Dr. med. Peter Stiefelhagen, Hachenburg
Nach aktuellen Schätzungen leiden derzeit 210 Millionen Menschen an einer chronisch obstruktiven Lungenkrankheit (COPD) und pro Stunde versterben weltweit 250 Menschen an dieser Erkrankung. In fortgeschrittenen Stadien sterben bis zu 70 % der betroffenen Patienten innerhalb von fünf Jahren. Bei der Diagnostik und Therapie der COPD gibt es einen großen Verbesserungsbedarf, so das Fazit der 18. Jahrestagung der European Respiratory Society, die vom 12. bis 16. September 2009 in Wien stattfand.
Multifaktorielle Erkrankung
Die COPD zeigt immer einen chronisch progredienten, irreversiblen Verlauf. Zu Beginn sind die Symptome oft wenig ausgeprägt und der schleichende Verlust der Lungenfunktion wird deshalb von vielen Patienten erst sehr spät wahrgenommen. Pathogenetisch handelt es sich um eine multifaktorielle Erkrankung, die von einem Entzündungsprozess geprägt ist. Bei über 90% der Betroffenen ist die Hauptursache der Erkrankung das Rauchen. Exogene Faktoren wie arbeits- oder umweltbedingte Schadstoffe und bakterielle oder virale Infektionen spielen nur eine untergeordnete Rolle. Aber auch endogene Faktoren, insbesondere die genetische Veranlagung zu Enzymdefekten, eine gestörte mukoziliäre Clearance oder ein defizientes Immunsystem können eine Rolle spielen.
Defizite bei der Diagnostik und Therapie
Die COPD ist unterdiagnostiziert und untertherapiert. Mit anderen Worten, viele COPD-Patienten sind nicht optimal behandelt, zumal Betroffene häufig ihre Symptome unterschätzen. Eine Verbesserung des therapeutischen Managements setzt jedoch voraus, dass die behandelnden Ärzte ein umfassendes Verständnis über die Auswirkungen der Krankheit auf das Leben des Patienten entwickeln. Doch die Kommunikation zwischen Arzt und Patienten ist oft schwierig. Mit dem COPD Assessment Test™ (CAT) steht jetzt ein kurzer Fragebogen zur Verfügung, der eine wiederholbare validierte Beurteilung des Krankheitsverlaufs von COPD-Patienten in der täglichen Praxis erlaubt. Dabei werden nur acht Fragen gestellt (Husten, Auswurf, thorakale Enge, Atemnot unter Belastung, Aktivitäten zu Hause, Verlassen der Wohnung, Schlafqualität und Energie), die auch eine zuverlässige Beurteilung des Therapieerfolgs ermöglichen.
Bronchodilatatoren sind vorrangig
Nach den offiziellen Leitlinien empfiehlt sich im GOLD-Stadium I eine bedarfsadaptierte Therapie mit einem kurz wirksamen Beta-2-Agonisten (GOLD = Global initiative for chronic obstructive lung disease). Ab GOLD-Stadium II ist eine Dauertherapie mit lang wirksamen Bronchodilatatoren indiziert, wobei lang wirksame Beta-2-Agonisten mit lang wirksamen Anticholinergika wie Tiotropium konkurrieren. Mit welcher dieser Substanzgruppen die Therapie begonnen werden sollte, ist strittig. Doch bei kardialen Problemen, insbesondere Arrhythmien, empfiehlt sich die primäre Gabe eines Anticholinergikums. Obwohl die Datenlage zu einer Kombinationstherapie mager ist, spricht doch zumindest die klinische Erfahrung dafür, beide Therapieprinzipien miteinander zu kombinieren.
Eine zusätzliche antiinflammatorische Therapie mit Glucocorticoiden wird gemäß den offiziellen Leitlinien für Patienten mit mittelgradiger bis schwerer COPD und wiederholten Exazerbationen dann empfohlen, wenn trotz bronchodilatatorischer Therapie weiterhin Symptome bestehen. Bei akuten Exazerbationen besteht auch eine Indikation für systemische Glucocorticoide. Für eine Dreifach-Therapie (inhalative Glucocorticoide + lang wirksamer Beta-2-Agonist + lang wirksames Anticholinergikum) gibt es bisher kaum Daten. In diesem Zusammenhang dürfte ein ultralang, das heißt über 24 Stunden wirksamer Beta-2-Agonist wie Indacaterol im Hinblick auf den Einnahmekomfort einen Fortschritt darstellen.
Zurückhaltung bei Antibiotika
Ob infektbedingte Exazerbationen immer antibiotisch behandelt werden sollen, wird kontrovers beurteilt. Nach neueren Untersuchungen muss man davon ausgehen, dass in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle eine virale Infektion der Auslöser ist. Im Hinblick auf die Resistenzentwicklung scheint es deshalb sinnvoll, nur dann ein Antibiotikum einzusetzen, wenn eine bakterielle Infektion angenommen werden muss. Doch eine solche Differenzialtherapie dürfte im klinischen Alltag sehr schwierig sein, da eine umfassende virologische Diagnostik kaum möglich ist und die klinischen (purulentes Sputum) und laborchemischen (CRP, Procalcitonin) Parameter keine sichere Unterscheidung erlauben. Somit ist und bleibt die richtige Indikationsstellung für ein Antibiotikum bei einer Exazerbation ein schwieriges Unterfangen. Nach Meinung der Experten empfiehlt sich ein Antibiotikum nur dann, wenn sich die Farbe des Auswurfs eindeutig verändert und die Sputummenge zugenommen hat. Dabei sollten auch nicht immer die modernsten, hoch potenten Antibiotika zum Einsatz kommen, um der drohenden Resistenzentwicklung keinen Vorschub zu leisten.
Berücksichtigt werden sollte auch, dass eine Therapie mit inhalierbaren Glucocorticoiden bei COPD-Patienten das Pneumonie-Risiko erhöht, allerdings ohne dass das Mortalitätsrisiko steigt.
Eine neue Therapieoption
Ein neues antiinflammatorisches Therapiekonzept bei COPD sind die Phosphodiesterase-4-Hemmer. Der erste Vertreter dieser neuen Substanzgruppe ist Roflumilast, welches in absehbarer Zeit auch in Deutschland zur Verfügung stehen dürfte. In vier Phase-III-Studien konnte Roflumilast, das einmal täglich oral eingenommen wird, bei Patienten mit mittelschwerer bis schwerer COPD sowohl die Lungenfunktion als auch die Exazerbationsrate signifikant reduzieren. Diese Wirkung war unabhängig davon, ob Patienten eine bronchodilatatorische Therapie mit Beta-2-Agonisten oder Tiotropium erhielten. Zukünftige Studien werden zeigen, ob mit diesem Therapieprinzip auch die Prognose quoad vitam verbessert werden kann.
Bei aller Hoffnung auf neue wirksamere Medikamente sollte man nicht vergessen: Die effektivste Strategie gegen die COPD ist und bleibt der Nicotinverzicht. Glaubt man Oscar Wilde, so dürfte dies auch leicht umzusetzen sein: „Nichts ist einfacher als mit dem Rauchen aufzuhören, ich habe es schon hundertmal gemacht.“
Literatur
Calverley P, et al. Towards a revolution in COPD health. NEJM 2007;356:775–89.
Fogarty C, Hebert J, Iqbal A, et al. QAB149 once-daily provides effective 24-h bronchodilatation in COPD patients: a 26-week evaluation vs. placebo and tiotropium [Poster]. European Respiratory Society (ERS) 2009 Annual Congress, Wien, 12. bis 16. September 2009.
Calverley PMA, et al. Roflumilast in symptomatic chronic obstructive pulmonary disease: two randomised clinical trials. Lancet 2009;374:685–94.
Fabbri LM, et al. Roflumilast in moderate-to-severe chronic obstructive pulmonary disease treated with longacting bronchodilators: two randomised clinical trials. Lancet 2009;374:695–703.
Arzneimitteltherapie 2009; 27(11)