Dr. Barbara Kreutzkamp, Hamburg
Hintergrund
Patienten mit mechanischer Beatmung haben ein erhöhtes Risiko für eine Pneumonie. Diese beatmungsassoziierten Pneumonien (ventilator-associated pneumonia, VAP) gehen mit einer hohen Morbidität einher. Die auslösenden Erreger sind häufig multiresistent, der Krankenhausaufenthalt der Patienten wird durch die Komplikation in der Regel verlängert und die Kosten für die Behandlung liegen deutlich über den Durchschnittssätzen.
Die beatmungsassoziierte Pneumonie tritt meist innerhalb der ersten 10 Tage nach der endotrachealen Intubation auf. Die Inzidenz liegt je nach Grunderkrankung und diagnostischem Prozedere zwischen 9% und 18%. Als Pathomechanismus wird eine Kolonisation des Atmungs- und Verdauungstrakts mit pathogenen Bakterien und eine anschließende Aspiration der keimbesiedelten Sekrete vermutet. Die Reduktion oder Elimination von Risikofaktoren für Kolonisation und Aspiration kann das Risiko für eine beatmungsassoziierte Pneumonie senken, die dazu erforderlichen Maßnahmen werden aber in der Praxis nicht immer stringent umgesetzt.
Eine neue Option zur Reduktion der VAP könnte der Einsatz von silberbeschichteten endotrachealen Tuben sein. Silber ist in vitro gegen ein breites Spektrum von Erregern aktiv und hemmt in vivo die Bakterienadhäsion und Biofilmbildung an Geräteoberflächen. Auf Grundlage dieser Erkenntnisse wurde ein silberbeschichteter Tubus entwickelt, bei dem Silberionen in einen Polymerträger eingelagert sind und bei dem durch die permanente Wanderung der Silberionen an die Tubusoberfläche ein anhaltendes antimikrobielles Milieu erzeugt wird. Auch das Polymer selbst vermindert die Bakterienadhäsion auf der Tubusoberfläche. Nachdem Pilotstudien zur Prävention beatmungsassoziierter Pneumonien erfolgreich verliefen, wurden mit der North American Silver-Coated Endotracheal Tube Study (NASCENT) die präventiven Effekte von silberbeschichteten Endotrachealtuben bei Patienten mit beatmungsassoziierter Pneumonie in einer größeren prospektiven Studie untersucht.
Studiendesign und -ziel
An der prospektiven, randomisierten, einfachblinden, kontrollierten Studie nahmen 54 Zentren in Nordamerika teil. Eingeschhlossen wurden 2003 Patienten, bei denen eine mechanische Beatmung mit einer mindestens 24-stündigen Dauer geplant war. Die Patienten wurden randomisiert mit nichtbeschichteten und silberbeschichteten Tuben intubiert, bis auf die Silberbeschichtung unterschieden sich die Tuben sonst nicht. In jedem Zentrum waren zusätzliche Maßnahmen entsprechend den hausinternen Vorschriften zur Prophylaxe einer beatmungsassoziierten Pneumonie zugelassen.
Primärer Endpunkt war die Inzidenz von beatmungsassoziierten Pneumonien bei den Patienten, die über mindestens 24 Stunden intubiert waren. Grundlage für die Diagnosestellung war eine quantitative Kultur aus der bronchoalveolären Lavage, die bei hinreichendem Verdacht auf eine beatmungsassoziierte Pneumonie oder beim Auftreten neuer Infiltrate im Röntgenbild zusammen mit klinischen Zeichen wie Fieber oder Hypothermie, Leukozytose oder Leukopenie oder purulentem Trachea-Aspirat durchgeführt wurde. Bei Vorliegen von mindestens 104 koloniebildenden Einheiten/ml in der Kultur wurde auf das Vorliegen einer beatmungsassoziierten Pneumonie geschlossen. Sekundäre Endpunkte waren die Inzidenz für eine beatmungsassoziierte Pneumonie bei allen intubierten Patienten, die Zeit bis zum Auftreten der beatmungsassoziierten Pneumonie, Länge der Intubation und Aufenthaltsdauer auf der Intensivstation und im Krankenhaus, Mortalität sowie Nebenwirkungen.

Abb. 1. Kaplan-Meier-Analyse zur Inzidenz mikrobiologisch gesicherter beatmungsassoziierter Pneumonien (VAP) bei Patienten, die mindestens 24 Stunden intubiert wurden
Ergebnisse
Unter den Patienten, die mindestens 24 Stunden intubiert waren, lag die Rate einer mikrobiologisch gesicherten beatmungsassoziierten Pneumonie in der Gruppe mit den silberbeschichteten Tuben bei 4,8% (37/766 Patienten) und in der Gruppe mit den nichtbeschichteten Tuben bei 7,5% (56/743) (p = 0,03). Bei allen intubierten Patienten betrugen die entsprechenden Raten 3,8% und 5,8% (p = 0,04). Das entspricht einer relativen Risikoreduktion für die mindestens über 24 Stunden intubierten Patienten von 35,9% und für alle intubierten Patienten von 34,2%. Bei Patienten mit einem silberbeschichteten Tubus trat die beatmungsassoziierte Pneumonie später als bei der Kontrollgruppe auf (p = 0,005). Keine statistisch signifikanten Unterschiede zwischen den Gruppen bestanden bei der Intubationsdauer, dem Aufenthalt auf der Intensivstation und im Krankenhaus sowie der Mortalität. Nebenwirkungen, die direkt auf die Silberbeschichtung zurückzuführen waren, wurden nicht beobachtet.
Zusammenfassung und Diskussion
Beatmungspflichtige Patienten entwickeln bei Intubation mit einem silberbeschichteten Endotrachealtubus signifikant weniger beatmungsassoziierte Pneumonien im Vergleich zu Patienten mit einem nichtbeschichteten Tubus. Außerdem dauert es im Durchschnitt in der Gruppe mit den silberbeschichteten Tuben länger, bis eine beatmungsassoziierte Pneumonie auftritt. Die Ergebnisse sind konsistent mit den Befunden aus kleineren Studien und aus Tierversuchen.
Statistisch gesehen mussten in der vorliegenden Studie 37 Patienten über einen silberbeschichteten Tubus beatmet werden, um eine beatmungsassoziierte Pneumonie zu verhindern. Dieser Effekt erscheint nicht sehr groß, sollte aber vor dem Hintergrund interpretiert werden, dass die Inzidenz von beatmungsassoziierten Pneumonien in dieser Studie insgesamt recht klein war. Grund dafür dürfte die erhöhte Aufmerksamkeit sein, die allen Patienten in dieser Studie vonseiten des Pflegepersonals und der Ärzte zukam. Außerdem machte das prospektive Studiendesign eine Einverständniserklärung durch die Patienten erforderlich, wodurch viele Hochrisiko-Notfälle mit sofortiger Beatmungspflicht ausgeschlossen wurden. Bei der Untersuchung handelte es sich um eine einfach verblindete Studie, sodass eine Verzerrung der Ergebnisse zugunsten des neuen Medizinprodukts nicht ausgeschlossen werden kann. Insgesamt bieten die silberbeschichteten Beatmungstuben aber eine Möglichkeit, ohne weiteren personellen Aufwand die Rate an beatmungsassoziierten Pneumonien zu reduzieren. Geeignet erscheinen die silberbeschichteten Endotrachealtuben vor allem für Hochrisiko-Patienten, die relativ früh eine beatmungsassoziierte Pneumonie entwickeln.
Quelle
Kollef MH, et al. Silver-coated endotracheal tubes and incidence of ventilator-associated pneumonia. JAMA 2008;300:805–13.
Chastre J. Preventing ventilator-associated pneumonia. Could silver-coated endotracheal tubes be the answer? JAMA 2008;300:842–4.
Arzneimitteltherapie 2009; 27(04)