Interaktion auf dem Prüfstand

Clopidogrel und Protonenpumpenhemmer vertragen sich doch


Veröffentlicht am: 28.11.2019

Prof. Dr. Hans Christoph Diener, Essen

Die Ergebnisse einer großen prospektiven Studie bei Patienten mit akutem Koronarsyndrom zeigen, dass die Interaktion zwischen Protonenpumpenhemmer und Clopidogrel oder Prasugrel die Wirksamkeit der beiden Thrombozytenfunktionshemmer nicht beeinflusst.

Clopidogrel (z.B. Plavix®) ist in Deutschland zur Sekundärprävention vaskulärer Ereignisse beim akuten Koronarsyndrom sowie bei der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit zugelassen. Bei Patienten nach transitorischer ischämischer Attacke (TIA) und Schlaganfall kann Clopidogrel verordnet werden, wenn eine Unverträglichkeit gegenüber Acetylsalicylsäure besteht oder wenn gleichzeitig eine periphere arterielle Verschlusskrankheit vorliegt. Prasugrel (Efient®) wurde bisher nur beim akuten Koronarsyndrom untersucht und ist zurzeit auch nur dort zugelassen [1]. Beide Thrombozytenfunktionshemmer sind Prodrugs, die über Cytochrom-P450-Enzymsysteme metabolisiert werden. Bei vielen Patienten, die eine Sekundärprävention mit einem Thrombozytenfunktionshemmer erhalten, werden zusätzlich Protonenpumpenhemmer zur Prophylaxe von Magen- und Duodenalschleimhautentzündungen und Ulzera gegeben. Es gibt eine Reihe von indirekten Hinweisen, dass möglicherweise Protonenpumpenhemmer die Wirksamkeit von Clopidogrel reduzieren [2].

Die Interaktion zwischen Protonenpumpenhemmern und Clopidogrel oder Prasugrel wurde in zwei Studien untersucht. In der PRINCIPLE-TIMI-44-Studie nahmen 201 Patienten, die eine Koronarangiographie mit perkutaner Intervention erhielten, in einem doppelblinden Cross-over-Design entweder Prasugrel mit einer Initialdosis von 60 mg und einer Erhaltungsdosis von 10 mg oder Clopidogrel in einer Initialdosis von 600 mg und 150 mg Erhaltungsdosis. Bei allen Patienten wurde nach 30 Minuten, 2 Stunden und 6 Stunden die Plättchenaggregation untersucht. Nach 14 Tagen wurden die Patienten auf die Behandlung mit dem jeweils anderen Thrombozytenfunktionshemmer umgestellt. Erneute Messungen der Plättchenaggregation erfolgten am Tag 15 und Tag 30.

Die TRITON-TIMI-38-Studie war eine doppelblinde Phase-III-Studie an Patienten mit akutem Koronarsyndrom und geplanter perkutaner Koronarintervention, die entweder Prasugrel oder Clopidogrel erhielten. In die Studie wurden 13608 Patienten aufgenommen. Der primäre Endpunkt setzte sich zusammen aus kardiovaskulärem Tod, nichttödlichen Myokardinfarkten und nichttödlichem Schlaganfall.

In der TIMI-44-Studie erhielten 102 Patienten Prasugrel und 99 hochdosiertes Clopidogrel. Für Clopidogrel ergab sich eine signifikant schwächere Plättchenaggregation unter Einnahme von Protonenpumpenhemmer verglichen mit den Patienten, die keine Protonenpumpenhemmer einnahmen. Für Prasugrel zeigte sich kein Unterschied. In der TIMI-38-Studie ergab sich keinerlei Zusammenhang zwischen der Einnahme von Protonenpumpenhemmer und dem Risiko für vaskuläre Ereignisse. Dies galt sowohl für Clopidogrel wie für Prasugrel.

Kommentar

Diese Publikation zeigt, dass es außerordentlich gefährlich ist, von Messungen der Plättchenaggregation auf die klinische Wirksamkeit von Thrombozytenfunktionshemmern zu schließen. Während die pharmakodynamische Studie einen eindeutigen Effekt der Einnahme eines Protonenpumpenhemmers auf die Thrombozytenaggregation bei Clopidogrel fand, zeigte die große klinische Studie, dass die Einnahme eines Protonenpumpenhemmers weder die Wirksamkeit von Clopidogrel noch Prasugrel beeinflusst. Das Ergebnis ist von großer Wichtigkeit, da vor kurzem ein Rote-Hand-Brief verschickt wurde, der ausdrücklich darauf aufmerksam machte, dass bei der Einnahme von Clopidogrel womöglich die Einnahme von Protonenpumpenhemmern vermieden werden sollte. Diese Empfehlung muss nach den Ergebnissen der TIMI-38-Studie revidiert werden.

Quellen

1. Wiviott SD, et al. Prasugrel versus clopidogrel in patients with acute coronary syndromes. N Engl J Med 2007;357:2001–15.

2. Ho PM, et al. Risk of adverse outcomes associated with concomitant use of clopidogrel and proton pump inhibitors following acute coronary syndrome. JAMA 2009;301:937–44.

3. O’Donoghue ML, et al. Pharmacodynamic effect and clinical efficacy of clopidogrel and prasugrel with or without a proton-pump inhibitor: an analysis of two randomised trials. Lancet 2009;374:989–97.

Arzneimitteltherapie 2009; 27(11)