Dr. med. Claudia Borchard-Tuch, Zusmarshausen
An der bronchialen Entzündung bei der chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (COPD) sind neutrophile und eosinophile Granulozyten, Makrophagen, Epithelzellen und T-Lymphozyten beteiligt. Die Aktivität der Entzündungszellen wird über eine Kaskade intrazellulärer biochemischer Reaktionen gesteuert. Zyklisches Adenosinmonophosphat (cAMP) aktiviert Enzyme, die die Entzündungszellen in ihrer Funktion hemmen. In Entzündungszellen und strukturellen Zellen wird der cAMP-Spiegel durch das Enzym Phosphodiesterase-(PDE-)4 kontrolliert, das den Abbau von cAMP katalysiert. Der Wirkungsmechanismus von Roflumilast (Daxas®) beruht auf einer direkten Hemmung der Phosphodiesterase-4 mit nachfolgendem Anstieg der intrazellulären cAMP-Konzentration. Klinisches Korrelat dieses Mechanismus sind eine verbesserte Lungenfunktion sowie eine Reduktion der Exazerbationsrate.
Pharmakokinetik
Roflumilast verfügt über eine absolute Bioverfügbarkeit von 79% nach einmaliger oraler Gabe von 500 µg. Die Plasmaproteinbindung von Roflumilast und seinem Hauptmetaboliten Roflumilast-N-Oxid beträgt etwa 99 bzw. 97%. Das Verteilungsvolumen der lipophilen Substanz ist mit etwa 2,9 l/kg bei einmaliger Einnahme von 500 µg groß.
Roflumilast unterliegt einer intensiven Metabolisierung in Phase-I- (über Cytochrom-P450-Isoenzyme, vor allem CYP3A4 und CYP1A2) und Phase-II-Reaktionen (Konjugation). Die mittlere effektive Plasmahalbwertszeit von Roflumilast beträgt ungefähr 17 Stunden, die des ebenfalls antientzündlich wirksamen Hauptmetaboliten Roflumilast-N-Oxid etwa 30 Stunden. Die Elimination erfolgt zu etwa 70% renal in Form von inaktiven Metaboliten. In einem Dosierungsbereich zwischen 250 und 1000 µg verhält sich die Pharmakokinetik von Roflumilast und seinem Hauptmetaboliten dosisproportional.
Arzneimittelinteraktionen
Es liegen keine Hinweise auf Interaktionen von Roflumilast mit dem inhalierbaren Glucocorticoid Budesonid und den inhalierbaren Beta2-Sympathomimetika Salbutamol und Formoterol vor, die bei COPD häufig eingesetzt werden. Ebenso zeigten sich keine Wechselwirkungen mit dem Cysteinyl-Leukotrien-1-(CysLT1-)Rezeptorantagonisten Montelukast sowie mit Digoxin, Sildenafil, Warfarin und Midazolam.
Bei gleichzeitiger Gabe von Theophyllin konnte eine um 8% erhöhte totale PDE-4-Hemmung festgestellt werden – eine begleitende Dauertherapie mit Theophyllin wird wegen unzureichender Datenlage nicht empfohlen.
Interaktionsstudien mit CYP1A2-Inhibitoren wie Fluvoxamin und kombinierten CYP3A4-/Cyp1A2-Inhibitoren wie Cimetidin ergaben eine deutlich verstärkte PDE-4-Hemmung. Demnach kann die gleichzeitige Einnahme dieser Substanzen zu einer erhöhten Exposition und Unverträglichkeit von Roflumilast führen. Die gleichzeitige Einnahme des Enzyminduktors Rifampicin hatte umgekehrt eine verminderte totale PDE-4-Hemmung zur Folge – bei Einnahme starker Cytochrom-P450-Induktoren wie Phenobarbital, Carbamazepin oder Phenytoin kann folglich die Wirksamkeit von Roflumilast reduziert sein.
Klinische Studien
Roflumilast versus Plazebo
Die Zulassung von Roflumilast basiert auf den Ergebnissen von mehreren randomisierten, doppelblinden, Plazebo-kontrollierten Phase-III-Studien, darunter die beiden einjährigen Studien M2-124 und M2-125, in die insgesamt über 3000 ehemalige oder aktuelle Raucher (mindestens 20 Packungsjahre) über 40 Jahre mit schwerer bis sehr schwerer COPD und chronischer Bronchitis eingeschlossen waren. Die Einsekundenkapazität (FEV1) der Studienteilnehmer betrug nach Gabe eines Bronchodilatators weniger als 50% des Sollwerts. Alle Patienten hatten im vorangegangenen Jahr mindestens eine Exazerbation, die eine Glucocorticoid-Therapie und/oder einen Krankenhausaufenthalt erforderte.
Die Patienten erhielten entweder 500 μg Roflumilast oder Plazebo einmal täglich oral über 52 Wochen. Des Weiteren konnte als Bedarfsmedikation ein kurzwirksames Beta2-Sympathomimetikum (RABA) angewendet werden. Eine bestehende Therapie mit einem langwirksamen Beta2-Sympathomimetikum (LABA) konnte fortgeführt werden, kurzwirksame Anticholinergika waren bei Patienten erlaubt, die keine LABAs einnahmen.
Primäre Studienendpunkte der beiden Doppelblindstudien waren die Reduktion der Rate mittel- und schwergradiger Exazerbationen sowie die Verbesserung der vor Anwendung eines Bronchodilatators gemessenen Einsekundenkapazität durch Roflumilast.
In beiden Studien wurden die definierten primären Endpunkte erreicht. Die gepoolte Analyse der beiden Studien ergab 1,14 mittel- bis schwergradige Exazerbationen pro Patient und Jahr unter Roflumilast im Vergleich zu 1,37 Exazerbationen unter Plazebo (relative Risikoreduktion durch Roflumilast: 17%; p<0,0003). Auch die mediane Zeit bis zum Auftreten der ersten bzw. zweiten Exazerbation konnte unter Roflumilast im Vergleich zu Plazebo verlängert werden (80 vs. 71 Tage [p=0,0185] bzw. 177 vs. 148 Tage [p=0,0014]).
Die prä-bronchodilatatorische Einsekundenkapazität verbesserte sich unter Roflumilast um 48 ml bei einem durchschnittlichen Ausgangsvolumen von etwa einem Liter (p<0,0001).
Wirksamkeit bei gleichzeitiger Anwendung eines langwirksamen Bronchodilatators
Im Rahmen von zwei weiteren randomisierten, doppelblinden, Plazebo-kontrollierten Phase-III-Studien von je sechs Monaten Dauer wurde die Wirksamkeit von Roflumilast bei gleichzeitiger Therapie mit dem langwirksamen Beta2-Sympathomimetikum Salmeterol (Studie M2-127) und dem Anticholinergikum Tiotropiumbromid (Studie M2-128) untersucht. Eingeschlossen waren insgesamt rund 1600 Patienten über 40 Jahre, ebenfalls ehemalige oder aktuelle Raucher (mindestens 10 Packungsjahre) mit mittelschwerer bis schwerer COPD. Die Einsekundenkapazität nach Gabe eines Bronchodilatators betrug 40–70% des Sollwerts. Im Gegensatz zu den beiden einjährigen Studien mussten die Patienten keine Exazerbationen in der Anamnese aufweisen.
Primärer Studienendpunkt war die Änderung der mittleren Einsekundenkapazität vor Gabe eines Bronchodilatators im Studienverlauf.
In beiden Studien konnte eine additive Wirkung von Roflumilast bestätigt werden: Bei gleichzeitiger Gabe mit Salmeterol verbesserte sich die prä-bronchodilatatorische Einsekundenkapazität um 49 ml, bei gleichzeitiger Gabe mit Tiotropiumbromid um 80 ml (jeweils p<0,0001). In der Roflumilast/Salmeterol-Gruppe war der Anteil der Patienten mit mittelschwerer bis schwerer Exazerbation signifikant geringer als in der Plazebo/Salmeterol-Gruppe (11% vs. 18%; p=0,0015), ebenso verhielt es sich im Trend mit Roflumilast/Tiotropiumbromid vs. Plazebo/Tiotropiumbromid (11% vs. 16%; p=0,0867). In der Salmeterol-Studie war die mediane Zeit bis zum Auftreten der ersten moderaten bis schweren Exazerbation in der Roflumilast-Gruppe signifikant länger als mit Plazebo (83 vs. 71 Tage; p=0,0067). In der Tiotropiumbromid-Studie war unter Roflumilast das mediane Intervall bis zur ersten leichten, mittelschweren oder schweren Exazerbation signifikant verlängert (50 vs. 37 Tage; p=0,0264).
Unerwünschte Arzneimittelwirkungen
In allen vier Studien waren unerwünschte Arzneimittelwirkungen unter Roflumilast häufiger als in den Kontrollgruppen (M2-124/-125: 67% vs. 62%; M2-127: 63% vs. 59%; M2-128: 46% vs. 41%). Die Nebenwirkungen traten hauptsächlich in den ersten Behandlungswochen auf und verschwanden meist im weiteren Therapieverlauf. Häufige Nebenwirkungen unter Roflumilast waren Diarrhö, Nausea, Kopfschmerzen und Gewichtsverlust. Der Gewichtsverlust war bei höherem Ausgangsgewicht des Patienten größer und betrug durchschnittlich etwa 2 kg. Die meisten der Patienten mit Gewichtsverlust nahmen nach Absetzen der Therapie wieder zu.
Behandlungskosten
Die Tagestherapiekosten liegen bei Verordnung der Packungsgröße N3 (90 Filmtabletten) bei 1,90 Euro.
Fazit
Insgesamt zeigte sich in den Studien, dass der neue PDE-4-Hemmer Roflumilast als Zusatz zu einer bronchodilatatorischen Therapie die Lungenfunktion zusätzlich verbessert und die Zahl der Exazerbationen verringert. Die Number needed to treat (NNT), das heißt die Anzahl der Patienten, die zur Vermeidung einer Exazerbation ein Jahr lang therapiert werden müssen, betrug in den 12-Monatsstudien 5,29 bzw. 3,64. Dies ist für COPD-Patienten von Relevanz, da Exazerbationen die Progression der Erkrankung in besonderem Maße vorantreiben.
Quelle
Prof. Dr. med. Helmut Teschler, Essen, Prof. Dr. Helgo Magnussen, Großhansdorf, Prof. Dr. Dr. Robert Bals, Homburg, Fachpressegespräch „Möglicher Paradigmenwechsel in der COPD-Therapie?“, Baden-Baden, 3. Juli 2010, veranstaltet von Nycomed Deutschland GmbH.
Fachinformation Daxas®, Stand Juli 2010.
Calverley MA, et al. Roflumilast in symptomatic chronic obstructive pulmonary disease: two randomised clinical trials. Lancet 2009;374:685–94.
Fabbri LM, et al. Roflumilast in moderate-to-severe chronic obstructive pulmonary disease treated with longacting bronchodilatators: two randomised clinical trials. Lancet 2009;374:695–703.
Arzneimitteltherapie 2010; 28(10)