Dr. med. Peter Stiefelhagen, Hachenburg
Neue Therapieoptionen bei der chronischen Hepatitis C
Während bei der Therapie der chronischen Hepatitis B in den letzten Jahren durch die Einführung der Nukleos(t)id-Analoga wesentliche Fortschritte erreicht werden konnten, hat sich bei der Therapie der chronischen Hepatitis C wenig getan. Weiterhin gilt die Kombination eines pegylierten Interferons mit Ribavirin über 48 Wochen als Standard. Lediglich bei der Therapiedauer gab es einige Änderungen im Sinne einer individuellen Therapiegestaltung. So sollte die Therapie bei Patienten mit niedriger Ausgangsviruslast (<600000 I.U./ml) auf 24 Wochen verkürzt werden, wenn unter der Kombinationstherapie bereits nach 4 Wochen keine HCV-RNS mehr nachweisbar ist. Umgekehrt profitieren Patienten mit einem langsamen Abfall der Viruslast (Abfall um mindestens 2 log-Stufen nach 12 Wochen bei weiterhin positivem HCV-RNS-Nachweis; nach 24 Wochen dann HCV-RNS-Nachweis negativ) von einer Verlängerung der Behandlung von 48 auf 72 Wochen.
Probleme bei der Standardtherapie
Die Standardtherapie ist mit einer Reihe von Problemen assoziiert. Dazu gehören insbesondere die unerwünschten Nebenwirkungen der eingesetzten Substanzen. Bei Interferon stehen Grippe-ähnliche Symptome im Vordergrund, bei Ribavirin die Anämie. Aber auch die Tatsache, dass Interferon injiziert werden muss, empfinden viele Patienten als Nachteil. Dazu kommt, dass beim Genotyp 1 nur bei 40 bis 50% der behandelten Patienten mit einem dauerhaften virologischen Ansprechen gerechnet werden kann, bei den Genotypen 2 und 3 steigt die dauerhafte virologische Ansprechrate auf 70 bis 80%. Kurzum, die Therapie der chronischen Hepatitis C ist wenig zufriedenstellend und es besteht durchaus Bedarf an neuen antiviralen Therapiestrategien.
Erste positive Ergebnisse für Proteaseinhibitoren
Neue vielversprechende Substanzgruppen für die Behandlung der chronischen Hepatitis C sind die Protease- und die Polymeraseinhibitoren – Medikamente, die aus der HIV-Therapie bestens bekannt sind. Eingang in klinische Studien haben bisher zwei Proteaseinhibitoren gefunden, nämlich Telaprevir und Boceprevir. Erste klinische Daten wurden im Rahmen des 60th Annual Meeting of the American Association for the Study of Liver Disease, das vom 30. Oktober bis 3. November 2009 in Boston stattfand, vorgestellt:
Im Rahmen der PROVE-3-Studie – einer Phase-III-Studie – wurde Telaprevir bei 453 Patienten mit chronischer Hepatitis C Genotyp 1 eingesetzt, die auf die bisherige Standardtherapie nicht angesprochen hatten oder unter der Therapie einen erneuten Anstieg der Viruslast oder nach Beendigung der Therapie einen Relaps entwickelten. Bei jedem zweiten mit Telaprevir behandelten Patienten konnte auch ein Jahr nach Beendigung der Therapie keine HCV-RNS mehr nachgewiesen werden.
Ähnliche Ergebnisse erbrachte eine Phase-II-Studie mit dem Proteaseinhibitor Boceprevir (SPRINT-1-Studie). Die Patienten erhielten zunächst die kombinierte Standardtherapie mit pegyliertem Interferon und Ribavirin. Bei fehlendem Ansprechen wurde der Proteaseinhibitor zusätzlich über 24 bzw. 44 Wochen gegeben. Dadurch konnte nach 28 Wochen bei 25%, nach einer 48-wöchigen Therapie sogar bei 55% der Patienten die Viruslast unter die Nachweisgrenze gesenkt werden. Die häufigste relevante Nebenwirkung, die bei jedem zweiten mit dieser Substanz behandelten Patienten auftrat, war die Anämie. In der Standardtherapie-Gruppe war nur jeder Dritte betroffen.
Kombination ohne Interferon
In der INFORM-1-Studie wurden zwei unterschiedliche Therapieregime miteinander verglichen, nämlich die kombinierte Standardtherapie (pegyliertes Interferon plus Ribavirin) mit der Interferon-freien Kombination eines Polymeraseinhibitors (R 7128) mit einem Proteaseinhibitor (R 7227). Auch in diese randomisierte Studie wurden nur Patienten mit Genotyp 1 aufgenommen. Die Kombination wurde gut vertragen, schwere Nebenwirkungen oder Therapieabbrüche wurden nicht beobachtet. Nach der insgesamt 2-wöchigen kombinierten oralen Therapie fand sich eine vergleichbare Abnahme der Viruslast wie unter der Standardtherapie. Die Wirksamkeit dieses Therapieprinzips war bei therapienaiven und vorbehandelten Patienten gleich stark ausgeprägt.
Trotz dieser ersten vielversprechenden Daten, die eine Steigerung der Heilungsrate bei verkürzter Therapiedauer möglich erscheinen lassen, wird es wohl noch einige Zeit dauern, bis die Vision einer injektionsfreien Therapie der chronischen Hepatitis C ohne Interferon Wirklichkeit geworden ist. Doch die Träume von heute sind die Realitäten von morgen!
Quellen
McHutchison JG, et al. PROVE3 final results and 1-year durability of SVR with telaprevir-based regimen in hepatitis C genotype 1-infected patients with prior non-response, viral breakthrough or relapse to peginterferon-alfa-2a/b and ribavirin therapy. Poster presentation at the American Association for the Study of Liver Disease (AASLD) Annual Meeting, Boston, MA, USA, Oct. 30 – Nov. 3, 2009: Abstract No. 66.
Kwo P, et al. High sustained virologic response in genotype 1 null responders to peginterferon alfa-2b plus ribavirin when treated with boceprevir combination therapy. Oral presentation at the American Association for the Study of Liver Disease (AASLD) Annual Meeting, Boston, MA, USA, Oct. 30 – Nov. 3, 2009: Abstract No. 62.
Kwo P, et al. Response guided therapy for boceprevir combination treatment? – Results from HCV SPRINT-1. Poster presentation at the American Association for the Study of Liver Disease (AASLD) Annual Meeting, Boston, MA, USA, Oct. 30 – Nov. 3, 2009: Abstract No. 1582.
Gane J, et al. Combination therapie with a nucleoside polymerase (R7128) and protease (R7227/ITMN-191) inhibitor in HCV; safety, pharmacokinetics, and virologic results from INFORM-1. Poster presented at the American Association for the Study of Liver Disease (AASLD) Annual Meeting, Boston, MA, USA, Oct. 30 – Nov. 3, 2009: Abstract No. 193.
Arzneimitteltherapie 2010; 28(02)