Mukoviszidose

Aztreonam als neues inhalierbares Antibiotikum


Dr. med. Peter Stiefelhagen, Hachenburg

Bei Patienten mit Mukoviszidose besteht die Notwendigkeit für neue antibiotische Therapiestrategien gegen Pseudomonas aeruginosa. Mit dem inhalierbaren Aztreonam steht jetzt ein Antibiotikum zur Verfügung, welches im Rahmen klinischer Studien die Zeit bis zu einer erneut notwendigen antibiotischen Therapie verlängerte und respiratorische Symptome linderte. Auch die Pseudomonas-aeruginosa-Keimdichte im Sputum wurde reduziert. Die Studiendaten wurden auf einer Pressekonferenz der Firma Gilead Sciences im Rahmen des 51. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e. V. am 18. März in Hannover vorgestellt.

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Mukoviszidose, auch zystische Fibrose genannt, ist eine genetisch bedingte, chronische, lebensbedrohliche Erkrankung, die sowohl das respiratorische als auch das Verdauungsystem betrifft. In Deutschland sind etwa 8000 Patienten betroffen. Komplikationen dieser Erkrankung sind chronische Infektionen der Atemwege, die für die Lebensqualität und Lebenserwartung entscheidend sind. Hervorgerufen werden diese unter anderem durch Pseudomonas aeruginosa.

Cayston® (Wirkstoff: Aztreonam) wurde von der European Medicines Agency zur suppressiven Behandlung chronischer Lungeninfektionen durch Pseudomonas aeruginosa bei Patienten mit Mukoviszidose ab einem Alter von 18 Jahren zugelassen und ist in Deutschland seit dem 1. April 2010 auf dem Markt. Es wird dreimal täglich über einen Zeitraum von 28 Tagen im Wechsel mit 2-wöchigen Pausen angewandt. Die Substanz wird mithilfe eines speziellen Verneblersystems (Altera®-Vernebler) appliziert.

Aztreonam, das bereits Anfang der 80er-Jahre als parenteral applizierbares Antibiotikum eingeführt wurde, ist ein Monobactam aus der Reihe der Beta-Lactam-Antibiotika. Das antimikrobielle Wirkungsspektrum umfasst ausschließlich gramnegative Bakterien, so dass es bei schweren bakteriellen Infektionen unklarer Genese praktisch nur in Kombination mit anderen, hauptsächlich gegenüber grampositiven Bakterien wirksamen Antibiotika eingesetzt wird. Es handelt sich um ein echtes Reserveantibiotikum. Die Substanz ist gegenüber Beta-Lactamasen stabil und es treten keine Kreuzallergien zu Penicillinen, Cephalosporinen und Carbapenemen auf. Aztreonam ist nicht Magensäure-stabil und kann deshalb nur parenteral oder lokal verabreicht werden, wie in diesem Fall als Lysin-Salz zur Inhalation.

Zur inhalativen Therapie bronchopulmonaler Infektionen bei Patienten mit zystischer Fibrose ist es auch für die antibiotische Monotherapie geeignet, und zwar als Alternative zu den bei diesem Krankheitsbild häufig inhalativ eingesetzten Aminoglykosiden (z.B. Tobramycin), zumal sich bei dieser Antibiotika-Gruppe zunehmend Resistenzentwicklungen zeigen.

Studiendaten

Im Rahmen zweier klinischer Plazebo-kontrollierter Studien, an denen insgesamt 375 Patienten mit Mukoviszidose teilnahmen, wurde die Wirksamkeit von Aztreonam belegt.

In der AIR-CF2-Studie (CP-AI-005-Studie) wurde die zwei- oder dreimal tägliche Inhalation von 75 mg Aztreonam gegenüber Plazebo verglichen. Die Intention-to-treat-(ITT-)Population umfasste 211 Patienten mit einem Lebensalter von mindestens sechs Jahren und einem FEV1 (forciertes exspiratorisches Volumen in 1 Sekunde) zwischen 25% und 75% des Sollwerts. Darüber hinaus musste Pseudomonas aeruginosa im Sputum oder Rachenabstrich nachweisbar sein, und die Patienten hatten bereits drei Zyklen Tobramycin i.v. oder inhalativ innerhalb der letzten 12 Monate erhalten. Primärer Endpunkt der Studie war die Zeit bis zum erneut notwendigen Einsatz eines i.v. oder inhalativ zu verabreichenden Antibiotikums. Sekundäre Endpunkte waren unter anderem Veränderungen der Atemwegssymptomatik (gemessen als Wert des CFQ-R-Fragebogens [CFQ-R: Cystic Fibrosis Questionnaire-Revised; beinhaltet Fragen zu verschiedenen Gebieten, Ergebnisse werden für jedes Gebiet auf einer Skala von 0 bis 100 angegeben]), der Lungenfunktion (gemessen als FEV1) und der Pseudomonas-aeruginosa-Keimdichte im Sputum. Die Studiendauer betrug 84 Tage, die Nachbeobachtung der Patienten erfolgte jedoch bis zu 100 Tagen.

Durch Aztreonam konnte die Zeit bis zum erneuten Einsatz eines anderen Antibiotikums signifikant von im Median 71 Tagen auf 92 Tage verlängert werden (p=0,02), und auch in den sekundären Endpunkten war die Behandlung mit Aztreonam der Plazebo-Behandlung überlegen (Tab. 1).

Tab. 1. Sekundäre Endpunkte der AIR-CF2-Studie: Ergebnisse und Vergleich zwischen den gepoolten Behandlungen (je zwei- oder dreimal tägliche Inhalation von Plazebo bzw. 75 mg Aztreonam) [Quelle: EMA]

Sekundäre Endpunkte

(Veränderungen gegenüber Tag 0)

Plazebo-Inhalation gepoolt (n=76)

Aztreonam-Inhalation gepoolt (n=135)

Lungenfunktion

– Mittlere prozentuale Veränderung der FEV1 an Tag 28

– Mittlere prozentuale Veränderung der FEV1 an Tag 42

–2,4

–5,0

+3,9

+0,9

Klinische Symptome

– Mittlere Veränderung des lungenbezogenen CFQ-R-Werts an Tag 28

–0,66

+4,34

Keimdichte im Sputum

– Mittlere Veränderung der Pseudomonas-aeruginosa-Dichte an Tag 28 [log10 koloniebildende Einheiten]

+0,225

–0,434

In die AIR-CF1-Studie (CP-AI-007-Studie) wurden 164 Patienten mit einem Alter von mindestens sechs Jahren und einer FEV1 zwischen 25% und 75% des Sollwerts aufgenommen, und zwar dann, wenn aktuell eine Pseudomonas-aeruginosa-Infektion vorlag oder innerhalb der letzten zwei Jahre solche Infektionen aufgetreten waren. Die Substanz wurde dreimal täglich über 28 Tage inhaliert. Primärer Endpunkt war eine Veränderung der klinischen respiratorischen Symptome nach 28 Tagen, gemessen als lungenbezogener Wert des CFQ-R-Fragebogens. Sekundäre Endpunkte waren Veränderungen der Lungenfunktion (FEV1), der Pseudomonas- aeruginosa-Keimdichte im Sputum und Veränderungen in den nicht-lungenbezogenen Skalen des CFQ-R.

Nach dem 28-tägigen Therapieintervall fand sich eine signifikante Verbesserung bezüglich der respiratorischen Symptome (Tab. 2). In den nicht-lungenbezogenen Skalen des CFQ-R zeigte sich eine Verbesserung der Lebensqualität. Außer Husten mit Auswurf ergab sich bei den unerwünschten Ereignissen kein signifikanter Unterschied zwischen beiden Behandlungsgruppen.

Tab. 2. Endpunkte der AIR-CF1-Studie: Ergebnisse und Vergleich der verschiedenen Behandlungen [Quelle: EMA]

Endpunkte

(Veränderungen gegenüber Tag 0)

Plazebo-Inhalation
2× tägl. (n=84)

Aztreonam-Inhalation
2× tägl. 75 mg (n=80)

Klinische Symptome

– Mittlere Veränderung des lungenbezogenen CFQ-R-Werts an Tag 28*

–2,63

+7,08

Lungenfunktion

– Mittlere prozentuale Veränderung der FEV1 an Tag 28

–2,4

+7,9

Keimdichte im Sputum

– Mittlere Veränderung der Pseudomonas-aeruginosa-Dichte an Tag 28 [log10 koloniebildende Einheiten]

+0,069

–1,384

* Primärer Endpunkt (p=0,0005)

In der AIR-CF3-Studie (CP-AI-006-Studie), die eine offene Fortsetzungsstudie der beiden anderen Studien darstellt, wurden die Behandlungsergebnisse weiter verfolgt und nach 18 Monaten analysiert. Dabei zeigte sich eine signifikante Verbesserung sowohl des FEV1-Werts als auch des CFQ-R-Werts über die gesamte Beobachtungszeit. Dazu kam noch eine signifikante Gewichtszunahme bei den mit Aztreonam behandelten Patienten.

Die häufigsten Nebenwirkungen unter Aztreonam waren pfeifendes Atemgeräusch, Husten, pharyngo-laryngeale Schmerzen, Nasenschleimhautschwellung und Fieber. Insgesamt ergab sich jedoch kein signifikanter Unterschied zwischen beiden Behandlungsgruppen. Doch sollte das Medikament nicht bei Patienten angewendet werden, bei denen eine allergische Reaktion gegenüber Aztreonam vermutet wird.

Bislang wurde unter der Inhalations-Therapie mit Aztreonam kein klinisch bedeutsamer Anstieg resistenter Erreger beobachtet. Eine Resistenzentwicklung könnte aber die verfügbaren Therapiemöglichkeiten während akuter Exazerbationen einschränken. Bei Patienten, die mehrere Behandlungszyklen erhalten hatten, war eine erhöhte Prävalenz von Pilzinfektionen (Candida, Aspergillus) zu beobachten.

Fazit

Aztreonam ist eine neue inhalative antibiotische Therapiestrategie gegen Pseudomonas aeruginosa bei Mukoviszidose-Patienten. In klinischen Studien zeigten sich unter dieser Therapie eine Verbesserung der Lebensqualität und der Lungenfunktion und eine Zunahme der Zeitdauer bis zu einer erneut notwendigen antibiotischen Therapie.

Quellen

Prof. Dieter Adam, München, Dr. Manfred Keller, Starnberg, Dr. Florian Abel, München, Priv.-Doz. Rainald Fischer, München, Pressekonferenz „Cayston® für CF-Patienten – eine Therapielücke wird geschlossen“, veranstaltet von Gilead Sciences GmbH im Rahmen des 51. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Pneumonologie und Beatmungsmedizin e.V., Hannover, 18. März 2010.

Quittner AL, et al. Determination of the minimal clinically important difference scores for the cystic fibrosis questionnaire-revised respiratory symptom scale in two populations of patients with cystic fibrosis and chronic Pseudomonas aeruginosa airway infection. Chest 2009;135:1610–8.

Fachinformation Cayston® 75 mg Pulver und Lösungsmittel zur Herstellung einer Lösung für einen Vernebler, Stand 03/2010.

European Medicines Agency. Final assessment report for Cayston. Doc.Ref.: EMEA/461825/2009 (www.ema.europa.eu/humandocs/PDFs/EPAR/cayston/H-996-en6.pdf).

Mukoviszidose mit P.-A.-Infektion: Therapielücke geschlossen. Ärztezeitung 2010; 62 (6.4.)18.

Arzneimitteltherapie 2010; 28(06)