Hypertonie

Antihypertensive Therapie bei Patienten ab 80 Jahren


Veröffentlicht am: 28.11.2019

Prof. Dr. Hans Christoph Diener, Essen

Die HYVET-Studie (Hypertension in the very elderly trial) zeigt, dass eine Behandlung mit dem Diuretikum Indapamid mit oder ohne Perindopril bei Hypertonikern ab 80 Jahre das Risiko für tödlichen Schlaganfall und vaskuläre Todesfälle signifikant reduziert.

Hintergrund

Die arterielle Hypertonie ist der wichtigste Risikofaktor für kardiovaskuläre Ereignisse, insbesondere für den Schlaganfall. Es gibt eine Vielzahl von prospektiven Studien, die die Wirksamkeit von Antihypertensiva zur Reduktion vaskulärer Endpunkte belegt haben. Die meisten dieser Studien haben allerdings Patienten unter 80 Jahren eingeschlossen. Bei älteren Patienten wurde zum Teil postuliert, dass bei ihnen erhöhte systolische Blutdruckwerte physiologisch sind und dass möglicherweise sogar eine zu starke Blutdrucksenkung die Mortalität erhöht. Diese Fragestellung sollte daher in einer prospektiven Studie untersucht werden.

Studiendesign und -ziel

In die Studie wurden 3845 Patienten aus Europa, China, Australien, Neuseeland und Tunesien eingeschlossen. Einschlusskriterien waren ein Alter ≥80 Jahre und systolische Blutdruckwerte >160 mmHg. Die Patienten wurden entweder mit dem Diuretikum Indapamid 1,5 mg (z. B. Natrilix®) oder Plazebo behandelt. Wenn der Zielblutdruck von 150/80 mmHg nicht erreicht wurde, wurde zusätzlich Perindopril (Coversum®) oder Plazebo gegeben. Der primäre Endpunkt war tödlicher oder nichttödlicher Schlaganfall.

Studienergebnisse

Das mittlere Alter der Patienten betrug 83 Jahre, 60% waren Frauen. Der initiale Blutdruck betrug 173/90,8 mmHg. Eine isolierte systolische Hypertonie hatten ein Drittel der Patienten, 7% hatten bereits einen Schlaganfall erlitten. Die mediane Beobachtungszeit betrug 1,8 Jahre. Nach zwei Jahren war der Blutdruck in der Behandlungsgruppe um 15 mmHg systolisch und 6 mmHg diastolisch niedriger als in der Plazebo-Gruppe.

In der Verum-Gruppe erlitten 51 Patienten und in der Plazebo-Gruppe 69 Patienten einen tödlichen oder nichttödlichen Schlaganfall. Das entspricht einer Ereignisrate von 12,4 bzw. 17,7 Schlaganfällen pro 1000 Patientenjahren und einer relativen Risikoreduktion in der Verum-Gruppe von 30% (p=0,06). Die Rate an tödlichen Schlaganfällen war in der Verum-Gruppe gegenüber Plazebo statistisch signifikant um 39% reduziert (p=0,046) (Abb. 1). Die Mortalität war signifikant um 21% reduziert (p=0,02) und die Mortalität durch kardiovaskuläre Ereignisse um 23% (p=0,06). Außerdem ergab sich eine signifikante Reduktion der Entwicklung einer Herzinsuffizienz um 64% (p<0,001).

Abb. 1. Kaplan-Meier-Schätzung der Todesfälle aufgrund von Schlaganfall pro 100 Patienten [Beckett NS, et al. 2008]

In der aktiven Behandlungsgruppe traten weniger schwerwiegende unerwünschte Wirkungen auf als in der Plazebo-Gruppe (358 vs. 448 Ereignisse; p=0,001).

Kommentar

Die HYVET-Studie ist eine sehr wichtige Untersuchung, da sie zeigt, dass bei alten Menschen mit arterieller Hypertonie eine konsequente Blutdrucksenkung mit einem Diuretikum und einem ACE-Hemmer die Rate tödlicher Schlaganfälle signifikant reduziert. Überraschend war das Ergebnis, dass es auch zu einer Reduktion der Mortalität kommt. Weniger überraschend war die Beobachtung, dass auch die Entwicklung einer Herzinsuffizienz verhindert wird, dies ist ein bekannter Wirkungsmechanismus bei ACE-Hemmern. Im Gegensatz zu anderen Studien ergaben sich keine Hinweise darauf, dass eine zu starke Blutdrucksenkung die Mortalität erhöht. Im Gegenteil erwies sich die Therapie als gut verträglich. Unter Verum kam es nicht häufiger als unter Plazebo zu einer Hypokaliämie oder zu Veränderungen der Nierenfunktion.

Quelle

Beckett NS, et al. HYVET Study Group. Treatment of hypertension in patients 80 years of age or older. N Engl J Med 2008;358:1887–98.


Es stand in der AMT
Behandlung der Hypertonie des älteren Patienten. Arzneimitteltherapie 2008;26:393–4.

Arzneimitteltherapie 2009; 27(01)