Pharmakovigilanz

Arzneimittelinteraktionen aktuell


Prof. Dr. Wolfgang Kämmerer, Wiesbaden

An dieser Stelle informieren wir Sie kurz über aktuelle Veröffentlichungen zu therapierelevanten Arzneimittelwechselwirkungen

Einfluss von Clarithromycin auf die Pharmakokinetik von oral appliziertem S-Ketamin

Orales S-Ketamin (Rezepturarzneimittel) wird als ein Adjuvans in der Behandlung von ansonsten therapieresistenten neuropathischen und Karzinomschmerzen eingesetzt. Es wird hauptsächlich über das Cytochrom-P450-(CYP-)Isoenzym 3A4 zu seinem Metaboliten Norketamin demethyliert. Norketamin selbst besitzt eine geringere Wirkung als die Muttersubstanz. Möglicherweise können durch Arzneimittelinteraktionen die schmerzstillenden und anderen Wirkungen von S-Ketamin verändert werden. Das Ziel der vorliegenden Studie war es, die Wirkung einer CYP3A-Enzymhemmung durch Clarithromycin auf die Pharmakokinetik und Pharmakodynamik von oral appliziertem S-Ketamin zu untersuchen.

Studiendesign

Zehn gesunde Probanden wurden in einer randomisierten, kontrollierten Cross-over-Studie für vier Tage mit oralem Clarithromycin oder Plazebo vorbehandelt. An Tag 4 nahmen sie zusätzlich eine orale Dosis von 0,2 mg/kg Körpergewicht S-Ketamin in Form eines Sirups ein. Die Plasmakonzentrationen von Ketamin und Norketamin wurden über einen Zeitraum von 24 Stunden gemessen. Die schmerzstillenden Wirkungen wurden in einem Cold-Pressor-Test ausgewertet, die psychomotorischen Wirkungen wurden über 12 Stunden verfolgt.

Ergebnisse

Verglichen mit Plazebo war unter Clarithromycin die mittlere maximale Plasmakonzentration (Cmax) von Ketamin um das 3,6-Fache erhöht (p<0,001), die mittlere AUC (area under the curve, Fläche unter der Konzentrations-Zeit-Kurve) von Ketamin um das 2,6-Fache (p=0,001). Die mittlere AUC des CYP3A-Metaboliten Norketamin war bei Einnahme von Clarithromycin um 54% geringer als unter Plazebo (p=0,004).

Von den Probanden wurden die Effekte von S-Ketamin in einer Selbsteinschätzung als stärker empfunden (p<0,05), was sich jedoch in den Tests auf An- algesie und Verhaltensänderungen nicht nachweisen ließ.

Fazit

Bei der gleichzeitigen Gabe von oralem Clarithromycin und oralem S-Ketamin kommt es zu einer starken Erhöhung der Plasmakonzentration von S-Ketamin. Dies ist Folge der Hemmung der CYP3A-vermittelten N-Demethylierung von Ketamin. Die klinische Bedeutung dieses Befunds ist unklar und bedarf weiterer Untersuchungen.

Quelle

Hagelberg NM, et al. Clarithromycin, a potent inhibitor of CYP3A, greatly increases exposure to oral S-ketamine. Eur J Pain 2009: [Epub ahead of print].

Itraconazol-induzierte Torsade-de-pointes-Tachykardie bei gleichzeitiger Gabe mit Methadon

Methadon wird zur Substitutionsbehandlung bei Heroinabhängigkeit oft in hohen Dosen eingesetzt. Der Wirkstoff wird in der Leber metabolisiert (hauptsächlich durch CYP3A4) und zum größten Teil in Form von Metaboliten über Galle und Harn ausgeschieden. Die Pharmakokinetik von Methadon ist individuell unterschiedlich. Die Substanz weist eine lange Halbwertszeit auf; bei längerfristiger Verabreichung kann diese zwischen 13 und 47 Stunden liegen. Methadon gilt als relativ gut verträglich. Es vermag jedoch bei Vorliegen von anderen Risikofaktoren Kammertachykardien auszulösen.

In einem Fallreport wurde das Auftreten von Torsade de pointes, einer lebensbedrohlichen Arrhythmie, beschrieben. Eine heroinabhängige Patientin, die mit Methadon substituiert wurde, erhielt zur Behandlung einer Vaginalcandidose Itraconazol. Nach der Einnahme von zwei Dosen à 200 mg Itraconazol traten Brustschmerzen und eine Synkope auf, woraufhin die Patientin notfallmäßig stationär aufgenommen werden musste. Das EKG ergab verlängerte frequenzkorrigierte QT-Intervalle, die in Torsaden übergingen. Die Patientin wurde kardial überwacht und nach dem Absetzen von Itraconazol normalisierte sich das EKG.

Die schwere Arrhythmie ist mit hoher Wahrscheinlichkeit die Folge einer Arzneimittelinteraktion, da die Patientin ansonsten keine Risikofaktoren aufwies. Da sowohl Methadon als auch Itraconazol QT-Verlängerungen hervorrufen kann, könnte es sich hier um eine pharmakodynamische Interaktion handeln. Da Itraconazol auch ein starker Hemmstoff von CYP3A4 ist, ist auch eine pharmakokinetische Interaktion sehr wahrscheinlich.

Fazit

Bei Patienten unter Methadon-Substitutionstherapie sollte bei der Verordnung anderer Arzneistoffe auf mögliche pharmakokinetische und pharmakodynamische Interaktionen geachtet werden, um mögliche fatale kardiale Arrhythmien zu vermeiden.

Quelle

NoorZurani MH, et al. Itraconazole-induced Torsade de Pointes in a patient receiving methadone substitution therapy. Drug Alcohol Rev 2009;28:688–90.

Arzneimitteltherapie 2010; 28(02)