NSCLC in operablen Stadien

Adjuvante Chemotherapie verbessert 5-Jahres-Überleben


Dr. Barbara Kreutzkamp, Hamburg

Patienten mit operablem nichtkleinzelligem Lungenkarzinom profitieren von einer adjuvanten Chemotherapie beziehungsweise von einer adjuvanten Chemo- plus Strahlentherapie. Dies ergaben zwei Metaanalysen mit Patientendaten aus Studien seit 1965.

Rund 85% aller Lungenkarzinome sind nichtkleinzellige Bronchialkarzinome (NSCLC, non-small-cell lung cancer). Die Prognose der NSCLC-Patienten ist immer noch schlecht, die 5-Jahres-Überlebensrate liegt bei 10 bis 15%. Nur bei etwa 25% der Patienten ist eine potenziell kurative Resektion des Karzinoms möglich. Aber selbst bei diesen Patienten liegt das Langzeitüberleben deutlich unter dem von Patienten mit anderen häufigen Tumorentitäten. Auf der Basis von Studien, in denen durch adjuvante Chemotherapie eine Verbesserung der 5-Jahres-Überlebensrate um 4–15% erzielt werden konnte, wurde die adjuvante Chemotherapie Teil des Therapiestandards bei kurativ reseziertem Stadium-II- und bei Stadium-III-NSCLC.

In zwei neuen Metaanalysen der NSCLC Meta-analyses Collaborative Group wurde der Effekt einer adjuvanten Chemotherapie, mit oder ohne zusätzliche Strahlentherapie, anhand individueller Daten von Patienten mit operablem NSCLC aus verschiedenen Studien untersucht.

Methodik

In zwei Metaanalysen wurde unter anderem das Gesamtüberleben von Patienten mit operablem NSCLC in Abhängigkeit von der durchgeführten Therapie verglichen:

  • Operation plus adjuvante Chemotherapie versus alleinige Operation
  • Operation plus Chemo- und Strahlentherapie versus Operation plus Radiotherapie

Eingeschlossen wurden randomisierte Studien mit Patientengruppen, die entsprechend den zu vergleichenden Regimen behandelt worden waren, also keine zusätzlichen Therapien oder vorangegangene Chemotherapien erhalten hatten. Die Randomisierung in den einzelnen Studien sollte ab dem 1. Januar 1965 erfolgt sein. Es wurden unter anderem Angaben über Alter, Geschlecht, Ausmaß der Resektion, Tumorstadium, Histologie, Allgemeinzustand sowie Zeitpunkt der Randomisierung, Rezidive und Überleben gesammelt und die Daten auf Vollständigkeit, Validität und Konsistenz überprüft.

Primärer Endpunkt beider Metaanalysen war das Gesamtüberleben, definiert als Zeit von der Randomisierung bis zum Tod aufgrund jeglicher Ursache. Zu den sekundären Endpunkten gehörte das rezidivfreie Überleben, also die Zeit von der Randomisierung bis zum Auftreten des ersten Rezidivs oder Tod aufgrund jeglicher Ursache. Die Anzahl der noch lebenden bzw. rezidivfreien Patienten wurde zum Zeitpunkt des letzten Follow-ups im Jahr 2009 festgestellt. Die Ergebnisse der Metaanalysen wurden jeweils anhand der Daten der Intention-to-treat-Population ermittelt.

Ergebnisse

Die erste Metaanalyse (Operation plus Chemotherapie vs. alleinige Operation) basiert auf 34 Studienvergleichen (die Daten stammen aus 26 publizierten Studien) mit insgesamt 8447 NSCLC-Patienten (Tab. 1). Die mittlere Beobachtungsdauer betrug 5,5 Jahre. Insgesamt wurden 3323 Todesfälle registriert.

Tab. 1. In den Studienvergleichen der beiden Metaanalysen eingesetzte Chemotherapeutika

Chemotherapeutika

Anzahl Studienvergleiche

1. Metaanalyse: Operation versus Operation plus adjuvante Chemotherapie

Platinderivat (Cisplatin) + Vinca-Alkaloid oder Etoposid

9

Platinderivat (Cisplatin) + Vinorelbin

4

Platinderivat (Carboplatin) + Taxan (Paclitaxel)

1

Andere Platin-basierte Regime

4

Platinderivat (Cisplatin) + Vinca-Alkaloid + Tegafur oder Uracil/Tegafur

8

Tegafur + anderes Chemotherapeutikum (Doxorubicin, Mitomycin)

1

Tegafur oder Uracil/Tegafur

7

2. Metaanalyse: Operation plus nachfolgende Radiotherapie
versus Operation plus adjuvante Chemo- und Radiotherapie

Platinderivat + Vinca-Alkaloid oder Etoposid

8

Platinderivat + Vinorelbin

2

Andere Platin-basierte Regime

2

Platinderivat (Cisplatin) + Tegafur

1

Durch die adjuvante Chemotherapie konnte im Vergleich zur alleinigen Operation ein besseres Ergebnis beim Gesamtüberleben erzielt werden (Hazard-Ratio [HR] 0,86; 95%-Konfidenzintervall [KI] 0,81–0,92; p<0,0001); der absolute Anstieg im Gesamtüberleben betrug 4% (95%-KI 3–6) nach fünf Jahren (von 60% auf 64%; Abb. 1). Die zusätzliche Chemotherapie führte auch zu einem besseren Ergebnis im rezidivfreien Überleben, der Zeit bis zum Auftreten eines lokoregionären Rezidivs und der Zeit bis zum Auftreten eines entfernt liegenden Rezidivs (jeweils p<0,001). Ausnahmen hiervon waren vier Studienvergleiche, in denen Tegafur bzw. Tegafur/Uracil allein verabreicht worden war und in denen die Ergebnisse für alleinige Operation und Operation plus Chemotherapie vergleichbar waren.

Abb. 1. Gesamtüberleben von Patienten mit operablem NSCLC nach alleiniger Operation (OP), Operation plus adjuvanter Chemotherapie (OP+CT), Operation plus Radiotherapie (OP+RT) oder Operation plus adjuvanter Chemo- und Radiotherapie (OP+CT+RT). Durch die adjuvante Chemotherapie konnte das 5-Jahres-Überleben um absolut 4% verbessert werden (von 60 auf 64% bzw. von 29 auf 33%). Die geringeren Überlebensraten bei zusätzlicher Radiotherapie sind am ehesten darauf zurückzuführen, dass in den ausgewerteten Studien vor allem Patienten mit Stadium-III-NSCLC eingeschlossen waren und die Rate an inkomplett resezierten Karzinomen höher war als in den Studien ohne zusätzliche Radiotherapie.

Die zweite Metaanalyse basiert auf 13 Studienvergleichen (Tab. 1; die Daten stammen aus neun publizierten und drei nicht veröffentlichten Studien) mit 2660 Patienten, in denen der Effekt von Operation und nachfolgender Bestrahlung mit dem von Operation plus adjuvanter Chemo- und Strahlentherapie verglichen wurde. In neun Studienvergleichen wurde die Chemotherapie vor der Strahlentherapie gegeben, in vier Vergleichen wurden beide Therapien überlappend appliziert. Die mittlere Beobachtungsdauer betrug 6,4 Jahre. Es traten 1909 Todesfälle auf.

Auch in dieser Metaanalyse ergab sich durch die adjuvante Chemotherapie eine Verbesserung beim Gesamtüberleben (HR 0,88; 95%-KI 0,81–0,97; p= 0,009); das 5-Jahres-Überleben stieg auch hier um absolut 4% (von 29% auf 33%; 95%-KI 1–8; Abb. 1). Auch das rezidivfreie Überleben und die Zeit bis zum Auftreten eines lokoregionären bzw. entfernt liegenden Rezidivs konnten durch die zusätzliche Chemotherapie im Vergleich zu Operation plus Radiotherapie allein verbessert werden (p=0,0006; p=0,008; p<0,0001).

In beiden Metaanalysen variierte das Ergebnis leicht in Abhängigkeit von den eingesetzten Chemotherapeutika, anderen Studiencharakteristika oder Patientensubgruppen.

Diskussion

Patienten mit einem operablen NSCLC haben durch eine adjuvante Chemotherapie einen leichten Überlebensvorteil und zwar unabhängig davon, ob die Chemotherapie allein auf die Operation folgt oder zudem eine Radiotherapie durchgeführt wird. Das 5-Jahres-Überleben verbesserte sich in beiden Fällen um 4%.

Ingesamt ergab sich kein statistisch signifikanter Unterschied zwischen den eingesetzten Chemotherapien, ein Trend zugunsten besserer Ergebnisse bei den modernen Platin-basierten Behandlungen war aber erkennbar.

Eine Subgruppenanalyse ergab, dass auch Patienten mit NSCLC im Stadium IB von einer adjuvanten Chemotherapie profitieren können. Für Patienten mit Stadium-IA-NSCLC konnte aus den Ergebnissen der Metaanalysen keine eindeutige Therapieempfehlung abgeleitet werden – die Subgruppe war klein und das Ergebnis nicht statistisch signifikant.

Die Ergebnisse der beiden Metaanalysen sollten allerdings vor dem Hintergrund interpretiert werden, dass in die Auswertung Studien einbezogen wurden, in denen teilweise heute nicht mehr verwendete Chemotherapien appliziert wurden. In der 2008 publizierten Analyse der LACE Collaborative Group (Pignon et al.), in der ausschließlich moderne Cisplatin-basierte Regime ausgewertet wurden, ergab sich für die adjuvante Chemotherapie ein Benefit im 5-Jahres-Überleben von 5,4% (HR 0,89; p=0,005).

Außerdem sollte bei Übertragung der Ergebnisse auf den klinischen Alltag bedacht werden, dass die Einzelstudien mit eher jüngeren Patienten in überwiegend gutem Allgemeinzustand durchgeführt wurden – in den Metaanalysen waren die Patienten im Mittel 60 Jahre alt. Lediglich 12% der Patienten waren älter als 70 Jahre. Im klinischen Alltag liegt das mediane Alter von NSCLC-Patienten aber bei 70 Jahren. Auf diese Patienten sowie auf Patienten in schlechtem Allgemeinzustand lassen sich die Ergebnisse der Metaanalysen daher nur unter Vorbehalten übertragen.

Quellen

NSCLC Meta-analyses Collaborative Group. Adjuvant chemotherapy, with or without postoperative radiotherapy, in operable non-small-cell lung cancer: two meta-analyses of individual patient data. Lancet 2010;375:1267–77.

Kalemkerian GP. Adjuvant therapy for non-small-cell lung cancer. Lancet 2010;375:1230–1.

Arzneimitteltherapie 2010; 28(10)