Prof. Dr. Wolfgang Kämmerer, Wiesbaden
Wirkungsverlust von Clopidogrel durch Amlodipin?
Clopidogrel ist ein Prodrug, das durch Cytochrom-P450-(CYP-)Isoenzyme, insbesondere über CYP2C19, in seine aktive Form überführt wird. Außerdem ist es ein Substrat von P-Glyko- protein (Pgp), so dass die intestinale Absorption von Clopidogrel theoretisch durch Arzneistoffe verändert werden kann, die P-Glykoprotein hemmen. In der vorliegenden Studie wurde untersucht, inwieweit die Wirkung von Clopidogrel auf die Thrombozytenreaktivität durch gleichzeitige Gabe von Calciumantagonisten verändert werden kann.
Studiendesign
Es wurden die Daten von insgesamt 623 Patienten ausgewertet, die nach einer elektiven perkutanen Koronarintervention (PCI) eine duale Thrombozytenaggregationshemmung mit Clopidogrel und Acetylsalicylsäure (ASS) erhielten.
Die Thrombozytenaggregation wurde mittels Licht-Transmissions-Aggregometrie unter Zugabe von 5 und 20 mM Adenosindiphosphat (ADP) bestimmt. Ein schlechtes Ansprechen auf Clopidogrel wurde als über 70%ige Thrombozytenaggregation nach Gabe von 20 mM ADP definiert.
Insgesamt 222 Patienten (35,6%) wurde gleichzeitig zur dualen Thrombozytenaggregationshemmung ein Calciumantagonist verordnet. Darunter waren 98 Patienten, die einen Calciumantagonisten mit P-Glykoprotein-inhibierenden Eigenschaften (Verapamil, Nifedipin, Diltiazem, Barnidipin) erhielten; 124 Patienten nahmen Amlodipin ein, das P-Glykoprotein nicht hemmt.
Ergebnisse
Die adjustierte mittlere ADP-induzierte Thrombozytenaggregation lag bei den Patienten, die einen Calciumantagonisten erhielten, höher als bei den Patienten, die keinen Calciumantagonisten einnahmen (p<0,05). Allerdings ging lediglich die gleichzeitige Gabe von Amlodipin mit einem signifikant um das 2,3-Fache erhöhten Risiko für ein schlechtes Ansprechen auf Clopidogrel einher.
Fazit
Die gleichzeitige Anwendung von P-Glykoprotein hemmenden Calciumantagonisten schwächte die thrombozytenaggregationshemmende Wirkung ab. Dass ein signifikant verschlechtertes Ansprechen auf Clopidogrel jedoch nur unter Amlodipin festgestellt wurde, könnte nach Meinung der Autoren darauf schließen lassen, dass die Interaktionen zwischen Clopidogrel und Amlodipin von größerer klinischer Relevanz sind als die zwischen Clopidogrel und den anderen getesteten Calciumantagonisten. Da Amlodipin kein CYP-Hemmstoff ist, kann die Interaktion auch nicht über diesen Mechanismus erklärt werden.
Quelle
Harmsze AM, et al. The use of amlodipine, but not of P-glycoprotein inhibiting calcium channel blockers is associated with clopidogrel poor-response. Thromb Haemost 2010;103:920–5.
Klinisch relevante Interaktion zwischen Voriconazol und Glimepirid
Voriconazol, ein Triazol-Antimykotikum, wird vor allem bei immungeschwächten Patienten häufig zur Therapie von invasiven Pilzinfektionen eingesetzt. Voriconazol kann als Inhibitor von CYP2C9, CYP2C19 und CYP3A4, ähnlich wie andere Azol-Antimykotika, zu zahlreichen Interaktionen mit weiteren Arzneistoffen führen. In einem Fallbericht wurde eine solche Arzneimittelinteraktion zwischen Voriconazol und dem Sulfonylharnstoff Glimepirid beschrieben, der in der Leber vor allem durch das Enzym CYP2C9 metabolisiert wird:
Bei einem 69-jährigen Diabetiker mit myelodysplastischem Syndrom mit Progress in eine akute myeloische Leuk- ämie, der seit 7 Monaten Glimepirid einnahm und damit eine gute Blutzuckerkontrolle erreichte, entwickelte sich eine febrile Neutropenie. Daraufhin wurde eine Therapie mit 2×400 mg Voriconazol an Tag 1 und nachfolgend 2×200 mg pro Tag begonnen. Kurz nach Einnahme der ersten 200 mg-Dosis an Tag 2 der Behandlung entwickelte der Patient eine letztlich über 48 Stunden anhaltende prolongierte Hypoglykämie.
Fazit
Aufgrund des zeitlichen Zusammenhangs zwischen dem Auftreten der Symptome und der Einnahme von Voriconazol ist eine Arzneimittelinteraktion sehr wahrscheinlich, zudem verschwand die Hypoglykämie nach Absetzen von Voriconazol.
Aufgrund des hohen Interaktionspotenzials der Azol-Antimykotika ist bei jeder neuen Verschreibung eine Prüfung auf mögliche Interaktionen vorzunehmen und auf unerwünschte Wirkungen zu achten.
Quelle
Shobha JC, et al. Interaction between voriconazole and glimepiride. J Postgrad Med 2010;56:44–5.
Mögliche schwere Toxizitätssteigerung von Methotrexat bei gleichzeitiger Gabe von PPI
Eine verzögerte Ausscheidung von Methotrexat (MTX), die mit schweren Nebenwirkungen verbunden sein kann, wird unter anderem mit der gleichzeitigen Gabe von Protonenpumpenhemmern (PPI) in Verbindung gebracht. Als Ursache wird eine Hemmung der renalen Kalium-Protonen-ATPase durch die PPI angenommen. Dieses Enzym soll mit der H+/K+-ATPase des Magens strukturverwandt sein. Da ein protonenabhängiger Mechanismus in die renale Elimination von Methotrexat involviert zu sein scheint, könnte eine Hemmung der H+/K+-ATPase zu einer verzögerten Elimination führen. Ein weiterer diskutierter Mechanismus ist eine Hemmung von BRCP, eines Transportproteins, das an der Ausscheidung von MTX mitbeteiligt ist. In beiden Fällen lässt sich ein möglicher Klasseneffekt für das renale Interaktionspotenzial der PPI ableiten.
In der vorliegenden Studie wurden retrospektiv die Ursachen einer verzögerten Elimination von Methotrexat bei 6 Patienten (mittleres Alter: 30 Jahre) untersucht, die beim Auftreten einer Methotrexat-Toxizität eine „Rescue-Therapie“ mit Glucarpidase erhalten hatten. (Glucarpidase [rekombinante Carboxypeptidase G2] zersetzt Methotrexat zu inaktiven Metaboliten. Die Substanz ist noch in der klinischen Entwicklung, kann aber als „Rescue-Therapie“ für einzelne Patienten abgegeben werden.)
Die verzögerte Elimination von Methotrexat ging mit einer Verschlechterung der Nierenfunktion einher und trat bei vier der Patienten nach dem ersten Zyklus, bei den anderen beiden Patienten nach der 2. bzw. 8. Gabe von Methotrexat auf. Als mögliche Ursachen der verzögerten Ausscheidung wurden unzureichende Flüssigkeitszufuhr (n=1) und Arzneimittelinteraktionen (n=5) vermutet. Bei den potenziellen Arzneimittelinteraktionen konnte die gleichzeitige Gabe von Piperacillin/Tazobactam (n=1) und Protonenpumpenhemmern (Omeprazol, n=3; Esomeprazol, n=2) ermittelt werden. Ohne gleichzeitige Gabe von PPI wurde diese Toxizität weder in vorangegangenen noch in nachfolgenden Zyklen beobachtet.
Fazit
Die Autoren raten aufgrund ihrer Daten und zahlreicher anderer Fallberichte aus Gründen der Arzneimitteltherapiesicherheit zum Verzicht auf die Gabe von PPI bei einer Methotrexat-Therapie. Hierdurch lässt sich unter Umständen auch der Einsatz der hochpreisigen Glucarpidase einschränken. Die Autoren haben diese Einschränkung in ihrer Klinik in Straßburg umgesetzt.
Quelle
Santucci R, et al. Severe intoxication with methotrexate possibly associated with concomitant use of proton pump inhibitors. Anticancer Res 2010;30:963–5.
Lebertoxizität bei gleichzeitiger Gabe von Imatinib und Ginseng
In einem Fallbericht wurde eine durch gleichzeitige Einnahme von Ginseng induzierte Hepatotoxizität von Imatinib bei einem Patienten mit chronischer myeloischer Leukämie (CML) beschrieben. Der 26-jähriger Mann, der 400 mg Imatinib täglich über sieben Jahre ohne Komplikationen eingenommen hatte, berichtete über Schmerzen im rechten Oberbauch. Im Labor zeigten sich stark erhöhte Leberwerte (ALT: 1069 U/l; AST: 481 U/l), die Leberbiopsie ergab eine akute lobuläre Hepatitis, die eine arzneimittelinduzierte Ätiologie nahelegte. Diagnostiziert wurde daher eine Imatinib-induzierte Hepatotoxizität. Nachforschungen ergaben, dass der Patient seine Gewohnheiten lediglich dahingehend geändert hatte, dass er drei Monate vor der Diagnose damit begonnen hatte, Energy-Drinks mit Panax ginseng einzunehmen. Imatinib und Ginseng wurden abgesetzt, und der Patient wurde für kurze Zeit mit Glucocorticoiden behandelt. Die Imatinib-Therapie wurde später in der ursprünglichen Dosierung wieder aufgenommen, ohne dass es zu einer erneuten Hepatotoxizität kam.
Kommentar
Hepatotoxische Nebenwirkungen unter Imatinib sind bekannt und stellen sich für gewöhnlich innerhalb von ein bis zwei Jahren nach Therapiebeginn, im Median nach 100 Tagen, ein. Vom Phytopharmakon Ginseng sind keine solchen Nebenwirkungen bekannt. Man weiß jedoch, dass Ginseng-Inhaltsstoffe in vivo CYP3A4 hemmen, das wichtigste Enzym in der Metabolisierung von Imatinib. Insofern ist eine Interaktion, die auf dieser Enzymhemmung beruht, wahrscheinlich.
Dieser Fallbericht zeigt nach An- sicht der Autoren deutlich, wie wichtig ein kontinuierliches Monitoring der Leberfunktion während einer Imatinib-Therapie ist. Außerdem sollten Patienten unbedingt darauf hingewiesen werden, Ginseng und andere pflanzliche OTC-Arzneimittel zu meiden, die mit Imatinib zu interagieren vermögen.
Quelle
Bilgi N, et al. Imatinib and Panax ginseng: a potential interaction resulting in liver toxicity. Ann Pharmacother 2010;44:926–8.
Arzneimitteltherapie 2010; 28(06)