Therapie der COPD

Tiotropium verbessert Symptomatik, nicht aber den Krankheitsverlauf


Dr. med. Peter Stiefelhagen, Hachenburg

Bei Patienten mit chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) konnte durch das Anticholinergikum Tiotropium (Spiriva®) eine Verbesserung der symptomatischen Wirksamkeit, beispielsweise eine gesenkte Exazerbationsrate festgestellt werden, nicht aber eine Verbesserung des Krankheitsverlaufs, so die Ergebnisse von UPLIFT®, die auf einer von Boehringer Ingelheim und Pfizer Pharma veranstalteten Pressekonferenz im Rahmen des 18. Jahreskongresses der European Respiratory Society (ERS) im Oktober 2008 in Berlin vorgestellt und diskutiert wurden.

Die chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD) ist eine der häufigsten und schwersten Erkrankungen unserer Zeit. Nach aktuellen Zahlen der WHO leiden derzeit 210 Mio. Menschen weltweit an dieser Erkrankung mit etwa 3 Mio. Todesfällen pro Jahr. In Deutschland sind 13,2% der über 40-Jährigen betroffen, bei den über 70-Jährigen sind es bereits 29,7%. Nach Schätzung der WHO wird die COPD bis 2030 die vierthäufigste Todesursache weltweit sein. Typische Symptome der COPD sind eingeschränkter Atemfluss, Dyspnoe, Husten und Auswurf. Die Erkrankung ist durch einen progredienten Verlust der Lungenfunktion gekennzeichnet.

Eine der größten COPD-Studien

UPLIFT® ist eine der bisher größten COPD-Studien. Eingeschlossen in diese Studie wurden 5993 COPD-Patienten aus 37 Ländern. 2987 Patienten wurden in die Tiotropium-Gruppe, 3006 in die Plazebo-Gruppe randomisiert. In der Verum-Gruppe erhielten die Patienten einmal täglich 18 µg Tiotropium (Spiriva®) jeweils zusätzlich zur Standardtherapie, wobei alle bei der COPD einsetzbaren Medikamente, mit Ausnahme von Anticholinergika, erlaubt waren. Auch waren Dosisanpassungen während des Studienverlaufs möglich. Drei Viertel der Studien-Patienten waren männlich und 30% aktuelle Raucher. Voraussetzung für die Aufnahme in die Studie war eine forcierte exspiratorische Einsekundenkapazität (FEV1) <70% des Sollwerts nach Bronchodilatation bzw. ein FEV1/FVC <70% (FVC=forcierte Vitalkapazität).

Als primärer Studienendpunkt wurde die jährliche Abnahme des FEV1-Werts von Tag 30 bis zum Studienschluss festgelegt. Zu den sekundären Studienendpunkten zählten unter anderem die jährliche Abnahme der FVC, die Lebensqualität, die Häufigkeit der Exazerbationen, die Notwendigkeit von Hospitalisierungen wegen Exazerbationen und die respiratorische und Gesamtmortalität. Die Studiendauer betrug vier Jahre.

Anhaltende Verbesserung der Lungenfunktion

Die FEV1-Werte der mit Tiotropium behandelten Patienten waren in den alle 6 Monate erfolgenden Lungenfunktionsmessungen stets signifikant höher als bei den Patienten der Plazebo-Gruppe. Sowohl unter Tiotropium als auch unter Plazebo nahm allerdigs die Lungenfunktion über die Zeit in gleicher Weise allmählich ab, nämlich in beiden Gruppen um 30±1 ml/Jahr bezogen auf Messungen vor Gabe der Bronchodilatatoren und um 40±1 ml/Jahr bzw. 42±1 ml/Jahr bei Messung nach der Gabe von Bronchodilatatoren. Der primäre Studienendpunkt wurde also durch das Anticholinergikum nicht erreicht.

Jedoch wurde mit Tiotropium eine signifikante Verlängerung der Zeit bis zur ersten Exazerbation der COPD festgestellt. In der Tiotropium-Gruppe betrug die Zeit im Median 16,7 Monate (95%-Konfidenzintervall [95%-KI] 14,9 bis 17,9), in der Plazebo-Gruppe 12,5 Monate (95%-KI 11,5 bis 13,8). Auch kam es unter Tiotropium zu einer signifikanten relativen Reduktion der Anzahl der Exazerbationen pro Patientenjahr um 14% (p<0,001).

Die gesundheitsbezogene Lebensqualität, gemessen mit dem St. George’s Respiratory Questionnaire, war über die gesamte Studiendauer von vier Jahren in der Tiotropium-Gruppe signifikant besser als in der Plazebo-Gruppe (p<0,001). Die Differenz von 2,3 bis 3,3 Punkten lag aber unter den für einen klinisch signifikanten Effekt geforderten 4 Punkten.

Mortalität

Bis 30 Tage nach Ende der Studie starben 14,9% der Patienten in der Tiotropium-Gruppe und 16,5% in der Plazebo-Gruppe (Hazard-Ratio [HR] 0,89; 95%-KI 0,79 bis 1,02).

In der reinen Studienzeit (Per-protocol-Analyse) starben in der Tiotropium-Gruppe 14,4% und in der Plazebo-Gruppe 16,3% der Patienten (HR 0,87; 95%-KI 0,76 bis 0,99).

Sicherheit und Verträglichkeit

Während in der Plazebo-Gruppe 45% der Patienten die Behandlung unterbrachen oder absetzten, war dies in der Tiotropium-Gruppe bei 36% der Patienten der Fall. In der Mehrzahl der Fälle waren unerwünschte Ereignisse der Grund für die Unterbrechung oder das Absetzen der Studienmedikation. Die Rate an unerwünschten Ereignissen lag auf Plazebo-Niveau mit Ausnahme der Mundtrockenheit, unter der in der Verum-Gruppe mehr Patienten litten als in der Plazebo-Gruppe.

Aus der Studie ergaben sich keine Hinweise auf eine Erhöhung des Herzinfarkt- und Schlaganfallrisikos. Damit wurden die Ergebnisse einer Metaanalyse [Singh et al. 2008], nach denen inhalierbare Anticholinergika mit einem signifikant höheren Risiko für das Auftreten kardiovaskulärer Ereignisse bei COPD-Patienten verbunden sind, nicht bestätigt.

Fazit

Verglichen mit Plazebo führt Tiotropium zu einer Erhöhung der forcierten exspiratorischen Einsekundenkapazität (FEV1) bei Patienten mit COPD. Offenbar hat es aber keinen Einfluss auf die strukturellen Veränderungen, die bei einer COPD auftreten, denn die langfristige Abnahme der FEV1 wird nicht beeinflusst. Gezeigt werden konnte in der UPLIFT-Studie die symptomatische Wirksamkeit der Therapie mit Tiotropium. So war die Zeit sowohl bis zur ersten Exazerbation als auch bis zur ersten Krankenhauseinweisung aufgrund einer Exazerbation unter Tiotropium signifikant länger als unter Plazebo. In der Studie zeigte sich kein erhöhtes Risiko für das Auftreten eines Myokardinfarkts oder Schlaganfalls, Hinweise aus einer zuvor durchgeführten Metaanalyse auf eine signifikante Zunahme kardiovaskulärer Ereignisse wurden in der UPLIFT-Studie nicht bestätigt.

Quelle

Prof. Marc Decramer, Leuven. Pressekonferenz „UPLIFT® Breaking News“, veranstaltet von Boehringer Ingelheim und Pfizer Pharma im Rahmen des 18. Jahreskongress der European Respiratory Society, Berlin, 5. Oktober 2008.

Tashkin DP, et al. A 4-year trial of tiotropium in chronic obstructive pulmonary disease. N Engl J Med 2008;259:1543–54.

Singh S, et al. Inhaled anticholinergics and risk of major adverse cardiovascular events in patients with chronic obstructive pulmonary disease: a systematic review and meta-analysis. JAMA 2008;300:1439–50.

Arzneimitteltherapie 2009; 27(06)