Durchbruchschmerz bei Krebspatienten

Zulassung von Fentanyl-Nasenspray


Dr. Tanja Liebing, Stuttgart

Am 20. Juli erteilte die Europäische Arzneimittelagentur (EMEA) die Zulassung für Instanyl®, ein Fentanyl-Nasenspray zur Behandlung von Durchbruchschmerzen bei Krebspatienten. Zulassungsrelevante Daten wurden bei der Einführungspressekonferenz am 9. September 2009 in Frankfurt vorgestellt.

Bis zu 80% aller Tumorpatienten leiden unter Durchbruchschmerzen. Beim Durchbruchschmerz handelt es sich um eine vorübergehende Verstärkung eines Dauerschmerzes unter vorbestehender Opioid-Basistherapie. Der Durchbruchschmerz erreicht nach etwa 3 Minuten seine maximale Schmerzstärke, dauert im Mittel rund 30 Minuten an und tritt durchschnittlich mit einer Frequenz von 4 Episoden pro Tag auf. Auslöser solcher Schmerzen können beispielsweise invasives Tumorwachstum, Tumortherapie oder Bewegung sein.

Zur Behandlung sind schnell wirksame Opioide mit kurzer Wirkungsdauer geeignet. Nicht retardiertes orales Morphin ist aufgrund seines Wirkungseintritts erst nach 30 bis 40 Minuten und der relativ langen Wirkungsdauer von bis zu 4 Stunden nur bedingt geeignet.

Besser geeignet ist Fentanyl als Lutschtablette (Actiq®), Sublingualtablette (Abstral®) oder als Bukkaltablette (Effentora®). Der Wirkstoff wird teilweise über die Mundschleimhaut resorbiert und es kann ein schnellerer Wirkungseintritt erzielt werden. Onkologische Patienten leiden aber relativ häufig unter Mundtrockenheit oder einer Mukositis, so dass die zuletzt genannten Arzneiformen für die Therapie möglicherweise problematisch sein können.

Intranasales Fentanyl – eine neue Therapieoption

Eine neue Therapieoption zur Behandlung von Durchbruchschmerzen bei Tumorpatienten ist die Applikation von Fentanyl als Nasenspray. Am 20. Juli 2009 wurde das erste Fentanyl-Nasenspray Instanyl® von der EMEA zur Behandlung von Durchbruchschmerzen bei erwachsenen Patienten, die bereits eine Opioid-Basistherapie gegen ihre chronischen Tumorschmerzen erhalten, zugelassen. Instanyl® ist in den Stärken 50 µg, 100 µg und 200 µg/Dosis erhältlich.

Nach Applikation von 50 bis 200 µg Fentanyl pro Dosis beträgt die maximale Plasmakonzentration (Cmax) bei opioidtoleranten Patienten 0,35 bis 1,2 ng/ml. Sie wird nach 12 bis 15 Minuten (tmax) erreicht.

Dosierung

Vor Dosiseinstellung sollte sicher gestellt werden, dass der Patient eine adäquate Opioid-Basistherapie erhält, das heißt, dass pro Tag nicht mehr als 4 Durchbruchschmerz-Episoden auftreten sollten.

Die Initialdosis beträgt 50 µg, appliziert in eine Nasenöffnung. Nach Bedarf erfolgt eine Auftitrierung gemäß Abbildung 1. Die maximale Tages-dosis umfasst die Behandlung von bis zu 4 Durchbruchschmerz-Episoden mit jeweils nicht mehr als 2 Dosen in einem Abstand von mindestens 10 Minuten.

Abb. 1. Dosistitrationsschema von Instanyl®

Klinische Studien

In zwei Phase-III-Studien konnte eine gegenüber Plazebo signifikant höhere Wirksamkeit des Nasensprays gezeigt werden [Nolte T et al. 2009 (Daten zur Publikation eingereicht) und Kress HG, et al. 2009].

In einer weiteren Phase-III-Studie (FT-019) wurde die Wirksamkeit von Instanyl® mit Actiq® bei Tumorpatienten mit Durchbruchschmerz unter einer Opioid-Basistherapie verglichen. Bei der Studie handelte es sich um eine offene, randomisierte Vergleichsstudie im Cross-over-Design. 139 Patienten wurden eingeschlossen. Die Dosierungen betrugen 50, 100 oder 200 µg Instanyl® beziehungsweise 200, 400, 600, 800, 1200 oder 1600 µg Actiq®. Nach Dosistitration bis zur wirksamen Dosis wurden jeweils 6 Durchbruchschmerz-Episoden pro Patient behandelt. Primärer Endpunkt war die Zeit bis zum Eintreten einer relevanten Schmerzreduktion. Sekundäre Endpunkte waren unter anderem die mittlere Schmerzintensitätsdifferenz (PID) nach 10 und 30 Minuten, erfasst mit einer 11-stufigen numerischen Rating-Skala, und die Bewertung der Einfachheit der Anwendung und des bevorzugten Medikaments durch die Patienten.

Die Ergebnisse zeigten eine um durchschnittlich 5 Minuten kürzere Zeit bis zum Eintreten einer relevanten Schmerzreduktion unter der Therapie mit Instanyl® verglichen mit Actiq®. 65,7% der Patienten hatten unter Instanyl® eine schnellere relevante Schmerzreduktion als unter Actiq® (p <0,001) (Abb. 2).

Abb. 2. Die Kaplan-Meier-Kurve zeigt die mittlere Zeit bis zum Eintreten einer relevanten Schmerzreduktion unter Instanyl® bzw. Actiq®; dargestellt ist der Anteil der Patienten zu einem bestimmten Zeitpunkt, bei dem noch keine relevante Schmerzreduktion eingetreten ist

Die mittlere Schmerzintensitätsdifferenz war unter Instanyl® zu allen Messzeitpunkten signifikant größer als unter Actiq® (Abb. 3).

Abb. 3. Mittlere Schmerzintensitätsdifferenz (PID) nach 10 Minuten unter Instanyl® verglichen mit Actiq®, erfasst mit einer 11-stufigen numerischen Rating-Skala (0 = keine Schmerzen, 10 = stärkste vorstellbare Schmerzen; der Ausgangswert betrug 6,36 bzw. 6,37 für Instanyl® bzw. Actiq®) [Mercadante et al., 2009]

90,1% der Patienten bewerteten die Therapie mit dem Nasenspray als sehr einfach oder einfach verglichen mit 39,8% bei Therapie mit der Lutschtablette (p <0,001). 77,4% der Patienten bevorzugten eine Behandlung mit Instanyl®, 22,6% bevorzugten eine Therapie mit Actiq® (p <0,001).

Verträglichkeit

Das Nebenwirkungsprofil ist dem anderer Fentanyl-haltiger Arzneimittel vergleichbar. Zu den häufig vorkommenden Nebenwirkungen, für die ein möglicher Zusammenhang zur Behandlung mit Instanyl® in klinischen Studien angenommen wird, gehören Somnolenz, Schwindel, Kopfschmerzen, Flush und Hitzewallungen, Rachenreizung, Übelkeit und Erbrechen sowie Hyperhidrose.

Fazit

Mit Instanyl® steht nun eine neue Option für Tumorpatienten zur Behandlung von Durchbruchschmerzen zur Verfügung. Das Nasenspray ist einfach anzuwenden und schnell wirksam. Günstig dürfte die nasale Applikation insbesondere auch für Patienten mit Schluckstörungen, Kopf-Hals-Tumoren oder gastrointestinalen Störungen sein.

Quellen

Prof. Dr. Norbert Frickhofen, Wiesbaden, Prof. Dr. Friedemann Nauck, Göttingen, Dr. Thomas Nolte, Wiesbaden. Einführungspressekonferenz Instanyl® „Fortschritt in der Schmerztherapie: Mit Fentanyl-Nasenspray schnell gegen den Durchbruchschmerz“, Frankfurt/M., 9. September 2009, veranstaltet von Nycomed.

Fachinformation Instanyl®, Stand Juli 2009.

Kress HG, et al. Efficacy and tolerability of intranasal fentanyl spray 50 to 200 microg for breakthrough pain in patients with cancer: a phase III, multinational, randomized, double-blind, placebo-controlled, crossover trial with a 10-month, open-label extension treatment period. Clin Ther 2009;31:1177-91.

http://www.emea.europa.eu/humandocs/PDFs/EPAR/instanyl/H-959-en6.pdf (Zugriff am 28.09.2009)

Mercadante S, et al. Efficacy of intranasal fentanyl spray (INFS) versus oral transmucosal fentanyl citrate (OTFC) for breakthrough cancer pain: an open-label crossover trial. Poster presented EFIC 2009.

Mercadante S, et al. Ease of use and preference for intranasal fentanyl spray (INFS) versus oral transmucosal fentanyl citrate (OTFC) for breakthrough cancer pain. Poster presented at EFIC 2009.

Arzneimitteltherapie 2009; 27(11)