Dr. med. Peter Stiefelhagen, Hachenburg
Vorhofflimmern ist die häufigste tachykarde Herzrhythmusstörung im klinischen Alltag. Dabei steigt die Prävalenz mit dem Alter deutlich an. Derzeit sind in Deutschland 0,5 bis 1% der Gesamtbevölkerung und über 10% der über 60-Jährigen betroffen.
Vorhofflimmern verschlechtert die Prognose
Das Vorhofflimmern entsteht aus einer komplexen Wechselwirkung zwischen auslösenden Triggern in Form von ektopischen Foci und fortdauerndem Gewebesubstrat im Sinne einer myokardialen Fibrosierung. Die Erkrankung geht nicht nur mit einer Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit und einer Verminderung der Lebensqualität einher, sondern ist durchaus auch prognostisch relevant. Die gefürchtetsten Komplikationen sind die Tachykardiomyopathie mit konsekutiver Herzinsuffizienz bei unzureichender Frequenzkorrektur und thromboembolische Komplikationen, insbesondere der Schlaganfall. Insgesamt ist bei Patienten mit Vorhofflimmern das Risiko einer thromboembolischen Komplikation um das 4,5-Fache, das Risiko einer Herzinsuffizienz um das 2- bis 3-Fache und das Mortalitätsrisiko um das 2-Fache erhöht.
Die besondere prognostische Relevanz des Vorhofflimmerns ergibt sich auch daraus, dass bei vielen Betroffenen kardiale Komorbiditäten (KHK, Herzinsuffizienz, Vitien) bestehen.
Rhythmuskontrolle versus Frequenzkontrolle
Für die Behandlung des persistierenden Vorhofflimmerns bieten sich grundsätzlich zwei Strategien an: Rhythmuskontrolle und Frequenzkorrektur. Die AFFIRM-Studie (Atrial fibrillation follow-up investigation of rhythm management) ergab in der Intention-to-treat-Analyse für die Lebensqualität und die Prognose quoad vitam keinen signifikanten Unterschied zwischen den beiden Behandlungsstrategien. Verantwortlich für die fehlende Überlegenheit einer rhythmuskontrollierenden Behandlung war insbesondere die erhöhte Rate an ischämischen Schlaganfällen. Ursache dafür war eine im Vertrauen auf eine Stabilisierung des Sinusrhythmus weniger konsequente Antikoagulation in dieser Patientengruppe.
Ein anderes Bild ergab sich allerdings bei der As-treated-Analyse: Insgesamt konnte nur bei 63% der Patienten der AFFIRM-Studie eine dauerhafte Stabilisierung des Sinusrhythmus erreicht werden. Diejenigen Patienten, bei denen eine effektive Rhythmuskontrolle gelang, zeigten eine signifikante Verbesserung des NYHA-Stadiums und der Prognose.
Nachteile bisher verfügbarer Antiarrhythmika
Auch wenn die Stabilisierung des Sinusrhythmus grundsätzlich für betroffene Patienten sowohl hinsichtlich der klinischen Symptomatik als auch der Prognose sinnvoll erscheint, so ist die dauerhafte Gabe eines Antiarrhythmikums im klinischen Alltag bisher doch mit einer Reihe von Problemen assoziiert, die ihren Einsatz stark limitieren. Besonders gefürchtet sind die proarrhythmogene Wirkung, die zu Torsades de Pointes führen kann, und die negativ inotrope Wirkung, die insbesondere bei herzinsuffizienten Patienten die hämodynamische Situation verschlechtert. Deshalb sind Klasse-I-Antiarrhythmika bei Patienten mit struktureller Herzerkrankung auch grundsätzlich kontraindiziert.
Bei dem Klasse-III-Antiarrhythmikum Amiodaron (z. B. Cordarex®), das auch bei Patienten mit struktureller Herzerkrankung eingesetzt werden kann, stehen dagegen die extrakardialen, organtoxischen Nebenwirkungen im Vordergrund. Zu den gefürchtetsten Komplikationen einer Therapie mit dieser Substanz gehören Hyperthyreose, Lungenfibrose, Hepatopathie und Lichtdermatose.
Überzeugende Studienergebnisse für Dronedaron
Ein neues Antiarrhythmikum für die Rhythmuskontrolle mit gleichzeitig guter frequenzkontrollierender Wirkung bei Vorhofflimmern ist der Mehrkanalblocker Dronedaron. Dabei handelt es sich wie bei Amiodaron um ein Benzofuran-Derivat, das jedoch nicht jodiert ist. Deshalb führt es nicht zu unerwünschten Arzneimittelwirkungen an der Schilddrüse. Die Substanz verfügt über unterschiedliche elektrophysiologische Wirkungsmechanismen. Im Vordergrund steht jedoch die Blockierung der Kaliumkanäle, was zu einer Verlängerung des Aktionspotenzials und der Refraktärperiode führt. Die Substanz wirkt aber auch Calcium-antagonistisch und nichtkompetitiv antiadrenerg.
Im den beiden großen klinischen Phase-III-Studien EURIDIS (European trial in atrial fibrillation or flutter patients recieving dronedarone for maintenance of sinus rhythm) und ADONIS(American-Australian trial with dronedarone in atrial fibrillation or flutter patients for the maintenance of sinus rhythm) konnte für Dronedaron eine überzeugende klinische Wirkung dokumentiert werden: Das Zeitintervall bis zum erneuten Auftreten von Vorhofflimmern wurde signifikant um den Faktor 2,3 bzw. 2,7 verlängert. Außerdem konnte in beiden Studien eine effektive Frequenzkontrolle erzielt werden, wenn erneut Vorhofflimmern auftrat. Auch in der ERATO-(Efficacy and safety of dronedarone for the control of ventricular rate)-Studie konnte für Dronedaron eine effektive frequenzkorrigierende Wirkung bei Patienten mit permanentem Vorhofflimmern dokumentiert werden.
ATHENA-Studie – Design
Die ATHENA-Studie (A trial with dronedarone to prevent hospitalization or death in patients with atrial fibrillation) ist die größte doppelblinde randomisierte Studie, die jemals bei Patienten mit Vorhofflimmern durchgeführt wurde. Eingeschlossen wurden insgesamt 4628 Patienten, die entweder über 75 Jahre alt waren oder mindestens 70 Jahre alt waren und zusätzlich mindestens einen kardiovaskulären Risikofaktor (Bluthochdruck, Diabetes mellitus, zurückliegendes zerebrovaskuläres Ereignis, Größe des linken Vorhofs ≥50 mm oder linksventrikuläre Auswurffraktion ≤40%) aufwiesen. Zu den Ausschlusskriterien gehörten unter anderem das Vorliegen eines permanenten Vorhofflimmerns, einer dekompensierten Herzinsuffizienz, einer bradykarden Herzrhythmusstörung und einer hochgradigen Einschränkung der Nierenfunktion. Die Patienten erhielten randomisiert entweder zweimal täglich 400 mg Dronedaron (n=2301) oder Plazebo (n=2327). Die mittlere Beobachtungsdauer betrug 21±5 Monate.
Als primärer kombinierter Endpunkt wurde Tod jeglicher Ursache und erstmalige Krankenhauseinweisung aufgrund kardiovaskulärer Ereignisse festgelegt. Sekundäre Endpunkte waren Tod jeglicher Ursache, kardiovaskulär bedingter Tod und Krankenhausaufenthalt aufgrund kardiovaskulärer Ereignisse.
ATHENA-Studie – Ergebnisse
Das Risiko für den primären Studienendpunkt „kardiovaskulär bedingte Krankenhausaufenthalte und Tod aufgrund aller Ursachen“ war unter Dronedaron signifikant geringer als unter Plazebo (31,9% vs. 39,4%; Hazard-Ratio [HR] 0,76; 95%-Konfidenzintervall [KI] 0,69–0,84; p<0,001) (Abb. 1). Dabei konnte insbesondere die Zahl der erstmaligen Klinikaufenthalte aufgrund kardiovaskulärer Ereignisse durch Dronedaron im Vergleich zu Plazebo signifikant von 36,9% auf 29,3% gesenkt werden (HR 0,74; 95%-KI 0,67–0,82; p<0,001). Die Gesamttodesrate war unter Dronedaron nicht signifikant geringer als unter Plazebo (5% vs. 6%; HR 0,84; p=0,18). Kardiovaskulär und insbesondere durch Arrhythmien bedingte Todesfälle kamen unter Dronedaron allerdings signifikant seltener vor (p=0,03 bzw. p=0,01).

Abb. 1. Das Risiko für den primären Studienendpunkt „kardiovaskulär bedingte Krankenhausaufenthalte und Tod aufgrund aller Ursachen“ war unter Dronedaron signifikant geringer als unter Plazebo [Hohnloser et al. 2009]
Insgesamt wurde Dronedaron von den Studienpatienten gut vertragen. Im Vergleich zu Plazebo traten vermehrt gastrointestinale Störungen, Hautveränderungen, Bradykardien, Verlängerung des QT-Intervalls und Serumcreatinin-Erhöhungen auf (p≤0,001). Ernsthafte Nebenwirkungen wie Lungenfibrose oder Schilddrüsenfunktionsstörungen wurden unter Dronedaron jedoch nicht signifikant häufiger beobachtet als unter Plazebo.
Fazit
Der Mehrkanalblocker Dronedaron bewirkt eine effektive Rhythmuskontrolle bei Patienten mit Vorhofflimmern. Darüber hinaus garantiert er bei permanentem Vorhofflimmern eine ausreichende Frequenzkorrektur. Im Unterschied zu anderen Antiarrhythmika konnte für Dronedaron in der ATHENA-Studie zudem eine signifikante Senkung der Rate an kardiovaskulär bedingten Krankenhausaufenthalten sowie der kardiovaskulären Mortalität dokumentiert werden. Nach ersten Zulassungen in den USA, Kanada und der Schweiz ist Dronedaron (Multaq®) seit Ende November auch in der EU zugelassen.
Quelle
Vorträge Prof. Paulus Kirchhof, Münster, Prof. Gerald Naccarelli, Hershey, Prof. Stuart Connolly, Hamilton, Prof. Harry J.G.M. Crijns, Maastricht, Satellitensymposium „Breaking down the walls in atrial fibrillation management“, veranstaltet von Sanofi-Aventis im Rahmen des EUROPACE 2009, Berlin, 21. Juni 2009.
Hohnloser SH, et al. Effect of dronedarone on cardiovascular events in atrial fibrillation. N Engl J Med 2009;360:668–78.
Arzneimitteltherapie 2009; 27(12)