Prof. Dr. Hans Christoph Diener, Essen
Patienten mit Vorhofflimmern haben ein fünffach erhöhtes Schlaganfallrisiko im Vergleich zu Menschen mit Sinusrhythmus. Das Schlaganfallrisiko kann durch eine orale Antikoagulation um 70 bis 80% reduziert werden. Patienten mit Kontraindikationen gegen Antikoagulanzien werden mit Acetylsalicylsäure behandelt, was zu einer relativen Risikoreduktion um 20% führt. Eine weitere Option wäre eine medikamentöse Therapie, durch die ein Wiederauftreten von Vorhofflimmern verhindert werden könnte. Es gibt verschiedene Antiarrhythmika, die erneutes Vorhofflimmern verhindern oder zumindest das Wiederauftreten verzögern, allerdings wurde bisher noch für keines dieser Antiarrhythmika gezeigt, dass es in der Lage ist, bei Patienten mit Vorhofflimmern Schlaganfälle zu verhindern.
Das seit November 2009 in Europa zugelassene Dronedaron (Multaq®) ist wie Amiodaron ein Benzofuran-Derivat, es ist allerdings nicht jodiert, wodurch unerwünschte Arzneimittelwirkungen an der Schilddrüse vermieden werden sollen. Der Mehrkanalblocker (Natrium-, Kalium- und Calcium-Ionenkanäle) bewirkt unter anderem eine Verlängerung von Aktionspotenzial und Refraktärzeit. In zwei klinischen Phase-III-Studien mit 1237 Patienten mit Vorhofflimmern oder -flattern (EURIDIS und ADONIS) war Dronedaron im Vergleich zu Plazebo effektiver in der Aufrechterhaltung eines Sinusrhythmus und erzielte eine bessere Frequenzkontrolle bei erneutem Vorhofflimmern. In der ATHENA-Studie konnte unter Dronedaron bei Patienten mit Vorhofflimmern oder -flattern und mindestens einem kardiovaskulären Risikofaktor eine signifikante Senkung der Rate an kardiovaskulär bedingten Krankenhausaufenthalten und der kardiovaskulären Mortalität festgestellt werden [1].
Studiendesign
Die ATHENA-Studie war eine Plazebo-kontrollierte doppelblinde Parallelgruppenstudie, die insgesamt 4628 Patienten mit persistierendem oder paroxysmalem Vorhofflimmern oder Vorhofflattern einschloss [1]. Die Patienten erhielten entweder 2-mal 400 mg Dronedaron pro Tag (n=2301) oder Plazebo (n=2327). Neben dem Vorhofflimmern musste mindestens ein weiterer der folgenden Risikofaktoren bestehen: Alter ≥75 Jahre oder Alter ≥70 Jahre plus Hypertonie, Diabetes mellitus, vorangegangenes vaskuläres Ereignis (Schlaganfall, TIA, systemische Embolie), Größe des linken Vorhofs ≥50 mm oder linksventrikuläre Ejektionsfraktion ≤40%. Die Beobachtungsdauer betrug im Mittel 21±5 Monate.
Bei der vorliegenden Publikation handelt es sich um eine Post-hoc-Analyse der Patienten, die während des Studienzeitraums einen Schlaganfall erlitten [2]. Da in früheren Studien keines der Antiarrhythmika zu einer Reduktion der Schlaganfallrate geführt hatte, war dieser Endpunkt nicht prospektiv erfasst worden. Das mittlere Alter dieser Patienten betrug 72 Jahre, der CHADS2-Score (Tab. 1; [3]) betrug in beiden Gruppen im Mittel 2. Zum Zeitpunkt der Randomisierung erhielten 45% der Patienten, die in die Plazebo-Gruppe randomisiert wurden, und 46% der Patienten, die der Dronedaron-Gruppe zugeteilt wurden, orale Antikoagulanzien, 14% (Plazebo) bzw. 15% (Dronedaron) nahmen orale Antikoagulanzien in Kombination mit einem Thrombozytenfunktionshemmer und 33% (Plazebo) bzw. 31% (Dronedaron) nur Thrombozytenfunktionshemmer ein. Die restlichen Patienten (je 8%) erhielten keine antithrombotische Therapie.
Tab.1. CHADS2-Score
CHADS2-Risikofaktoren |
|
C |
Congestive heart failure (klinisch manifeste Herzinsuffizienz) |
H |
Hypertonie |
A |
Alter >75 Jahre |
D |
Diabetes mellitus (behandelt) |
S2 |
Schlaganfall oder transitorische ischämische Attacke (TIA) (2 Punkte!) |
Jeder der ersten 4 Faktoren wird mit 1 Punkt bewertet, ein Schlaganfall oder eine transitorische ischämischen Attacke in der Vorgeschichte mit 2 Punkten. Die Summe ergibt den CHADS2-Score.
Ergebnisse
In der Plazebo-Gruppe wurden insgesamt 70 Schlaganfälle, in der Dronedaron-Gruppe 46 Schlaganfälle beobachtet (Hazard-Ratio [HR] 0,66; 95%-Konfidenzintervall [KI] 0,46–0,96; p=0,027). Die Einnahme von Dronedaron ging somit mit einer relativen Risikoreduktion für einen Schlaganfall um 34% einher. Dieses Ergebnis war in erster Linie durch die Senkung der Inzidenz ischämischer Insulte bedingt (HR 0,68; 95%-KI 0,44–1,05; p=0,081). Für hämorrhagische Insulte ergab sich kein Unterschied. Für den kombinierten Endpunkt aus Schlaganfall, akutem Koronarsyndrom oder kardiovaskulär bedingtem Tod ergaben sich 216 Fälle unter Plazebo und 147 unter Dronedaron. Dieser relative Unterschied von 32% war ebenfalls statistisch signifikant (p<0,001). Die Wirksamkeit von Dronedaron war unabhängig davon, ob Patienten antikoaguliert wurden oder nicht. Außerdem war die Wirksamkeit von Dronedaron umso besser, je höher das Schlaganfallrisiko der Patienten gemessen anhand des CHADS2-Scores war [2].
Kommentar
Die ATHENA-Studie war eine der wichtigsten Studien zu Antiarrhythmika in den letzten Jahren. Sie zeigte, dass es mit Dronedaron möglich ist, Todesfälle und Krankenhausaufnahmen aufgrund kardiovaskulärer Erkrankungen signifikant zu reduzieren [1]. Ganz unerwartet war das Ergebnis, dass es unter Dronedaron auch zu einer signifikanten Reduktion von Schlaganfällen kam. Das Ergebnis wird dadurch plausibel, dass nur ischämische Insulte, nicht jedoch zerebrale Blutungen reduziert wurden. Interessant ist auch die Beobachtung, dass Dronedaron umso wirksamer war, je höher das Schlaganfallrisiko bei Patienten mit Vorhofflimmern war. Die Wirkung von Dronedaron kann allerdings nicht ausschließlich durch die antiarrhythmische Wirkung erklärt werden. Es ist bekannt, dass Dronedaron auch eine leichte blutdrucksenkende Wirkung hat und dass es zu einer Verlangsamung der Herzfrequenz führt. Hohe Herzfrequenzen sind Risikofaktoren für einen Schlaganfall.
Eine Überlegenheit von Dronedaron fand sich auch bei den 616 Patienten, die beim Einschluss in die Studie bereits eine TIA oder einen Schlaganfall erlitten hatten. Dronedaron ist daher in Zukunft eine wichtige Behandlungsoption auf der Stroke-Unit für Patienten mit Vorhofflimmern. Der Einsatz sollte allerdings mit den mitbehandelnden Kardiologen abgesprochen werden.
Quellen
1. Hohnloser SH, Crijns HJ, van Eickels M, Gaudin C, et al. Effect of dronedarone on cardiovascular events in atrial fibrillation. N Engl J Med 2009;360:668–78.
2. Connolly SJ, Crijns HJ, Torp-Pedersen C, van Eickels M, et al. for the ATHENA Investigators. Analysis of stroke in ATHENA: a placebo-controlled, double-blind, parallel-arm trial to assess the efficacy of dronedarone 400 mg BID for the prevention of cardiovascular hospitalization or death from any cause in patients with atrial fibrillation/atrial flutter. Circulation 2009;120:1174–80.
3. Gage BF, Waterman AD, Shannon W, Boechler M, et al. Validation of clinical classification schemes for predicting stroke: results from the national registry of atrial fibrillation. JAMA 2001;285:2864–70.
Arzneimitteltherapie 2010; 28(06)