhibitoren Ciclosporin (Sandimmun®) oder Tacrolimus (Prograf®), weitgehend die Basis in der Immuntherapie, treten zum Teil schwere Nebenwirkungen wie Nephro- und Neurotoxizität, Bluthochdruck, Lipidstoffwechselstörungen und Infektionen auf, die wiederum das Transplantat schädigen können. Auch der seit 2001 in Deutschland zugelassene mTOR-Inhibitor Sirolimus (Rapamune®) ist zwar vergleichbar effektiv wie Ciclosporin, aber die Therapie geht mit der Ausbildung von Lymphozelen, Hyperlipidämie und verzögerter Wundheilung einher. In der ELITE-Symphony-Studie (Efficacy Limiting Toxicity Elimination) wurde eine Reduktion der Dosis der Calcineurin-Inhibitoren und Sirolimus zugunsten der Verträglichkeit und der Sicherheit untersucht. Dabei wurde eine Mycophenolatmofetil-basierte Therapie (Mycophenolatmofetil, [CellCept®]), induziert mittels Daclizumab (Zenapax®) und ergänzt durch geringere Dosen von Ciclosporin, Tacrolimus oder Sirolimus, mit einem Ciclosporin-Standard-Therapieregime verglichen (Übersicht der in dieser Studie verwendeten Immuntherapeutika siehe Kasten).

Immuntherapeutika und deren Wirkungsmechanismus

Calcineurin-Inhibitoren: Ciclosporin (Sandimmun®), Tacrolimus (Prograf®):
Durch die Calcineurin-Hemmung wird die Zytokin-Synthese unterdrückt und dadurch die T-Lymphozyten-Aktivierung gehemmt.

mTOR(mammalian Target of Rapamycin)-Inhibitor: Sirolimus (Rapamune®): 
Durch Bildung des Sirolimus-FKPB12-Komplexes wird die für den Zellzyklus essenzielle Kinase mTOR gehemmt und damit die IL-2-vermittelte T-Zell-Proliferation unterdrückt.

DNA-Synthese-Inhibitor: Mycophenolatmofetil (CellCept®): 
Durch Hemmung der Purinsynthese wird die Proliferation von T- und B-Lymphozyten unterdrückt.

Monoklonaler IL-2-Rezeptor-Antikörper: Daclizumab (Zenapax®):
Durch Blockade des IL-2-Rezeptors wird die T-Zell-Proliferation unterdrückt.

Studiendesign

In dieser offenen, multizentrischen Studie wurden 1645 Patienten in vier Gruppen randomisiert. Jede Gruppe erhielt als Basistherapie Mycophenolatmofetil (2 g/d) und Glucocorticoide. Eine Gruppe bekam zusätzlich die Standarddosis Ciclosporin (Zieltalspiegel: 150–300 ng/ml in den ersten drei Monaten, anschließend 100–200 ng/ml). Die drei anderen Gruppen erhielten Daclizumab (2 mg/kg 24 Stunden vor der Transplantation, danach viermal alle zwei Wochen 1 mg/kg), zusätzlich wurden niedrige Dosen von entweder Ciclosporin (Zieltalspiegel: 50–100 ng/ml), Tacrolimus (Zieltalspiegel: 3–7 ng/ml) oder Sirolimus (Zieltalspiegel: 4–8 ng/ml) verabreicht. Die Medikation mit Mycophenolatmofetil, Ciclosporin, Tacrolimus und Sirolimus startete innerhalb von 24 Stunden vor oder nach der Transplantation. Die Dauer der Studie betrug zwölf Monate. Die Therapieschemata sind in Abbildung 1 dargestellt.

Abb. 1. Studiendesign der ELITE-Symphony-Studie

Primärer Endpunkt war die anhand der Cockroft-Gault-Formel berechnete glomeruläre Filtrationsrate (GFR) nach zwölf Monaten. Die sekundären Endpunkte umfassten u. a. die biopsiegesicherte akute Abstoßungsreaktion nach 6 und 12 Monaten, Gesamtüberleben des Patienten und Überleben des Transplantats und die Häufigkeit von Behandlungsversagen (definiert als Gebrauch einer zusätzlichen Medikation, Unterbrechung der Studienmedikation, Transplantatverlust oder Tod).

Studienergebnis

In der Niedrigdosis-Tacrolimus-Gruppe war die GFR nach zwölf Monaten signifikant größer als in den anderen Gruppen (p<0,001 vs. der Behandlung mit Standarddosis Ciclosporin und Niedrigdosis Sirolimus, p=0,001 vs. Niedrigdosis Ciclosporin; Tab. 1). Auch biopsiegesicherte akute Abstoßungsreaktionen traten in der Niedrigdosis-Tacrolimus-Gruppe signifikant seltener auf (p<0,001; Tab. 1). Das Gesamtüberleben der Patienten lag zwischen 96,5% und 98,2% und unterschied sich nicht signifikant in den vier Gruppen, dagegen war die Überlebensrate des Transplantats in der Niedrigdosis-Tacrolimus-Gruppe signifikant größer als in der Standarddosis-Ciclosporin- und in der Niedrigdosis-Sirolimus-Gruppe (p=0,01; Tab. 1). Therapieversagen trat in der Niedrigdosis-Tacrolimus-Gruppe signifikant seltener auf (p<0,001 für die Standarddosis-Ciclosporin- und die Niedrigdosis-Sirolimus-Gruppe; p=0,003 für die Niedrigdosis-Ciclosporin-Gruppe; Tab. 1). Zu den Gründen für ein Therapieversagen zählten in allen vier Gruppen die Unterbrechung der Studienmedikation und die zusätzliche Gabe weiterer Immunsuppressiva.

Tab. 1. Endpunkte der verschiedenen Therapieregime

Standarddosis Ciclosporin

[n=390]

Niedrigdosis

Ciclosporin

[n=399]

Niedrigdosis

Tacrolimus

[n=401]

Niedrigdosis

Sirolimus

[n=399]

Primärer Endpunkt

GFR nach 12 Monaten [ml/min]±SD

57,1±25,1

p<0,001*

59,4±25,1

p=0,001*

65,4±27,0

56,7±26,9

p<0,001*

Sekundäre Endpunkte

Akute Abstoßungsreaktion nach
6 Monaten [%]

24,0

p<0,001*

21,9

p<0,001*

11,3

35,3

p<0,001*

Akute Abstoßungsreaktion nach
12 Monaten [%]

25,8

p<0,001*

24,0

p<0,001*

12,3

37,2

p<0,001*

Patienten-Überleben [%]

96,5#

98,2#

97,2#

96,8#

Transplantat-Überleben [%]

89,3

p=0,01*

93,1

p=0,56*

94,2

89,3

p=0,01*

Therapieversagen [%]

22,8

p<0,001*

20,1

p=0,003*

12,2

35,8

p<0,001*

berechnet nach Cockcroft-Gault; * p-Wert für den Vergleich mit der Niedrigdosis-Tacrolimus-Gruppe;

# p=0,53 für den Vergleich aller Gruppen untereinander; GFR: glomeruläre Filtrationsrate; SD: Standardabweichung

Schwere unerwünschte Ereignisse wurden von 53,2% der Patienten in der Niedrigdosis-Sirolimus-Gruppe berichtet, verglichen mit 43,4 bis 44,3% in den anderen Gruppen (p<0,05 für den Vergleich aller Gruppen untereinander). In der Niedrigdosis-Sirolimus-Gruppe kam es häufiger zu Lymphozelenbildung und verzögerter Wundheilung, in der Niedrigdosis-Tacrolimus-Gruppe traten mit 10,6% dagegen mehr Neuerkrankungen an Diabetes mellitus auf als in der Standarddosis- und Niedrigdosis-Ciclosporin-Gruppe (6,4% und 4,7%) und in der Niedrigdosis-Sirolimus-Gruppe (7,8%) (p=0,02 für den Vergleich aller Gruppen untereinander), zudem wurden hier öfter gastrointestinale Beschwerden beobachtet. Opportunistische Infektionen, einschließlich Cytomegalie-Virus-Infektionen, waren generell in der Standarddosis-Ciclosporin-Gruppe weiter verbreitet als in den anderen Gruppen.

Fazit

Die Therapie mit einer niedrigen Dosis Tacrolimus, kombiniert mit Daclizumab-Induktion, Mycophenolatmofetil und Glucocorticoiden, zeigte nach einem Jahr das beste Profil bei Wirksamkeit und Verträglichkeit verglichen mit einem Ciclosporin-Standard-Therapieregime und Therapiekombinationen mit niedrigen Dosen Ciclosporin bzw. Sirolimus. So wies die Niedrigdosis-Tacrolimus-Gruppe die beste Nierenfunktion, die geringste Rate biopsiegesicherter akuter Abstoßungsreaktionen und das höchste Transplantat-Überleben auf. Ob sich diese Therapiestrategie auch langfristig als organschonender erweist, sollte nun weiter geprüft werden. Als problematisch ist das erhöhte Diabetes-Risiko anzusehen, dessen Verringerung durch Reduktion der Glucocorticoid-Dosis einen weiteren Optimierungsschritt darstellen könnte.


Quelle

Ekberg H, et al. Reduced exposure to calcineurin inhibitors in renal transplantation. N Engl J Med 2007;357:2562–75.

Arzneimitteltherapie 2008; 26(12)