Ambulant erworbene untere Atemwegsinfektionen/ambulant erworbene Pneumonien bei erwachsenen Patienten


Diagnostik, antimikrobielle Therapie und Management: Empfehlungen der aktuellen S3-Leitlinie

Veröffentlicht am: 28.11.2019

Im Jahr 2005 wurde im Namen der Paul-Ehrlich-Gesellschaft für Chemotherapie e.V. (PEG), der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e.V. (DGP), der Deutschen Gesellschaft für Infektiologie e.V. (DGI) und des Kompetenznetzwerks CAPNETZ Deutschland die Leitlinie „Ambulant erworbene Pneumonie/untere Atemwegsinfektionen“ publiziert. Im Juli 2009 wurde die aktualisierte Version der Leitlinie fertiggestellt, in der die zwischen 02/2004 und 12/2007 neu erschienene Literatur berücksichtigt wird. Evidenz und Empfehlungsgrade wurden nach dem Oxford Centre of Evidence Based Medicine (1999) klassifiziert. Wesentliche Inhalte der Leitlinie, vor allem zur Diagnostik und antimikrobiellen Therapie, sind hier zusammengefasst.
Arzneimitteltherapie 2010;28:60–7.

Ziel der aktuellen S3-Leitlinie [1, 2] ist es, zur Etablierung von Standards in der Diagnostik und Therapie von ambulant erworbenen Pneumonien/unteren Atemwegsinfektionen beizutragen, die einen rationalen Einsatz antimikrobieller und antiviraler Arzneistoffe sicherstellen und der Entwicklung von Resistenzen entgegenwirken.

Die Leitlinie umfasst die Aspekte Epidemiologie, Diagnostik, Therapie und Management von akuten unteren Atemwegsinfektionen (akute Bronchitis, akute Exazerbation einer chronisch-obstruktiven Lungenerkrankung [AECOPD], Influenza und andere akute virale Atemwegsinfektionen). Der Schwerpunkt liegt auf der ambulant erworbenen Pneumonie (community-acquired pneumonia, CAP). Diese ist definiert als akute mikrobielle Infektion des Lungenparenchyms und angrenzender Organe, die im privaten oder beruflichen Umfeld – also nicht während eines stationären Aufenthalts (nosokomiale Pneumonie) oder innerhalb der ersten vier Wochen nach Entlassung – erworben wurde.

Die Leitlinie bezieht sich auf Patienten ohne Abwehrschwäche und schließt auch Patienten in Alten- und Pflegeeinrichtungen ein. Sie gilt nicht für Patienten mit primären oder sekundären Immundefekten sowie für Patienten mit behandlungsbedürftiger Tuberkulose.

Epidemiologie

Die ambulant erworbene Pneumonie (CAP) ist die weltweit am häufigsten registrierte Infektionskrankheit. Nach Daten der Bundesgeschäftsstelle für Qualitätssicherung (BQS) werden jährlich etwa 200000 Patienten aufgrund einer CAP stationär behandelt. Bei einer Hospitalisierungsrate von 30 bis 50% kann folglich von insgesamt etwa 400000 bis 600000 Fällen pro Jahr ausgegangen werden. Die Inzidenz der Erkrankung steigt mit zunehmendem Alter. Während die Letalität bei ambulant behandelbarer CAP gering ist (0,6%; Quelle: CAPNETZ), liegt sie im stationären Bereich mit 13,7 bis 14,4% deutlich höher (Quelle: BQS).

Zur Häufigkeit akuter Exazerbationen einer chronisch-obstruktiven Lungenerkrankung (AECOPD) in Deutschland liegen keine verlässlichen Daten vor – man geht von 0,6 bis 2,7 Exazerbationen pro Patient und Jahr aus.

Erregerspektrum

Ambulant erworbene Pneumonie (CAP)

Das Erregerspektrum der CAP variiert in Abhängigkeit von zahlreichen Faktoren wie Region, Jahreszeit, lokale epidemiologische Situation, untersuchte Patientenpopulation oder eingesetzte diagnostische Methoden. In Deutschland werden Daten von CAPNETZ zufolge bis zu 50% der ambulanten und stationären CAP-Fälle durch Streptococcus pneumoniae verursacht. Deutlich seltener sind durch Mycobacterium pneumoniae, Haemophilus influenzae, Enterobacteriaceae, Staphylococcus aureus oder Legionella spp. hervorgerufene CAP. Pseudomonas aeruginosa ist als Erreger der CAP in Deutschland von untergeordneter Bedeutung. Eine virale Ursache fand sich in der deutschen CAPNETZ-Studie bei 11,6% der Patienten mit mikrobiologisch gesicherter CAP. Virale CAP werden am häufigsten durch Influenzaviren verursacht, aber auch das Respiratory Syncytial Virus (RSV), Adeno-, Corona-, Parainfluenza-, Entero- und humane Metapneumoviren (HMP-Viren) spielen eine Rolle. Beim Nachweis einer viralen CAP findet sich oftmals auch eine zusätzliche bakterielle Infektion, meist mit S. pneumoniae oder S.aureus.

Akute Exazerbation einer COPD (AECOPD)

Etwa die Hälfte der AECOPD haben eine infektiöse Ursache; in bis zu 75% der Fälle können Viren nachgewiesen werden. Neben Influenzaviren kommen vor allem RSV, Rhino-, Corona- und HMP-Viren vor, seltener Parainfluenza- und Adenoviren. In 20% der Fälle ist die Exazerbation durch mehrere Viren bedingt. Die häufigsten bakteriellen Erreger sind H. influenzae, S. pneumoniae, M. catarrhalis, Enterobacteriaceae und P. aeruginosa. Die Bedeutung von Chlamydien und Legionellen bei der AECOPD ist unklar. In 20–30% der Fälle kann die Ursache der Infektion nicht gefunden werden.

Symptomatik und Untersuchungsbefunde

Infektionen der unteren Atemwege können sich durch Symptome wie allgemeines Krankheitsgefühl, Fieber, Husten, eitriger Auswurf, Dyspnoe, Myalgien oder Arthragien bemerkbar machen. Allerdings sind diese Symptome unspezifisch und erlauben keine Abgrenzung einer CAP von einer anderen Infektion der unteren Atemwege.

Mögliche Untersuchungsbefunde bei CAP sind Dyspnoe mit erhöhter Atemfrequenz, Tachykardie, abgeschwächter Klopfschall bei ausgedehnten Infiltrationen oder Pleuraerguss, Bronchialatmen oder fein- bis mittelblasige klingende ohrnahe Rasselgeräusche. Letztere haben einen relativ hohen negativen Prädiktionswert – sind keine Rasselgeräusche vorhanden, ist eine CAP eher unwahrscheinlich. Da keiner dieser Untersuchungsbefunde zur Diagnosestellung ausreicht, wird aus differenzialdiagnostischen Überlegungen oder bei Vorliegen folgender Faktoren eine Röntgenthoraxaufnahme in zwei Ebenen empfohlen (Empfehlungsgrad B): lokalisierter Auskultationsbefund, klinischer Verdacht auf CAP, vorhandene Komorbiditäten, schwere Erkrankung mit Beeinträchtigung vitaler Funktionen. Stellen sich Patienten aufgrund einer akuten unteren Atemwegsinfektion in der Klinik vor, sollte grundsätzlich eine Röntgenthoraxaufnahme angefertigt werden (Empfehlungsgrad B).

Diagnostik

Mikrobiologische Diagnostik

Zur Diagnostik schnell wachsender Erreger der CAP werden Mikroskopie und Kultur eingesetzt. Untersucht werden können Sputum (makroskopisch eitriges, sonst häufig Kontamination mit der physiologischen Mund-Rachen-Flora!), mittels bronchioalveolärer Lavage (BAL) oder Biopsie gewonnenes Material, Pleuraflüssigkeit oder Blutkulturen.

Mikroskopische Sputumdiagnostik

Erfüllt eine Sputumprobe die zytologischen Qualitätskriterien (>25 Granulozyten, <10 [bis 25] Plattenepithelzellen pro Gesichtsfeld bei 100-facher Vergrößerung), liegt die Sensitivität der mikroskopischen Untersuchung bei bis zu 85%; die Spezifität wird mit >80% angegeben. Allerdings spielt bei der Beurteilung von Gram-Präparaten auch die Erfahrung des Untersuchers eine große Rolle.

Kultureller Nachweis

Der Erregernachweis aus Blutkulturen gilt als diagnostisch beweisend, wohingegend beim Nachweis aus Atemwegsmaterialien nicht sicher zwischen Besiedelung und Infektion unterschieden werden kann. Hauptprobleme bei der kulturellen Diagnostik sind die lange Dauer (in der Regel 24–48 h) und die geringe Sensitivität (z. B. aufgrund von Entnahmefehlern, ungeeignetem Probenmaterial, vorausgegangener Antibiotikatherapie oder zu langer Transportzeit). Allerdings ist die Kultur das einzige Verfahren, das eine Resistenztestung der Erreger erlaubt.

Empfehlungsgrad

Beschreibung (innerhalb des Empfehlungsgrads nach abnehmendem Evidenzgrad genannt)

A

Evidenz durch systematisches Review randomisierter kontrollierter Studien (RCT), durch eine geeignet geplante RCT oder gemäß Alle-oder-Keiner-Prinzip

B

Evidenz durch systematisches Review gut geplanter Kohortenstudien, durch eine gut geplante Kohortenstudie/RCT mäßiger Qualität (z.B. <80% Follow-up), durch Outcome-Research-Studien, durch systematisches Review gut geplanter Fall-Kontroll-Studien oder durch eine Fall-Kontroll-Studie

C

Evidenz durch Fallserien/Kohorten- und Fall-Kontroll-Studien mäßiger Qualität

D

Expertenmeinung ohne explizite kritische Bewertung oder basierend auf physiologischen Modellen, Laborforschungsresultaten oder „first principles“

Pneumokokken-Antigen-Nachweis im Urin

Der Pneumokokken-Antigen-Nachweis im Urin wird derzeit nicht empfohlen (Empfehlungsgrad B), da der klinische Nutzen begrenzt ist (der Erreger liegt im antimikrobiellen Spektrum der initialen kalkulierten Antibiotikatherapie) und bei negativem Testergebnis eine Infektion nicht sicher ausgeschlossen werden kann.

Diagnostik spezieller Erreger

Bei Verdacht auf eine Legionelleninfektion wird der Antigennachweis aus dem Urin als Methode der Wahl empfohlen (Empfehlungsgrad B). Die Sensitivität bei Reise-assoziierten Infektionen liegt bei etwa 94%, bei ambulant erworbenen Legionelleninfektionen zwischen 76 und 86% (Biotest-EIA und Binax-EIA). Der immunchromatographische Schnelltest (ICT) erreicht bei Infektionen mit Stämmen der Serogruppe 1 eine Sensitivität von 94%. Die Spezifität der drei Testverfahren liegt bei 99 bis 100%, so dass ein positives Ergebnis als beweisend für eine Legionelleninfektion gewertet werden kann. Nukleinsäure-Amplifikationsverfahren sind für den Routine-Einsatz bislang nicht ausreichend validiert und standardisiert. Nicht empfohlen werden der Antikörper-Nachweis aus dem Serum sowie der direkte Immunfluoreszenztest aus Materialien der unteren Atemwege. Zur Klärung epidemiologischer Zusammenhänge müssen Kulturen angelegt werden.

Eine routinemäßige Untersuchung auf Mycoplasma pneumoniae bei Vorliegen einer CAP wird nicht empfohlen (Empfehlungsgrad B). Bei ausreichender Validierung und Standardisierung des Testverfahrens ist die PCR aus dem Rachenabstrich am besten für die Diagnostik einer M.-pneumoniae-Pneumonie geeignet.

Eine routinemäßige Untersuchung auf Chlamydophila pneumoniae wird bei Vorliegen einer ambulant erworbenen Infektion der unteren Atemwege ebenfalls nicht empfohlen (Empfehlungsgrad B), da es bislang keine diagnostische Methode der Wahl gibt. Wird eine Diagnostik für erforderlich gehalten, sollte entweder ein Mikroimmunfluoreszenztest oder eine PCR aus respiratorischem Material durchgeführt werden.

Auch eine routinemäßige Untersuchung auf respiratorische Viren wird nicht empfohlen (Empfehlungsgrad B). Für Empfehlungen zur aktuellen Influenza-Situation verweist die Leitlinie auf das Robert-Koch-Institut (www.rki.de), die WHO (www.who.int) und die CDC (Centers for Disease Control and Prevention; www.cdc.gov).

Diagnostisches Vorgehen bei AECOPD oder CAP

Die bei einer akuten Exazerbation einer COPD oder bei ambulant erworbenen Pneumonien empfohlenen diagnostischen Maßnahmen sind in Tabelle 1 zusammengefasst.

Tab.1. Empfehlungen zur Diagnostik bei AECOPD und CAP/sCAP

Diagnostische Maßnahmen (Empfehlungsgrad)

Mikrobiologie

Bildgebung

Sonstige Maßnahmen

AECOPD:

Bei ≥3 Exazerbationen/Jahr, Therapieversagen u./o. besonders schwerem Verlauf mit Verdacht auf multiresistente Bakterien Sputumdiagnostik (makroskopisch purulentes Sputum, Transport und Untersuchung innerhalb von 2–4 h nach Gewinnung): Gramfärbung, Bakterienkultur mit Resistenztestung (C)

Anamnese und eingehende klinische Untersuchung (→ zunehmende Atemnot?, vermehrt Husten?, Sputummenge erhöht u./o. Zunahme der Viskosität u./o. gelb-grüne Verfärbung des Auswurfs?, Engegefühl in der Brust?, zentrale Zyanose?, periphere Ödeme?, Einsatz der Atemhilfsmuskulatur?)

CAP bei ambulanten Patienten ohne Risikofaktoren (d. h. keine schweren Begleiterkrankungen, keine Antibiotikatherapie in den letzten 3 Monaten,
stabiler klinischer Zustand):

Bei leichter CAP nicht empfohlen (A)

Röntgen-Thorax in zwei Ebenen (B)

– Anamnese und eingehende klinische Untersuchung mit Bestimmung des CRB-65-Index (s. Kasten) (B)

– Ggf. Labor (z. B. Blutbild, Creatinin, Harnstoff) (A)

CAP bei ambulanten Patienten mit Risikofaktoren (d. h. Antibiotikatherapie in den letzten 3 Monaten, Bewohner von Pflegeheimen, chronische internistische oder neurologische Begleiterkrankungen):

– Nicht generell indiziert (A)

– Bei vorangegangener Anitbiotikatherapie, struktureller Lungenerkrankung oder rezidivierender Pneumonie Gramfärbung/Bakterienkultur mit Resistenztestung aus Sputum oder BAL-Material in Erwägung ziehen (A)

– Abnahme von Blutkulturen wegen geringer therapeutischer Konsequenz nicht empfohlen (A)

Röntgen-Thorax in zwei Ebenen (A)

– Anamnese und eingehende klinische Untersuchung

– Je nach Grunderkrankungen des Patienten eventuell umfangreichere Labordiagnostik als bei CAP-Patienten ohne Risikofaktoren (A)

CAP bei hospitalisierten Patienten auf Normalstation:

– Abnahme von 2 Blutkulturen (also 2×2 Flaschen) von verschiedenen Stellen im Abstand von wenigen Minuten, möglichst vor Beginn der Antibiotikatherapie (C)

– Diagnostische Pleurapunktion (B) bei Vorliegen eines Ergusses >5 cm in der lateralen Röntgenaufnahme obligat (Ausschluss Pleuraempyem) → pH-Wert?, Eiweißgehalt?, Gramfärbung, Bakterienkultur

– L.-pneumophila-Antigentest (Serogruppe 1) aus dem Urin (B) (Sensitivität >90%)

– Sputumdiagnostik nur empfohlen bei purulentem Sputum, wenn der Patient nicht antimikrobiell vorbehandelt wurde und wenn die logistischen Voraussetzungen erfüllt sind (Transport und Verarbeitung innerhalb von 2–4 h nach Gewinnung)

Obligat: Röntgen-Thorax in zwei Ebenen
(→ Pleuraergüsse oder multilobäre Infiltrate sind prognostisch ungünstige Zeichen) (B)

– Anamnese und eingehende klinische Untersuchung (Hinweise auf ein spezielles Erregerspektrum?) (B):
–– Vorangegangene Antibiotikatherapie? → mögliche Infektion durch resistente Erreger nach Therapie mit Beta-Lactamen, Makroliden, Fluorchinolonen oder Cephalosporinen
–– Reiseanamnese → Infektion mit Legionella spp.?
–– Alter? → vermehrt gramnegative Erreger bei >65-Jährigen
–– Unterbringung in Alten-/Pflegeeinrichtungen oder vorangegangener Krankenhausaufenthalt? → vermehrt Infektionen mit multi-/resistenten Enterobacteriaceae und S. aureus bzw. Aspirationspneumonien
–– Vorliegen einer chronischen Lungenerkrankung? → vermehrt Infektionen mit H. influenzae, S. aureus und P. aeruginosa
–– Tierkontakte? → Vögel: C. psittaci, Schafe: C. burnetii
–– Vorangegangene Therapie mit Glucocorticoiden? → vermehrt Infektionen mit P. aeruginosa und Legionella spp.

– Labor: (A): Leukozytenzahl, Differenzialblutbild, CRP oder Procalcitonin im Serum bei Aufnahme und nach 3–5 Tagen, arterielle oder kapilläre Blutgase oder Sauerstoffsättigung (→ PaO2<60mmHg bei Aufnahme ist Risikofaktor für Therapieversagen); (B): Elektrolyte, Serumcreatinin, Serumharnstoff, Blutzucker, Transaminasen, γ-GT

sCAP mit Betreuung auf einer Intensiv- oder Intermediärstation bzw. mit intensivierter Überwachung

– Abnahme von 2 Blutkulturen (also 2×2 Flaschen) von verschiedenen Stellen im Abstand von wenigen Minuten, möglichst vor Beginn der Antibiotikatherapie (B, da bakteriämische Verläufe häufiger)

– Diagnostische Pleurapunktion (B) bei Vorliegen eines Ergusses >5 cm in der lateralen Röntgenaufnahme obligat (Ausschluss Pleuraempyem) → pH-Wert?, Eiweißgehalt?, Gramfärbung, Bakterienkultur

– L.-pneumophila-Antigentest (Serogruppe 1) aus dem Urin (B) (Sensitivität >90%; positives Ergebnis hat Konsequenzen für Therapiedauer)

– Sputum oder Trachealsekret → Mikroskopie, Kultur und Resistenztestung (logistische Voraussetzungen [s.o.] müssen erfüllt sein!) (B)

– Bronchoskopie (BAL, geschützte Bürste) bei immunsupprimierten Patienten, bei Verdacht auf Infektion mit einem seltenen Erreger und zum Ausschluss einer Bronchusstenose (B)

Obligat: Röntgen-Thorax in zwei Ebenen
(→ Pleuraergüsse oder multilobäre Infiltrate sind prognostisch ungünstige Zeichen) (B)

Anamnese und laborchemische Diagnostik: Empfehlungen entsprechen prinzipiell denen bei CAP-Patienten auf Normalstation, allerdings können je nach Schweregrad der Erkrankungen weitere diagnostische Maßnahmen zur Überwachung bestimmter Organfunktionen indiziert sein; Bestimmung von Procalcitonin zur Verlaufskontrolle (erhöhte Werte an Tag 1 sowie fehlender Abfall von Tag 1 bis Tag 3 sind prognostisch ungünstig, bei fehlendem Abfall mögliches Therapieversagen oder sekundäre infektiöse Komplikationen bedenken)

AECOPD: akute Exazerbation einer chronisch-obstruktiven Lungenerkrankung (COPD); CAP: ambulant erworbene Pneumonie; sCAP: schwere CAP; BAL: bronchoalveoläre Lavage; CT: Computertomographie; CRP: C-reaktives Protein; PaO2: arterieller Sauerstoffpartialdruck; γ-GT: Gamma-Glutamyl-Transferase

Therapie der Non-CAP

Akute Bronchitis

Ein antibiotische Behandlung wird nicht empfohlen, da es sich in der Regel um virale Infektionen handelt (Empfehlungsgrad A). Bei Patienten mit Asthma bronchiale oder bei schwerem und >7 Tage andauerndem Verlauf kann eine Antibiotikatherapie im Einzelfall in Abhängigkeit vom klinischen Befund erwogen werden (C).

Influenzainfektion

Bei Infektionen mit milderem Verlauf wird eine antivirale Therapie nicht generell empfohlen (Empfehlungsgrad D), da sie mit hohen Kosten und der Möglichkeit der Resistenzentwicklung einhergeht und die Krankheitsdauer um lediglich 1 bis 1,5 Tage zu verkürzen vermag. Insbesondere bei Risikopatienten (z. B. ältere Patienten mit Grunderkrankungen) ist eine antivirale Therapie jedoch sinnvoll und sollte auf den Influenza-Subtyp abgestimmt werden. Empfohlen werden Neuraminidase-Inhibitoren (Zanamivir oder Oseltamivir), spätestens 48 Stunden nach Beginn der Symptomatik. Das nur gegen Influenzavirus A wirksame Amantadin wird aufgrund seiner Toxizität und der raschen Resistenzentwicklung nicht empfohlen.

Akute Exazerbation einer COPD (AECOPD)

Den Empfehlungen der Leitlinie liegt folgende Unterteilung der AECOPD zugrunde (nach Stockley):

  • Typ 1: Zunahme der Dyspnoe und ggf. auch der Sputummenge
  • Typ 2: Zunahme der Dyspnoe und ggf. auch der Sputummenge und Vorliegen eitrigen Sputums

Die Auswahl des Antibiotikums sollte sich nach dem Schweregrad der Erkrankung richten (Einteilung nach der Nationalen Versorgungsleitlinie COPD der Bundesärztekammer 2007). Bei Patienten mit AECOPD und einer vorbestehenden Einsekundenkapazität (FEV1) >50% des Sollwerts liegen meist Infektionen mit S. pneumoniae oder H. influenzae vor, wogegen Beta-Lactam-Antibiotika und – mit Einschränkungen – auch neuere Makrolide gut wirksam sind. Bei einer FEV1 <50% und bei Patienten mit häufigen Exazerbationen finden sich häufig Enterobacteriaceae, die mit Aminopenicillinen plus Beta-Lactamase-Inhibitor, Cephalosporinen der Gruppen 2 und 3 oder mit Fluorchinolonen behandelt werden sollten. Therapieempfehlungen samt Dosierungen und empfohlener Therapiedauer sind in Tabelle 2 angegeben. Eine generelle begleitende inhalative Therapie mit Antibiotika wird nicht empfohlen, ist jedoch bei nachgewiesenermaßen vorliegenden Bronchiektasen zu erwägen (Empfehlungsgrad B).Zum Vorgehen bei Therapieversagen (persistierende Symptomatik trotz adäquater Therapie über mindestens 48–72 Stunden) liegen keine Studienergebnisse vor.

Tab. 2. Antibiotikatherapie bei AECOPD: Indikationen und entsprechende Therapieempfehlungen (Empfehlungsgrad C)

Substanzen

Dosierung oral
(pro Tag)

Dosierung i.v. (pro Tag)

Therapiedauer

Bei leichtgradiger AECOPD (ambulante Therapie) mit Stockley Typ 2 und COPD GOLD-Stadium III oder IV (FEV1 <50%/Soll)*

Mittel der Wahl

– Amoxicillin

≥70 kg: 3 × 1,0 g
<70 kg: 3 × 750 mg

7 Tage

Alternativen

– Azithromycin

1 × 500 mg

3 Tage

– Clarithromycin

2 × 500 mg

7 Tage

– Roxithromycin

1 × 300 mg

7 Tage

– Doxycyclin

1 × 200 mg initial,
dann
≥70 kg: 1 × 200 mg
<70 kg: 1 × 100 mg

7 Tage

Bei mittelschwerer und schwergradiger AECOPD (hospitalisierte Patienten auf Normal- bzw. Intensivstation) mit Stockley Typ 2 ohne bekannte Kolonisation durch P. aeruginosa, ohne Bronchiektasen, ohne Beatmung bzw. ohne individuellen P.-aeruginosa-Nachweis*

Mittel der Wahl

– Amoxicillin + Clavulansäure

≥70 kg: 3 × 875/125 mg
<70 kg: 2 × 875/125 mg

3 × 2,2 g

7 Tage

– Sultamicillin

2 × 750 mg

7 Tage

– Ampicillin + Sulbactam

3 × 3,0 g

7 Tage

– Ceftriaxon

1 × 2,0 g

7 Tage

– Cefotaxim

3 × 2,0 g

7 Tage

Alternativen**

– Levofloxacin

1 × 500 mg

1 × 500 mg

5 Tage

– Moxifloxacin

1 × 400 mg

1 × 400 mg

5 Tage

Bei AECOPD mit Stockley Typ 2 mit bekannter Kolonisation durch P. aeruginosa bzw. mit Bronchiektasen bzw. mit individuellem P.-aeruginosa-Nachweis sowie bei beatmeten Patienten*

– Piperacillin/Tazobactam

3 × 4,5 g

8 Tage

– Cefepim

3 × 2,0 g

8 Tage

– Ceftazidim***

3 × 2,0 g

8 Tage

– Imipenem

3 × 1,0 g

8 Tage

– Meropenem

3 × 1,0 g

8 Tage

– Levofloxacin

2 × 500 mg

2 × 500 mg

8 Tage

– Ciprofloxacin***

2 × 750 mg

3 × 400 mg

8 Tage

*Wesentliches Entscheidungskriterium zwischen den genannten Alternativen ist eine vorausgegangene Antibiotikatherapie innerhalb der letzten 3 Monate bei Patienten mit rezidivierenden Exazerbationen → es wird ein Wechsel der zuletzt verwendeten Substanzklasse empfohlen
**Bei Therapieversagen oder Unverträglichkeit der anderen Substanzen
***Ciprofloxacin und Ceftazidim in Kombination mit einer pneumokokkenwirksamen Substanz

Therapie und Management der ambulant erworbenen Pneumonie (CAP/sCAP)

Um den Behandlungsort festlegen zu können, muss zunächst der Schweregrad der Pneumonie eingeschätzt werden. Neben der klinischen Beurteilung durch den Arzt sollte dazu der CRB-65-Index (s. Kasten) des Patienten bestimmt werden. Bei einem CRB-65-Index ≥1 sollte eine Krankenhausaufnahme erwogen werden (Empfehlungsgrad B). Ambulant behandelte Patienten (CRB-65=0) sollten innerhalb von 48(–72) Stunden erneut ärztlich gesehen und evaluiert werden (B). Falls zu diesem Zeitpunkt der klinische Zustand nicht gebessert und das Fieber nicht zurückgegangen ist, müssen Diagnose und Therapie überdacht und eine stationäre Aufnahme erwogen werden. Zur Entscheidung, ob eine Aufnahme auf eine Intensivstation (ITS) erforderlich ist, sollte der modifizierte ATS-Score herangezogen werden (s. Kasten): Eine Behandlung auf einer Intensivstation wird empfohlen, wenn mindestens ein Major-Kriterium positiv ist. Sind mindestens zwei Minor-Kriterien erfüllt oder liegt ein CRB-65-Index ≥2 vor, wird eine intensivierte Überwachung (je nach Einrichtung ITS, Intermediärstation oder Normalstation mit entsprechender Überwachung) empfohlen (Empfehlungsgrad B). In Abbildung 1 ist ein Algorithmus zur Risikoabschätzung dargestellt.

CRB-65-Index:

Folgende Kriterien werden geprüft:

– Bewusstseinstrübung (confusion)?
– Atemfrequenz (respiratory rate) ≥30/min?
– Diastolischer Blutdruck (blood pressure) ≤60 mmHg/systolischer Blutdruck <90 mmHg?
– Alter ≥65 Jahre?

Für jedes erfüllte Kriterium wird ein Punkt vergeben, die Gesamtpunktzahl entspricht dem Score.

Modifizierte ATS-Kriterien für eine sCAP:

Major-Kriterien (Bestimmung bei Aufnahme oder im Verlauf; positiv, wenn eine der beiden Variablen erfüllt ist):

– Intubation oder maschinelle Beatmung erforderlich
– Gabe von Vasopressoren >4 h erforderlich (septischer Schock)

Minor-Kriterien (Bestimmung bei Aufnahme; positiv, wenn zwei der drei Variablen erfüllt sind):

– Schwere respiratorische Insuffizienz (PaO2/FiO2 <250)
– Multilobäre Infiltrate in der Thorax-Röntgenaufnahme
– Systolischer Blutdruck <90 mmHg

Abb. 1. Algorithmus zur Risikostratifizierung und Festlegung des Behandlungsorts bei ambulant erworbener Pneumonie (CAP) CRB-65-Index und modifizierter ATS-Score siehe Kasten

Therapie der CAP/sCAP

Die medikamentöse Therapie richtet sich nach der Schwere der CAP. Die jeweiligen Empfehlungen sind in Tabelle 3 zusammengefasst.

Tab. 3. Therapieempfehlungen für ambulante Patienten mit CAP (ohne und mit Risikofaktoren), hospitalisierte CAP-Patienten und hospitalisierte sCAP-Patienten (ohne und mit Indikation für eine gegen P. aeruginosa wirksame Therapie)

Substanzen

Dosierung (pro Tag)

Therapiedauer

Bemerkung

Wirkstoffe

Handelsnamen1

Therapieempfehlung für ambulante Patienten mit CAP ohne Risikofaktoren (d. h. keine schweren Begleiterkrankungen, keine Antibiotikatherapie in den letzten 3 Monaten, stabiler klinischer Zustand) (Empfehlungsgrad A):

Mittel der Wahl

Aminopenicillin

– Amoxicillin

z. B. Amoxypen®

≥70 kg: 3 × 1 g oral
<70 kg: 3 ×750 mg oral

5–7 Tage

Alternativen

Makrolid

– Azithromycin

z. B. Zithromax®

1 × 500 mg oral

3 Tage

– Clarithromycin

z. B. Klacid®

2 × 500 mg oral

5–7 Tage

– Roxithromycin

z. B. Rulid®

1 × 300 mg oral

5–7 Tage

oder

Tetracyclin

– Doxycyclin

z. B. Doxycyclin AL

1 × 200 mg oral initial,
≥70 kg: 1 × 200 mg
<70 kg: 1 × 100 mg

5–7 Tage

Therapieempfehlung für ambulante Patienten mit CAP mit Risikofaktoren (d. h. Antibiotikatherapie in den letzten 3 Monaten, Bewohner von Pflegeheimen, chronische internistische oder neurologische Begleiterkrankungen) (Empfehlungsgrad A):

Mittel der Wahl

2 Bei Therapieversagen oder Unverträglichkeit der anderen Substanzen

Beta-Lactam

– Amoxicillin/Clavulansäure

z. B. Augmentan®

2 × 875/125 mg oral

5–7 Tage

– Sultamicillin

Unacid® PD oral

2 × 750 mg oral

5–7 Tage

Alternative

Fluorchinolon2

– Levofloxacin

z. B. Tavanic®

1 × 500 mg oral

5–7 Tage

– Moxifloxacin

z. B. Avalox®

1 × 400 mg oral

5–7 Tage

Therapieempfehlung für die kalkulierte Initialtherapie bei hospitalisierten CAP-Patienten (Empfehlungsgrad A):

Beta-Lactam

3 Je nach klinischer Entscheidung initial parenteral oder oral; die parenterale Verabreichung wird bevorzugt (Dosierung i. v.: Azithromycin 1 × 500 mg/d; Clarithromycin 2 × 500 mg/d; Erythromycin 3 × 1,0 g/d) (B). Für die orale Therapie sollten die modernen Makrolide (Clarithromycin, Roxithromycin oder Azithromycin) den älteren Makroliden vorgezogen werden (Dosierung s. o.).

4 Bei vorausgegangener Antibiotikatherapie innerhalb der letzten 3 Monate wird ein Wechsel der zuletzt verwendeten Substanzgruppe empfohlen.

5 Eine initiale orale Behandlung ist einer parenteralen Verabreichung gleichwertig, die initiale parenterale Gabe wird bevorzugt (B).

6 Patienten mit Risikofaktoren für eine Infektion mit Enterobacteriaceae inkl. ESBL-Bildnern (außer P. aeruginosa) sowie Patienten, die kürzlich eine Therapie mit Penicillinen oder Cephalosporinen erhalten haben.

– Amoxicillin/Clavulansäure

z. B. Augmentan®

3 × 2,2 g i. v.

5–7 Tage

– Ampicillin/Sulbactam

Unacid®

3 × 3,0 g i. v.

5–7 Tage

– Cefuroxim

z. B. Cefuroxim Fresenius

3 × 1,5 g i. v.

5–7 Tage

– Ceftriaxon

z. B. Rocephin®

1 × 2,0 g i. v.

5–7 Tage

– Cefotaxim

z. B. Claforan®

3 × 2,0 g i. v.

5–7 Tage

Mit oder ohne Makrolid3

5–7 Tage

Oder4

Fluorchinolon5

– Levofloxacin

z. B. Tavanic®

1 × 500 mg i. v.

5–7 Tage

– Moxifloxacin

z. B. Avalox®

1 × 400 mg i. v.

5–7 Tage

Oder bei ausgewählten Patienten6

Carbapenem

– Ertapenem

Invanz®

1 × 1,0 g i. v.

5–7 Tage

Mit oder ohne Makrolid3

5–7 Tage

Therapieempfehlung für die kalkulierte Initialtherapie bei hospitalisierten Patienten mit schwerer ambulant erworbener Pneumonie (sCAP) ohne Indikation für eine gegen P. aeruginosa wirksame empirische Therapie (Empfehlungsgrad B):

Mittel der Wahl4

4 Bei vorausgegangener Antibiotikatherapie innerhalb der letzten 3 Monate wird ein Wechsel der zuletzt verwendeten Substanzgruppe empfohlen

6 Patienten mit Risikofaktoren für eine Infektion mit Enterobacteriaceae inklusive ESBL-Bildnern (außer P. aeruginosa) sowie Patienten, die kürzlich eine Therapie mit Penicillinen oder Cephalosporinen erhalten haben.

7 Die initiale parenterale Verabreichung wird bevorzugt (B) (Dosierung s. 3).

8 Bei Patienten mit septischem Schock und/oder invasiver Beatmung ist initial eine Kombinationstherapie mit einem Beta-Lactam indiziert.

Beta-Lactam

– Piperacillin/Tazobactam

Tazobac®

3 × 4,5 g i. v.

8–10 Tage

– Ceftriaxon

z. B. Rocephin®

1 × 2,0 g i. v.

8–10 Tage

– Cefotaxim

z. B. Claforan®

3 × 2,0 g i. v.

8–10 Tage

– Ertapenem6

Invanz®

1 × 1,0 g i. v.

8–10 Tage

plus Makrolid7

8–10 Tage

Alternative4

Fluorchinolon8

– Levofloxacin

z. B. Tavanic®

2 × 500 mg i. v.

8–10 Tage

– Moxifloxacin

z. B. Avalox®

1 × 400 mg i.v.

8–10 Tage

Therapieempfehlung für die kalkulierte Initialtherapie bei hospitalisierten Patienten mit schwerer ambulant erworbener Pneumonie (sCAP) mit Indikation für eine gegen P. aeruginosa wirksame empirische Therapie (Empfehlungsgrad B):

Pseudomonasaktives Beta-Lactam

* Bei klinischem Ansprechen ist eine Deeskalation auf eine Therapie mit Beta-Lactam/Makrolid oder ein Fluorchinolon, wenn möglich unter Berücksichtigung der Antibiotika-Empfindlichkeitsprüfung, indiziert. Aminoglykoside sollten wegen erhöhter Toxizität im Regelfall nicht länger als 3 Tage verabreicht werden.

9 Bei vorausgegangener Antibiotikatherapie innerhalb der letzten 3 Monate wird ein Wechsel der zuletzt verwendeten Substanzgruppe empfohlen, dies gilt insbesondere für eine vorausgegangene Fluorchinolon-Therapie

10 Dosierung oral s. o.; i. v. siehe 3

11 Weitere Dosierung nach Spiegelbestimmung

– Piperacillin/Tazobactam

Tazobac®

3 × 4,5 g i. v.

8–15 Tage

– Cefepim

Maxipime®

3 × 2,0 g i. v.

8–15 Tage

– Imipenem

Zienam®

3 × 1,0 g i. v.

8–15 Tage

– Meropenem

Meronem®

3 × 1,0 g i. v.

8–15 Tage

Plus Fluorchinolon

– Levofloxacin

z. B. Tavanic®

2 × 500 mg i. v.

*

– Ciprofloxacin

z. B. Ciprobay®

3 × 400 mg i. v.

*

Oder9 plus Aminoglykosid und Makrolid10

Amikacin

Amikacin Fresenius

15 mg/kg KG i. v.

3 Tage*

Gentamicin

z. B. Refobacin®

5–7 mg/kg KG i. v.11

3 Tage*

Tobramycin

Gernebcin®

5–7 mg/kg KG i. v.11

3 Tage*

1In der Leitlinie werden keine Handelsnamen genannt.

Bei hospitalisierten Patienten sollte so früh wie möglich nach der stationären Aufnahme mit einer antimikrobiellen Therapie begonnen werden. Der Therapiebeginn sollte nicht durch dignostische Maßnahmen verzögert werden, da eine Verzögerung um mehr als 8 Stunden mit einer erhöhten Letalität einhergeht (Empfehlungsgrad B). Außerdem sollten die Antibiotika in den ersten Tagen parenteral verabreicht werden (Empfehlungsgrad B). Ausnahmen bilden die Fluorchinolone, die in Abhängigkeit vom klinischen Bild aufgrund ihrer hohen oralen Bioverfügbarkeit auch oral appliziert werden können, und Makrolide, wenn sie in Kombination mit parenteral verabreichten Beta-Lactamen gegeben werden. Nach parenteraler Initialtherapie sollte – auch bei schwer erkrankten Patienten – möglichst früh (z. B. nach 2–3 Tagen) auf eine orale Sequenztherapie umgestellt werden, sofern der Patient die nachfolgenden Kriterien der klinischen Stabilität erfüllt (Empfehlungsgrad A):

  • Herzfrequenz ≤100/min
  • Atemfrequenz ≤24/min
  • Systolischer Blutdruck ≥90 mmHg
  • Körpertemperatur ≤37,8°C
  • Orale Nahrungsaufnahme möglich
  • Bewusstseinszustand normal
  • PO2 ≥60 mmHg bzw. SaO2 ≥90%

und die orale Medikamenteneinnahme gesichert ist.

Therapieversagen

Einteilung

Unter prognostischen und therapeutischen Gesichtspunkten ist die Unterteilung des primären Therapieversagens in die progrediente Pneumonie und die klinisch verzögert ansprechende Pneumonie sinnvoll. Von einer progredienten Pneumonie spricht man bei einer Zustandsverschlechterung mit Entwicklung einer respiratorischen Insuffizienz und/oder einer schweren Sepsis oder eines septischen Schocks trotz empirischer antimikrobieller Therapie. Etwa 5 bis 10% der hospitalisierten Patienten mit CAP entwickeln eine progrediente Pneumonie. Der Progress tritt meist in den ersten 72 Stunden nach Therapiebeginn ein und geht mit einer hohen Letalität einher. Eine verzögert ansprechende Pneumonie liegt vor, wenn nach 72 Stunden antimikrobieller Therapie noch keine klinische Stabilität erreicht wurde.

Ein Therapieversagen kann infektiöse und nichtinfektiöse Ursachen haben; in etwa zwei Dritteln der Fälle liegt eine Infektion vor. Kommt es erst nach mehr als 72 Stunden nach Therapiebeginn zu einem Progress, liegt häufig eine nosokomiale Superinfektion oder eine nichtinfektiöse Ursache vor.

Diagnostisches Vorgehen bei Therapieversagen

Das empfohlene (B) diagnostische Vorgehen umfasst eine gründliche Anamnese und klinische Untersuchung, die Beachtung epidemiologischer Daten, den Ausschluss einer Infektion außerhalb des Respirationstrakts sowie die Überprüfung der bisherigen Therapie. Weiterhin können im Einzelfall folgende Untersuchungen indiziert sein:

  • Mikrobiologische Sputumdiagnostik (Gramfärbung, Bakterienkultur mit Resistenztestung, in Abhängigkeit von der Vorgeschichte spezielle Färbungen und Kulturen)
  • Entnahme von zwei Blutkulturen
  • Bronchoskopie mit BAL (→ Gramfärbung und quantitative Bakterienkultur mit Resistenztestung, in Abhängigkeit von der Vorgeschichte spezielle Färbungen und Kulturen)
  • L.-pneumophila-Antigentest (Serogruppe 1) aus dem Urin
  • Antikörpernachweis gegen M. pneumoniae
  • Diagnostische Pleurapunktion bei Vorliegen eines Ergusses >5 cm in der lateralen Röntgenthoraxaufnahme (→ Gramfärbung, Bakterienkultur mit Resistenztestung, in Abhängigkeit von der Vorgeschichte spezielle Färbungen und Kulturen, pH-Wert, Gesamteiweiß)
  • CT der Lunge/transthorakale Echokardiographie
  • Transbronchiale bzw. -thorakale Lungenbiopsie/Video-assistierte Thorakoskopie
  • Ausschluss einer Immunsuppression (z. B. HIV)
  • Procalcitonin-Bestimmung im Serum

Therapie bei Therapieversagen

Therapeutische Möglichkeiten bei Therapieversagen sind:

  • Bei nicht leitliniengerechter Initialtherapie sofortige Umstellung auf eine Therapie, die den Empfehlungen der Leitlinie entspricht (Tab. 3)
  • Wechsel der Substanzklasse bei Verdacht auf Vorliegen einer Resistenz
  • Überprüfung der bisherigen Therapie auf eventuelle Lücken im antimikrobiellen Spektrum
  • Wechsel auf parenterale Applikation
  • Kombination mehrerer Antibiotika

Eine Wirksamkeit gegen S. pneumoniae sollte weiterhin gewährleistet sein und es sollten Kombinationstherapien mit einem breiten Spektrum gewählt werden, das auch P. aeruginosa, S. aureus (MRSA), Legionella spp. und Anaerobier einschließt. Potenzielle Kombinationspartner sind in Tabelle 4 angegeben.

Tab. 4. Potenzielle Kombinationspartner für die Therapie bei Therapie-versagen

Substanzklasse

Substanz

Ausreichend pseudomonas-
wirksame Beta-Lactame:

Piperacillin, Imipenem, Meropenem, Cefepim, Ceftazidim (cave: keine ausreichende Wirksamkeit gegen S. pneumoniae und S. aureus)

Ausreichend pseudomonas-
wirksame Fluorchinolone:

Ciprofloxacin, Levofloxacin

Ausreichend pneumokokken-
wirksame Fluorchinolone:

Moxifloxacin, Levofloxacin

Parenterale Makrolide

Aminoglykoside

Besondere Verlaufsformen der CAP

Pleuraerguss

Therapieziele bei parapneumonischem Pleuraerguss sind Kontrolle der Infektion, Drainage des Ergusses, (Re-)Expansion der Lunge und Vermeidung der Pleuraschwartenbildung. Zur antimikrobiellen Therapie gibt es keine kontrollierten Studien – die kalkulierte Antibiotikatherapie sollte gegen grampositive Kokken, gramnegative Errreger (ggf. auch P. aeruginosa) und Anaerobier wirksam sein und initial parenteral verabreicht werden. Die Therapie sollte mindestens bis zur kompletten Drainage des infizierten Ergusses fortgeführt werden, oftmals sind mehrwöchige Therapiedauern erforderlich. Möglichkeiten zur Drainage des Ergusses sind je nach Ausprägung des Befunds Entlastungspunktion, Anlage einer Thoraxsaugdrainage mit/ohne lokale Fibrinolyse, Video-assistierte Thorakoskopie mit anschließender Thoraxsaugdrainage oder chirurgische Exploration.

Aspirationspneumonie

Eine Aspiration ist ein Risikofaktor für eine Infektion mit Enterobacteriaceae. Eine kalkulierte Antibiotikatherapie sollte diese Erreger daher berücksichtigen. Darüber hinaus spielen möglicherweise auch Anaerobier eine Rolle, weshalb eine Kombinationstherapie aus einem Beta-Lactam-Antibiotikum und einem Beta-Lactamase-Inhibitor empfohlen wird (Empfehlungsgrad D). Alternativen sind ein Carbapenem (Ertapenem), das Fluorchinolon Moxifloxacin oder die Kombination Cephalosporin (Cefotaxim, Ceftriaxon) plus Clindamycin.

Lungenabszess

Lungenabszesse sind fast ausschließlich infektiös bedingt, wobei Bakterien die größte Rolle spielen. Es handelt sich überwiegend um bakterielle Mischinfektionen, in 20 bis 90% der Fälle werden Anaerobier nachgewiesen. Zur Behandlung werden folgende Kombinationstherapien empfohlen (Empfehlungsgrad B):

  • Aminopenicillin plus Beta-Lactamase-Hemmer oder
  • Clindamycin (3 bis 4 × 600 mg/d) plus Cephalosporin (Cefuroxim, Ceftriaxon, Cefotaxim)

Die Therapiedauer muss individuell festgelegt werden, die Behandlung sollte aber bis zur vollständigen Rückbildung der Abszesshöhle und der begleitenden Infiltrate fortgeführt werden. In der Regel bedeutet das eine Therapiedauer von 4 bis 8 Wochen. Bei Ansprechen (klinisch und röntgenologisch) kann nach initialer parenteraler Applikation auf eine orale Therapie umgestellt werden.

Sonstiges

Weitere Aspekte, mit denen sich die Leitlinie befasst, sind:

  • Besonderheiten der Therapie der CAP bei bekanntem Erreger (Legionellen, Chlamydien und Mykoplasmen, ambulant erworbener Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus, Pseudomonas aeruginosa und Coxiella burnetii)
  • Prävention der CAP
  • Pharmakoökonomie
  • CAP als terminales Ereignis bei hohem Lebensalter und/oder schwerer fortgeschrittener Komorbidität

Quellen

1. Höffken G, Lorenz J, Kern W, Welte T, et al. Epidemiologie, Diagnostik, antimikrobielle Therapie und Management von erwachsenen Patienten mit ambulant erworbenen unteren Atemwegsinfektionen (akute Bronchitis, akute Exazerbation einer chronischen Bronchitis, Influenza und andere respiratorische Virusinfektionen) sowie ambulant erworbener Pneumonie. Chemother J 2009;18:189–251.

2. Leitlinie der Paul-Ehrlich-Gesellschaft für Chemotherapie, der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin, der Deutschen Gesellschaft für Infektiologie und des Kompetenznetzwerks CAPNETZ. Epidemiologie, Diagnostik, antimikrobielle Therapie und Management von erwachsenen Patienten mit ambulant erworbenen unteren Atem- wegsinfektionen (akute Bronchitis, akute Exazerbation einer chronischen Bronchitis, Influenza und andere respiratorische Virusinfektionen) sowie ambulant erworbener Pneumonie. AWMF online; AWMF-Leitlinien-Register Nr. 082/001.

Dr. med. Mirjam Tessmer, Redaktion Arzneimitteltherapie, Birkenwaldstr. 44, 70191 Stuttgart, E-Mail: mtessmer@wissenschaftliche-verlagsgesellschaft.de

Arzneimitteltherapie 2010; 28(02)