Prof. Dr. Hans Christoph Diener, Essen
Hintergrund
Intrazerebrale Blutungen sind seltener als zerebrale Ischämien, haben aber eine schlechtere Kurzzeitprognose mit einer Mortalität von bis zu 40% in den ersten 30 Tagen. Bei 70% aller Patienten zeigt sich in den ersten Stunden eine Zunahme des Blutungsvolumens bei konsekutiven Computertomographien. Daher lag es nahe, rekombinanten Faktor VIIa (INN: Eptacog alfa [aktiviert]; NovoSeven®) zur Verhinderung eines Wachstums der zerebralen Blutung einzusetzen. In einer Phase-II-Studie zeigte sich auch die Wirksamkeit dieses Therapieansatzes [1]. Der endgültige Beweis der Wirksamkeit sollte durch eine große Phase-III-Studie erbracht werden [2].
Studiendesign und -ziel
In die Studie wurden 841 Patienten mit in der Bildgebung nachgewiesener intrazerebraler Blutung eingeschlossen. Die Patienten wurden in drei Gruppen randomisiert. 268 Patienten erhielten Plazebo, 267 erhielten 20 µg/kg Körpergewicht [KG] Faktor VIIa und 297 Patienten erhielten 80 µg/kg KG Faktor VIIa. Die Behandlung musste innerhalb von vier Stunden nach Beginn der Schlaganfallsymptome einsetzen. Der primäre Endpunkt war ein schlechter Outcome definiert als ein Wert von 5 (schwere Behinderung) oder 6 (Tod) auf der modifizierten Rankin-Skala 90 Tage nach dem Schlaganfall.
Ergebnisse
Über die drei Randomisierungsgruppen hinweg ergab sich kein Unterschied in der Häufigkeit eines schlechten Outcomes. Diese betrug 24% in der Plazebo-Gruppe, 26% bei der niedrigen Dosis von Faktor VIIa und 29% bei der Gruppe, die eine hohe Dosis von Faktor VIIa erhielt. Auch für die Sterblichkeit, den Barthel-Score (zur systematischen Erfassung grundlegender Alltagsfunktionen) und den National-Institute-of-Health-Schlaganfall-Score (NIHSS, zur Beurteilung des Schweregrads eines Schlaganfalls) ergaben sich keine Unterschiede zwischen den drei Therapiegruppen. Myokardinfarkte waren mit 5 versus 3 und zerebrale Ischämien mit 3 versus 1 in der Gruppe, die die hohe Dosis von Faktor VIIa erhielt, häufiger als in der Plazebo-Gruppe. Eine Behandlung mit 80 µg/kg KG Faktor VIIa führte allerdings zu einer signifikant geringeren Volumenzunahme der Blutung. Die Volumenzunahme betrug 26% in der Plazebo-Gruppe, 18% bei der niedrigen Dosis (p=0,09 vs Plazebo) und 11% (p<0,001 vs Plazebo) bei der hohen Dosis von Faktor VIIa.
Kommentar
Die Ergebnisse dieser Studie sind frustrierend. Insbesondere ist es schwer zu erklären, wie der Unterschied zwischen der Phase-II-Studie, die immerhin 399 Patienten aufwies, und der jetzigen Studie zustande kommt. Ein wesentlicher Unterschied war, dass in der vorliegenden Phase-III-Studie intraventrikuläre Blutungen bei den Patienten, welche die hohe Dosis von Faktor VIIa erhielten, mit 41% häufiger waren als in der Plazebo-Gruppe mit 29%. Es ist bekannt, dass der Einbruch von Blut in die Ventrikel die Prognose verschlechtert. Ein weiterer Unterschied war der deutlich bessere Outcome in der Plazebo-Gruppe in dieser Studie verglichen mit der Phase-II-Studie. Letztendlich ist auch nicht auszuschließen, dass das Ergebnis der Phase-II-Studie durch Zufall bedingt war.
Quellen
1. Mayer SA, et al. Recombinant activated factor VII for acute intracerebral hemorrhage. N Engl J Med 2005;352:777–85.
2. Mayer SA, et al. for the FAST Trial Investigators. Efficacy and safety of recombinant activated factor VII for acute intracerebral hemorrhage. N Engl J Med 2008;358:2127–37.
Arzneimitteltherapie 2009; 27(01)