Tops und Flops in der Kardiologie


Dr. med. Peter Stiefelhagen, Hachenburg

München – Weltstadt mit Herz! Diesem Anspruch wurde die bayerische Metropole als Gastgeber des diesjährigen Europäischen Kardiologenkongresses (ESC) in besonderem Maße gerecht. Eigentlicher Höhepunkt des Kongresses war die Präsentation neuester Studienergebnisse im Rahmen von Hotline Sessions. Doch diesmal waren die „Götter der Wissenschaft“ mit ihrer Gunst eher zurückhaltend. Viele Hoffnungen, die an bestimmte wissenschaftliche Fragestellungen geknüpft waren, wurden teilweise oder ganz enttäuscht. Ja man möchte mit Friedrich Schiller sagen: „Des Lebens ungemischte Freude ward keinem Irdischen zuteil“ (Der Ring des Polykrates).

BEAUTIFUL-Studie: Nomen est omen! Diese Assoziation dürften wohl die Initiatoren der BEAUTIFUL-Studie (Morbidity – mortality evaluation of the If inhibitor ivabradine in patients with CAD and left ventricular dysfunction) vor Augen gehabt haben, als sie dieses wohl klingende Akronym kreierten. Im Rahmen dieser Studie wurde untersucht, ob die Senkung der Herzfrequenz mit dem If-Kanalhemmer Ivabradin bei Patienten mit koronarer Herzkrankheit mit stabiler Angina pectoris und linksventrikulärer Dysfunktion die Prognose bessert. Sicherlich wurde mit dieser Studie erstmals in einem prospektiven Studiendesign gezeigt, dass bei solchen KHK-Patienten die Herzfrequenz, genauer gesagt eine Herzfrequenz über 70 Schläge/Minute, einen kardiovaskulären Risikofaktor darstellt. Doch in der Gesamtstudienpopulation bei allen Patienten mit einer Herzfrequenz ab 60 Schlägen/Minute ergab sich kein signifikanter Unterschied beim primären kombinierten Endpunkt (kardiovaskulärer Tod, Krankenhauseinweisung aufgrund von akutem Myokardinfarkt und neu aufgetretener und verschlechterter Herzinsuffizienz) im Vergleich zu Plazebo. Erst eine Subgruppenanalyse der Patienten mit einer Herzfrequenz ab 70 Schlägen/Minute ergab einen Nutzen unter Ivabradin mit statistischer Signifikanz, allerdings nur im Hinblick auf tödliche oder nichttödliche Myokardinfarkte. Überraschenderweise wurde auch in dieser Patientengruppe die Notwendigkeit einer Hospitalisation wegen einer Herzinsuffizienz nicht statistisch signifikant beeinflusst. Erklärend für diese Ergebnisse dürfte sein, dass mit Ivabradin insgesamt nur eine geringe Frequenzsenkung erreicht werden konnte und bei der Mehrzahl der mit dieser Substanz behandelten Patienten die Zieldosis (2 x 7,5 mg) wegen Verträglichkeitsproblemen nicht eingesetzt werden konnte.

TRANSCEND-Studie: Auch die Ergebnisse der TRANSCEND-Studie (Telmisartan randomized assessment study in ACE intolerant subjects with cardiovascular disease) sind eher bescheiden. Dabei handelt es sich um eine Parallelstudie zur ONTARGET-Studie (The ongoing telmisartan alone and in combination with ramipril global endpoint trial). Die ONTARGET-Studie hatte gezeigt, dass der ACE-Hemmer Ramipril und der Angiotensin-II-Rezeptorblocker Telmisartan bei Hochrisiko-Hypertonikern in gleichem Maße einen über die Blutdrucksenkung hinausgehenden vaskulären protektiven Effekt entfalten. In der TRANSCEND-Studie wurden jetzt diejenigen Patienten ausgewertet, bei denen primär eine ACE-Hemmer-Unverträglichkeit bestand. Die Studie bietet somit einen direkten Vergleich zwischen dem Angiotensin-II-Rezeptorblocker und Plazebo bei Hypertonikern mit erhöhtem vaskulärem Risiko, die mit anderen Antihypertensiva ausreichend eingestellt sind, im Hinblick auf zusätzliche organprotektive Wirkungen. Durch die zusätzliche Gabe von Telmisartan konnte der kombinierte Endpunkt (kardiovaskulär bedingter Todesfall, Herzinfarkt, Schlaganfall und Krankenhausaufenthalt wegen Herzinsuffizienz) nur um statistisch nicht signifikante 8% gesenkt werden (Hazard-Ratio 0,92; p=0,216). Somit ist der überzeugende Beweis für eine organprotektive Wirkung des Angiotensin-II-Rezeptorblockers nicht gelungen.

GISSI-HF-Studie: CSE-Hemmer gehören heute zur Standardtherapie bei Hochrisiko-Patienten mit manifester Arteriosklerose. Seit vielen Jahren werden für diese Substanzgruppe günstige Zusatzeffekte diskutiert, die über die Senkung des LDL-Cholesterols hinausgehen. Dies war die Rationale für die GISSI-HF-Studie (Effects of statins in patients with symptomatic chronic heart failure), bei der der potenteste CSE-Hemmer, nämlich Rosuvastatin, bei herzinsuffizienten Patienten verschiedener Ätiologie Plazebo-kontrolliert gegeben wurde. Doch das Ergebnis war enttäuschend. Ebenso wie in der kürzlich veröffentlichten CORONA-Studie (Controlled rosuvastatin multinational study in heart failure) zeigte sich bei einer Studiendauer von fast vier Jahren keinerlei Nutzen für den CSE-Hemmer, das heißt, weder die Mortalität noch die Notwendigkeit einer Krankenhausaufnahme wurden statistisch signifikant verringert, und dies, obwohl eine deutliche Abnahme des LDL-Cholesterols und des C-reaktiven Proteins dokumentiert werden konnte. Dieses Ergebnis lässt sich nur dahingehend interpretieren, dass im Stadium einer schweren Herzinsuffizienz der arrhythmogene akute Herztod im Vordergrund steht, sodass die Prognose quoad vitam durch einen CSE-Hemmer nicht beeinflusst werden kann. Die Frage, ob nun bei allen Patienten mit fortgeschrittener Herzinsuffizienz, das heißt also auch bei ischämischer Herzinsuffizienz, die CSE-Hemmer-Therapie beendet werden kann, wurde zwar intensiv diskutiert, jedoch nicht eindeutig beantwortet.

Im Rahmen der GISSI-HF-Studie wurde auch die Wirksamkeit von Omega-3-Fettsäuren bei herzinsuffizienten Patienten untersucht. Interessanterweise führte dieses Therapieprinzip bei einer täglichen Dosis von 1 g zu einer signifikanten Abnahme der Morbidität und Mortalität um relative 8% (p = 0,009). Dieser Nutzen erscheint sehr bescheiden, man muss jedoch bedenken, dass die Studienpatienten ansonsten optimal vorbehandelt waren. In absoluten Zahlen müssen 56 Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz mit Omega-3-Fettsäuren über vier Jahre behandelt werden, um einen Todesfall zu verhindern.

TIME-CHF-Studie: Das natriuretische Peptid BNP hat sich bei der Diagnostik der Herzinsuffizienz im klinischen Alltag etabliert. Die Fragestellung, ob dieser kardiale Biomarker jedoch auch als Instrument der Therapiekontrolle eingesetzt werden sollte, das heißt die Therapie entsprechend des Verlaufs des BNP-Werts intensiviert werden sollte, war Gegenstand der TIME-CHF-Studie (Intensified [BNP-guided] versus standard [symptom-guided] medical therapy in elderly patients with congestive heart failure). Eine solche „BNP-guided therapy“ führte jedoch nur bei Patienten unter 75 Jahren mit Herzinsuffizienz zur Abnahme des kombinierten Endpunkts (Tod und Krankenhausbehandlung aufgrund von Herzinsuffizienz). Fazit der Studie: Therapieempfehlungen bei jüngeren Patienten mit Herzinsuffizienz können nicht ohne Weiteres auf ältere Patienten übertragen werden. Bei letzteren dürften höhere Dosierungen der eingesetzten Substanzen wegen vielfältiger Begleiterkrankungen nicht unproblematisch, um nicht zu sagen sogar gefährlich sein.

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