Melanie Henes, Sybille Lessmann-Bechle, Sven Becker und Barbara Lawrenz, Tübingen
Das polyzystische Ovarsyndrom (PCOS) ist mit einer Prävalenz von 6 bis 10% eine der häufigsten Erkrankungen bei prämenopausalen Frauen [1] und die Hauptursache für Unfruchtbarkeit in dieser Population. Doch nicht nur die Sterilität, sondern auch die gegenüber gesunden Frauen bis zu dreifach erhöhten Abortraten stellen ein Problem dar [2]. Da Übergewicht in der Pathogenese des PCOS eine entscheidende Rolle spielt, muss aufgrund der steigenden Zahl an übergewichtigen Frauen mit einer weiteren Zunahme der Erkrankungshäufigkeit gerechnet werden. Eine wichtige Ursache ist die in unserer industrialisierten Gesellschaft häufige Kombination aus fettreicher Ernährung und Bewegungsmangel.
Das PCOS ist ein Risikofaktor für kardiovaskuläre Erkrankungen, Diabetes mellitus Typ 2 und psychische Erkrankungen (z. B. Depressionen) [3, 4]. Deshalb spielen Maßnahmen wie Gewichtsreduktion, Ernährungsumstellung und körperliche Aktivität in der Therapie des PCOS eine besonders wichtige Rolle.
Klinik und Diagnosekriterien
Bereits 1721 erwähnte der italienische Arzt Antonio Vallisnerie eine übergewichtige Patientin mit primärer Sterilität und polyzystischen Ovarien. Im Jahr 1935 beschrieben die Ärzte Irving Stein und Michael Leventhal das kombinierte Auftreten der Symptome Übergewicht (Adipositas), männlicher Behaarungstyp (Hirsutismus), vergrößerte Eierstöcke mit vielen kleinen Eibläschen (polyzystische Ovarien) und Verlängerung des Menstruationszyklus auf über 35 Tage (Oligomenorrhö). Nach ihnen wurde die Erkrankung lange Zeit als Stein-Leventhal-Syndrom bezeichnet.
Das National Institute of Health legte zu Beginn der 90er Jahre in einer Konsensus-Konferenz folgende Diagnosekriterien für das PCOS fest (beide Punkte müssen erfüllt sein):
- Oligo- oder Amenorrhö und
- Hyperandrogenämie (laborchemische Erhöhung der Androgene) oder Hyperandrogenismus (Auftreten von Virilisierungserscheinungen wie Hirsutismus, Akne und Alopezie ohne laborchemisch nachweisbare Hyperandrogenämie) (In der Literatur wird häufig auch von einem laborchemischen und einem klinischen Hyperandrogenismus gesprochen.)
Die sogenannten Rotterdamkriterien, die 2003 bei einem Treffen der European Society for Human Reproduction and Embryology (ESHRE) und der American Society for Reproductive Medicine (ASRM) vereinbart wurden, berücksichtigen zusätzlich den sonographischen Nachweis polyzystischer Ovarien [5] (Tab. 1). Beide Definitionen des PCOS setzen den Ausschluss anderer endokriner Erkrankungen der Hypophyse, des Ovars und der Nebenniere (z. B. Late-Onset-AGS [adrenogenitales Syndrom], Cushing-Syndrom) voraus.
Tab. 1. Diagnosekriterien des PCOS (nach der internationalen Konsensus-Konferenz in Rotterdam, 2003)
Oligo- und/oder Anovulation |
Hyperandrogenämie und/oder klinische Zeichen einer Androgenerhöhung |
Polyzystische Ovarien |
Mindestens 2 der 3 Kriterien müssen erfüllt und andere Ursachen (z. B. Cushing-Syndrom, Late-Onset-AGS [adrenogenitales Syndrom], androgenproduzierende Tumoren) ausgeschlossen sein |
Pathogenese
Die Ätiologie des Krankheitsbildes ist ungeklärt, ein familiärer Hintergrund wird angenommen. Eine Schlüsselrolle kommt den Androgenen und dem Insulin zu. Das metabolische Syndrom, die Kombination aus stammbetonter Adipositas, Dyslipoproteinämie, essenzieller Hypertonie und gestörter Glucosetoleranz, spielt in diesem Zusammenhang eine große Rolle, da es bei Frauen mit PCOS bis zu zweimal häufiger auftritt [6]. Etwa 25% der PCOS-Patientinnen sind übergewichtig, ungefähr 40% adipös [7]. Als metabolische Ursache findet die Insulinresistenz mit der damit verbundenen Hyperinsulinämie mehr und mehr Beachtung. Von den übergewichtigen Frauen mit PCOS haben etwa 50 bis 100%, von den normalgewichtigen ungefähr 22% eine Insulinresistenz [8].
Insulin hat einen potenten Effekt auf die körpereigene Androgenbildung. Zum einen stimuliert es direkt die Thekazellen des Ovars zur Androgensynthese [9], zum anderen unterdrückt es die Bildung von sexualhormonbindendem Globulin (SHBG) in der Leber (Abb. 1). In der Folge nimmt der Anteil des freien, biologisch aktiven Androgens zu [10], wobei die Höhe des Androgenspiegels mit dem Ausmaß der Hyperinsulinämie korreliert. Mögliche klinische Zeichen der vermehrten Androgenproduktion sind Virilisierungserscheinungen wie Hirsutismus, Akne und Alopezie.

Abb. 1. Zusammenhang zwischen Hyperinsulinämie und Hyperandrogenämie [mod. nach 14] LH: luteinisierendes Hormon; SHBG: sexualhormonbindendes Globulin
Des Weiteren haben PCOS-Patientinnen häufig eine höhere Amplitude und pulsatile Frequenz der Gonadotropin-Releasing-Hormon-Freisetzung und folglich einen höheren LH(luteinisierendes Hormon)-Serumspiegel [11]. Dies stimuliert wiederum die Thekazellen zur Androgensynthese (Abb. 1). Infolge der erhöhten Androgen- und LH-Spiegel und des relativ erniedrigten FSH(follikelstimulierendes Hormon)-Spiegels (LH/FSH-Quotient>2) kommt es zur Ausbildung multipler kleiner Follikel. Die zahlreichen, meist randständig (perlschnurartig) angeordneten Follikel prägen das typische sonographische Bild des PCOS (Abb. 2). Die Follikel werden meist atretisch, die Weiterentwicklung zum dominanten Follikel ist gestört und die Ovulation bleibt aus. Folgen sind Zyklusstörungen wie Oligo- und Amenorrhö und primäre oder sekundäre Sterilität.

Abb. 2. Sonographische Darstellung eines polyzystischen Ovars. Das Ovar ist vergrößert und weist zahlreiche, randständig (perlschnurartig) angeordnete Follikel auf.
Als weiterer wichtiger Aspekt hat sich gezeigt, dass Patientinnen mit PCOS eine bis zu dreifach höhere Abortrate aufweisen als gesunde Frauen [12]. Der Grund scheint die Kombination aus verschiedenen Faktoren wie erhöhtem LH-Spiegel, häufig vorhandenem Übergewicht, Hyperandrogenämie und Insulinresistenz zu sein. Erstaunlicherweise fanden sich bei PCOS-Patientinnen mit Schwangerschaftseintritt nach assistierter Reproduktion (ART) gegenüber Patientinnen ohne PCOS nach ART keine Unterschiede im Abortrisiko [13].
Therapie des PCOS
Die Therapie des PCOS orientiert sich an der Symptomatik und muss entsprechend individuell festgelegt werden. Zur Behandlung der reproduktiven und metabolischen Störungen sowie der kutanen Symptome gibt es verschiedene medikamentöse und nichtmedikamentöse Therapieansätze.
Als wichtigster und erster Schritt sollte eine Gewichtsreduktion mit Ernährungsumstellung angestrebt werden. Allein durch eine Gewichtsabnahme von 5% des Körpergewichts kann es zu einer Zyklusnormalisierung mit Ovulationen, Senkung der Androgenspiegel und spontanen Konzeptionen bei PCOS-Patientinnen kommen [14].
Des Weiteren ist die Aufnahme von körperlicher Betätigung zur Gewichtsoptimierung, aber auch zur Verbesserung der sonstigen Risikofaktoren, die mit einem PCOS vergesellschaftet sind, sehr wichtig. Durch Sport wird die Insulinsensitivität im Körper verbessert und der Insulinspiegel deutlich gesenkt. Wichtig ist eine langfristige Stabilisierung des Gewichts.
Die weiteren Therapiemaßnahmen richten sich danach, ob ein Kinderwunsch besteht oder nicht.
Therapie bei Patientinnen ohne Kinderwunsch
Zwei Dinge sind bei PCOS-Patientinnen ohne Kinderwunsch zu beachten:
- Die dauerhaft unkontrollierte Stimulation des Endometriums durch Estrogene ohne adäquate Transformation bei anovulatorischen Zyklen kann zu einer Endometriumhyperplasie führen, die mit einem erhöhten Risiko für ein Endometriumkarzinom einhergeht [15].
- Klinische Befunde wie eine ausgeprägte Hyperandrogenämie oder eine metabolische Risikokonstellation stellen wegweisende Parameter zur Wahl der Therapiemethode bei PCOS-Patientinnen ohne Kinderwunsch dar.
Orale Kontrazeptiva
Zum Schutz vor einer Endometriumhyperplasie und zur Herstellung eines „normalen“ endokrinologischen Milieus kann ein kombiniertes orales Kontrazeptivum, ein Ovulationshemmer, eingesetzt werden. Dies ist heute – nach Ausschluss von Kontraindikationen – die Therapie der Wahl. Durch Ovulationshemmer werden die klinischen Zeichen einer Hyperandrogenämie (Akne, Seborrhö und Hirsutismus) effektiv verbessert. Kontrazeptiva wirken v. a. über die Gestagenkomponente, unterstützt durch die Estrogenkomponente, hemmend auf die hypophysäre Hormonproduktion, wodurch es zur Suppression der ovariellen Steroidsynthese kommt. Außerdem wird durch Ovulationshemmer die Bildung von SHBG in der Leber stimuliert und dadurch der Anteil der freien, biologisch aktiven Androgene im Blut verringert. Durch die Auswahl eines Gestagens mit antiandrogener Wirkung, das die 5α-Reductase hemmt und den Steroidhormonrezeptor blockiert, kann die antiandrogene Wirkung deutlich optimiert werden. Häufig in oralen Kontrazeptiva oder bei Hormonersatztherapien zum Einsatz kommende Gestagene sind (geordnet nach abnehmender Potenz der antiandrogenen Wirkung):
- Cyproteronacetat (z.B. in Diane 35®, Bella Hexal35®)
- Dienogest (z.B. in Valette®, Lafamme®)
- Drospirenon (z.B. in Yasminelle®, Petibelle®, Angeliq®)
- Chlormadinonacetat (z.B. in Balanca®, Belara®, Neo-Eunomin®)
Als eines der neuesten antiandrogenen Kontrazeptiva sei hier noch auf Yaz® verwiesen. Es enthält das Gestagen Drospirenon in Kombination mit einer niedrigen Ethinylestradiol-Dosierung und ist in Europa der erste Ovulationshemmer mit einem neuen Einnahmeschema: Über 24 Tage werden Tabletten mit einer Estrogen-Gestagen-Kombination eingenommen, anschließend folgt über 4 Tage die Einnahme von Plazebo, so dass keine „Pillenpause“ gemacht werden muss. Einen Vorteil stellt die Verringerung des prämenstruellen Syndroms dar [16].
Bei der Wahl des Kontrazeptivums müssen die individuelle klinische Symptomatik und auch eventuell bestehende Kontraindikationen beachtet werden. So kann bei milder Hyperandrogenämie ein weniger potentes Gestagen gewählt werden. Bei Auftreten von Nebenwirkungen (z. B. Abnahme der Libido) kann auf ein schwächeres antiandrogenes Gestagen umgestiegen werden. Es ist wichtig, die Patientin darüber zu informieren, dass eine Reduzierung der Akne oder Verbesserung des Hirsutismus erst nach einer Behandlungsdauer von 3 bis 6 Monaten erwartet werden kann.
Ein Therapieansatz bei Kontraindikationen gegen eine Estrogeneinnahme ist die kontinuierliche Gabe eines Gestagen-Monopräparats. Lediglich Cerazette® beeinflusst aufgrund der ovulationshemmenden Dosis die hypophysäre Achse und damit die Hyperandrogenämie. Niedrig dosierte Gestagen-Monopräparate (z. B. Mini 28®) haben diesen Effekt nicht. Sie schützen jedoch vor einer Endometriumhyperplasie.
Antiandrogene Gestagene
Persistiert der Hirsutismus trotz Therapie mit einem oralen antiandrogenen Kontrazeptivum, so kann zusätzlich ein Antiandrogen, beispielsweise das Gestagen Cyproteronacetat, als Kombination mit einem oralen Kontrazeptivum zum Einsatz kommen [17]. Die Medikation sollte eine Dauer von einem Jahr nicht übersteigen. Während im potentesten antiandrogenen Kontrazeptivum 2 mg Cyproteronacetat enthalten sind, enthalten die Antiandrogene 10 bis 50 mg Cyproteronacetat. Nebenwirkungen wie Libidoverlust, Gewichtszunahme, Stimmungsschwankungen und Metrorrhagien können sehr ausgeprägt sein. Bei Einnahme einer solchen Substanz muss auf eine wirksame Verhütung geachtet werden. Folgende Präparate sind zu nennen:
- Androcur® 10 mg , Androcur® 50 mg
- Cyproteronacetat-GRY® 50 mg
- Virilit®
Weitere Antiandrogene
Bei Flutamid handelt es sich um einen Androgenrezeptorblocker, der die Androgenaufnahme in die Zelle hemmt. Die antiandrogene Wirksamkeit wird als sehr gut beschrieben.
Weniger effektiv ist die Medikation mit Finasterid, einem 5α-Reductasehemmer [18]. Es wirkt antiandrogen, indem es die Umwandlung von Testosteron durch die 5α-Reductase in das biologisch potentere 5α-Dihydrotestosteron verhindert. Ein großes Problem sowohl von Finasterid als auch von Flutamid ist die Teratogenität. Beide Medikamente sind in Deutschland nicht für die Behandlung der klinischen Erscheinungsformen der Hyperandrogenämie zugelassen.
Spironolacton
Spironolacton, ein Aldosteronantagonist mit antiandrogener Wirkung, hemmt die adrenale und ovarielle Bildung von Androgenen, bindet am Androgenrezeptor, wirkt als Hemmer der 5α-Reductase und induziert die Bildung von SHBG in der Leber. Spironolacton zeigt eine effiziente Wirkung gegenüber Virilisierungserscheinungen, jedoch sollte es bei der Behandlung von PCOS-Patientinnen zur Verbesserung der metabolischen Situation mit einem anderen Medikament kombiniert werden [19]. In Deutschland ist Spironolacton zur Behandlung von Hyperandrogenämie und Hyperandrogenismus derzeit nicht zugelassen.
Dexamethason
Eine weitere Therapiealternative stellt die Suppression der vermehrten Androgenproduktion in der Nebennierenrinde durch die Gabe von Dexamethason mit einer Dosierung von 0,5 mg pro Tag dar. Dies ist eine effektive und zugelassene Therapie einer Hyperandrogenämie im Rahmen eines Late-Onset-AGS. Eine fortwährende Suppression der Nebennierenrinde konnte jedoch keine beständige Ovulationsauslösung bei PCOS-Patientinnen zeigen [20]. Demgegenüber stehen die Nebenwirkungen einer Glucocorticoid-Therapie (verminderte Glucosetoleranz, Gewichtszunahme, Hypercholesterolämie, Hypertriglyzeridämie, Blutdruckerhöhung, Erhöhung des Arteriosklerose- und Thromboserisikos). Diese sind gerade bei PCOS-Patientinnen mit Übergewicht und/oder Insulinresistenz nicht erwünscht.
Metformin
Das normalerweise bei Diabetes mellitus Typ 2 eingesetzte Metformin wird immer häufiger auch zur Zyklusregulierung bei anovulatorischen Zyklen und zur Senkung der Androgenspiegel angewendet [21]. Bei übergewichtigen PCOS-Patientinnen ohne Kinderwunsch, bei denen Kontraindikationen gegen eine orale Antikonzeption (z. B. Thrombophilie) vorliegen und eine Insulinresistenz nachgewiesen ist, stellt Metformin eine Therapiealternative dar. Allerdings ist es für die Therapie des PCOS nicht zugelassen („Off-Label-Use“). Metformin führt über eine Erhöhung der Insulinsensitivität mit nachfolgender Senkung des Blutglucosespiegels (durch Hemmung der hepatischen Glukoneogenese und Glykogenolyse und Verbesserung der Glucoseverwertung im peripheren Gewebe) zu einer Abnahme der Insulinfreisetzung. Infolgedessen sinken der erhöhte LH-Spiegel, das Gesamttestosteron, die freien Androgene, das Androstendion, das Dihydroepiandrosteron und der freie Androgen-Index. Außerdem begünstigt Metformin die Bildung von FSH und SHBG. Metformin hat zudem einen appetitsenkenden Effekt, was sich positiv auf das Ziel der Gewichtsreduktion auswirken kann. Die Kontraindikationen für die Einnahme von Metformin sind in Tabelle 2 angegeben.
Tab. 2. Kontraindikationen für die Einnahme von Metformin
Diabetische Ketoacidose, diabetisches Präkoma |
Nierenversagen oder Nierenfunktionsstörung |
Akute Zustände, die zur Beeinträchtigung der Nierenfunktion führen können (z.B. Dehydratation, schwere Infektion, Schock) |
Erkrankungen, die zur Gewebehypoxie führen können (z.B. kardiale/respiratorische Insuffizienz, frischer Myokardinfarkt, Schock) |
Leberinsuffizienz |
Alkoholismus und akute Alkoholintoxikation |
i. v.-Applikation jodhaltiger Kontrastmittel |
Überempfindlichkeit gegen Metforminhydrochlorid |
Stillzeit |
Therapie bei Patientinnen mit Kinderwunsch
Metformin
Ein bestehender Kinderwunsch bei Vorliegen eines PCOS ist ebenfalls eine Off-Label-Indikation für eine Therapie mit Metformin. Die Patientinnen müssen sorgsam darüber aufgeklärt werden, dass das Medikament nicht für diese Indikation zugelassen ist und es sich um einen individuellen Heilversuch handelt.
Trotz einer Verbesserung der Stoffwechsellage und Ovulationsinduktion (s.o.) zeigen neuere Daten keine Zunahme der Schwangerschaftsraten und Lebendgeburten bei einer Monotherapie mit Metformin [22]. Durch eine präkonzeptionelle Therapie mit Metformin konnte keine Reduktion des Abort-Risikos erreicht werden [25]. Allerdings gibt es inzwischen einige Daten, die zeigen, dass eine Metformin-Therapie während der Schwangerschaft zu einer Reduktion der Abortrate führt [23, 24].
Aufgrund der bislang noch kleinen Fallzahlen sowie der strengen Indikationsstellung für Metformin in der Schwangerschaft gibt es aktuell noch keine allgemeine Empfehlung zum Einsatz von Metformin bei schwangeren PCOS-Patientinnen, so dass die Medikation nach Eintritt einer Schwangerschaft abgesetzt werden sollte. Eine Ausnahme stellt die Betreuung in Studien dar. Aktuell laufen zwei Studien an der Norwegian University of Science and Technology, die den Effekt der Metformin-Therapie in der Schwangerschaft an größeren Fallzahlen genau untersuchen. Die Ergebnisse stehen derzeit noch aus.
Clomifen
Eine Stimulationsbehandlung mit Clomifen ist die Therapie der Wahl zur Ovulationsinduktion bei PCOS-Patientinnen. Clomifen ist ein Antiestrogen, das durch Blockade der Estrogenrezeptoren im Hypothalamus den negativen Rückkopplungseffekt der Estrogene aufhebt. In der Folge wird vermehrt Gonadoliberin freigesetzt, was zu einer erhöhten Gonadotropinausschüttung führt. Clomifen wird in einer Dosierung von 50 mg bis maximal 150 mg/Tag über 5 Tage verabreicht. Die Einnahme wird bevorzugt am 3., 4. oder 5. Zyklustag begonnen. Unerwünschte Arzneimittelwirkung ist die antiestrogene Wirkung an Endometrium und Zervixschleim. Diese Effekte nehmen bei Dosiserhöhungen zu [26]. Bei einer früheren Einnahme im Zyklus scheint die antiestrogene Wirkung weniger ausgeprägt zu sein. Nach etwa 6 Zyklen ist mit einer Geburtenrate von lediglich 40 bis 50% zu rechnen [27], obwohl eine Ovulationsinduktion bei 70 bis 85% der PCOS-Patientinnen erreicht wird [28]. Diese Diskrepanz scheint auf den antiestrogenen Effekt des Clomifens an Endometrium und Zervixschleim zurückzuführen zu sein. Ein Ultraschallmonitoring des Clomifen-stimulierten Zyklus ist obligat:
- zum Ausschluss eines polyfollikulären Wachstums mit dem Risiko einer höhergradigen Mehrlingsschwangerschaft
- zur Bestimmung von Follikelwachstum und Endometriumdicke, um den Zeitpunkt der Ovulationsinduktion und des Geschlechtsverkehrs festlegen zu können.
Neben der Verwendung von Clomifen bei der normalgewichtigen Frau ohne Insulinresistenz zur Unterstützung der Follikelreifung ist der Arzneistoff auch bei PCOS-Patientinnen mit nachgewiesener Insulinresistenz und Hyperinsulinämie, die auf einen Therapieversuch mit Metformin nicht angesprochen haben, der nächste Therapieschritt. Eine weitere Einsatzmöglichkeit für Clomifen ist die ältere PCOS-Patientin mit reduzierter ovarieller Reserve, bei der eine Metformin-Therapie und die Veränderung der Lebensgewohnheiten zu viel Zeit in Anspruch nehmen würden.
Kommt es nach Clomifen-Gabe – selbst nach Dosiserhöhung – nicht zur Follikelreifung („Clomifen-Resistenz“) oder wird trotz adäquaten Ansprechens nach 3 bis 6 Zyklen Clomifen-Einnahme keine Schwangerschaft erzielt, so sollte auf eine andere Therapie übergegangen werden.
Follikelstimulierendes Hormon (FSH)
Bei Clomifen-Resistenz sind Gonadotropine die Therapie der Wahl zur ovariellen Stimulation. Da PCOS-Patientinnen viele stimulierbarer Follikel besitzen, besteht ein erhöhtes Risiko einer ovariellen Überstimulation (Vergrößerung der Ovarien durch Reifung zahlreicher Follikel ohne die normalerweise übliche Dominanz eines Follikels; in schweren Fällen auch u. a. Übelkeit, Erbrechen, Diarrhö, Aszites, Pleuraergüsse, Hydrothorax, Hämokonzentration). Daher sollte die FSH-Stimulation bei PCOS-Patientinnen mit niedrigeren Dosierungen gestartet werden. Meist beginnt man mit einer Dosis von 30 bis 50 I.E./Tag. Tritt keine ovarielle Antwort ein, so kann nach 10 bis 14 Tagen die Dosis um 50 % erhöht werden („Step-up“). In Studien, die solche Step-up-Protokolle verwendeten, traten wenige Überstimulationssyndrome auf und es konnten gute Schwangerschaftsraten von bis zu 53% nach 6 Zyklen erzielt werden.
Demgegenüber gibt es auch die Step-down-Protokolle, deren FSH-Dosierung sich am physiologischen Ablauf der Follikelphase im Körper orientiert. Zur Follikelrekrutierung werden Dosen bis zu 150 I.E. FSH/Tag verabreicht. Im weiteren Verlauf wird die Dosis reduziert, so dass nur die Follikel mit der größten FSH-Sensitivität weiterreifen können. Während die Schwangerschaftsraten vergleichbar mit denen bei den Step-up-Protokolle waren, zeigten sich in manchen Studien bei den Step-down-Protokollen niedrigere Raten an Komplikationen (z.B. Überstimulation) [29]. Bislang liegen jedoch zu den Step-down-Protokollen noch weniger Erfahrungen vor als zu den Step-up-Protokollen. Die Entscheidung, nach welchem Protokoll man vorgeht, muss individuell getroffen werden.
Auch die Stimulation mit FSH muss aus den bereits im Abschnitt zur Stimulationsbehandlung mit Clomifen aufgeführten Gründen sonographisch kontrolliert werden. Eine Stimulation mit FSH kann sich bei PCOS-Patientinnen als sehr schwierig erweisen. Lässt sich nur ein polyfollikuläres Wachstum erreichen, kann als Ultima Ratio eine In-vitro-Fertilisation (IVF) notwendig sein. Bei der Stimulation bei Maßnahmen der ART haben PCOS-Patientinnen ein hohes Risiko für die Entwicklung eines Überstimulationssyndroms. Die Schwangerschaftsraten scheinen vergleichbar mit denen anderer ART-Patientinnen zu sein.
Operative Therapie
Im Rahmen eines operativen Therapieansatzes, dem laparoskopischen ovariellen Drilling (LOD), werden mittels Strom etwa 15 bis 20 „Löcher“ in die Rinde des Ovars gestanzt. Dadurch kommt es zu einer Reduktion des ovariellen Stromas sowie des Kortex und damit zu einer Reduktion der Hyperandrogenämie und des LH-Spiegels. Dies kann als eine Therapiealternative bei Clomifen-resistenten PCOS-Patientinnen oder bei Patientinnen, bei denen häufige Ultraschallkontrollen nicht durchführbar sind, angesehen werden. Allerdings besteht hier die Gefahr der postoperativen Adhäsionsbildung, die ihrerseits Ursache einer Sterilität sein kann.
Neue Therapieansätze
Als neuere Therapieansätze sind die CSE-Hemmer (Statine) zu nennen, die durch Hemmung der HMG-CoA-Reductase vor allem die Dyslipoproteinämie, aber auch die Hyperandrogenämie und die Hyperinsulinämie beeinflussen. Aktuell laufen mehrere Studien zur Effektivität und Sicherheit dieser Therapie.
Ein weiterer interessanter Therapieansatz ist der Einsatz des Opioid-Rezeptorantagonisten Naltrexon bei Clomifen-resistenten Patientinnen. Hier zeigte sich eine Reduktion des Body-Mass-Index (BMI), des Insulinspiegels, des LH-Serumlevels und der Hyperandrogenämie. Vor allem in Verbindung mit Clomifen konnten zahlreiche Schwangerschaften erfolgreich ausgetragen werden [30]. Auch hier stehen prospektiv randomisierte Daten aus.
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Dr. med. Melanie Henes, Dr. med. Sybille Lessmann-Bechle, Priv.-Doz. Dr. med. Sven Becker, Dr. med. Barbara Lawrenz, Universitäts-Frauenklinik Tübingen, Calwer Straße 7, 72076 Tübingen, E-Mail: Melanie.Henes@med.uni-tuebingen.de
Therapy of the polycystic ovary syndrome (PCOS)
The polycystic ovary syndrome (PCOS) is one of the most frequent diseases and cause of sterility in pre-menopausal women. Additionally it is a risk factor for cardiovascular and mental diseases as well as for diabetes. The recent criteria for diagnosis are oligo-amenorrhea, hyperandrogenemia, hyperandrogenism, and sonographic verification of polycystic ovaries. The definite etiology remains unclear, though hyperandrogenism and resistance to insulin appear to be important causative factors. The most important therapeutic approach is weight reduction. For women not desirous of childbearing, oral contraceptive therapy, if necessary including an antiandrogenic component, is the first choice. For persistent hyperandrogenism an additional antiandrogene gestagene treatment with cyproterone acetate can be used. Therapy alternatives are the androgen receptor antagonist flutamide, the 5α-reductase antagonist finasteride and the aldosterone antagonist spironolactone. Dexamethasone can be used to suppress the hyperandrogenemia of the adrenal cortex. For PCOS patients desirous of pregnancy and documented insulin resistance as well as for patients with contraindications to the above mentioned treatments, metformin as an off label therapy is a promising option. For induction of ovulation, stimulation with clomifene should be used. If clomifene does not lead to follicular maturation, follicle stimulating hormone (FSH) is indicated. New therapeutic approaches with statins and naltrexone are currently being studied closely.
Keywords: PCO-Syndrome, metformin, ovulation-induction, clomifene
Arzneimitteltherapie 2009; 27(06)