Fortgeschrittenes Ovarialkarzinom

Verlängertes progressionsfreies Überleben mit Bevacizumab


Richard E. Schneider, Tübingen

In einer Phase-III-Studie hatten Patientinnen mit fortgeschrittenem Ovarialkarzinom, primärem Peritonealkarzinom oder Tubenkarzinom, die eine Chemotherapie mit 6 Zyklen Carboplatin/Paclitaxel in Kombination mit Bevacizumab (ab dem 2. Zyklus) und anschließend eine Erhaltungstherapie mit Bevacizumab über 16 Zyklen erhielten, ein signifikant längeres progressionsfreies Überleben als Frauen, die ausschließlich mit 6 Zyklen Chemotherapie mit Carboplatin/Paclitaxel behandelt wurden. Die Ergebnisse der Phase-III-Studie Nr. 0218 der Gynecologic Oncology Group (GOG) wurden im Juni 2010 auf der Jahrestagung der American Society of Clinical Oncology (ASCO) in Chicago vorgestellt.

Nach Daten des Robert-Koch-Instituts (RKI) in Berlin stieg die Prävalenz für Eierstockkrebs im neuen Jahrtausend in Deutschland stark an. So wurden im 5-Jahres-Zeitraum bis 2004 etwa 25700 Frauen mit dieser Erkrankung statistisch erfasst, für 2010 rechnet das RKI mit 26300 Patientinnen. Diese Entwicklung ist auf eine Verbesserung der 5-Jahres-Überlebensraten von 34% im Jahr 2000 auf 47% in 2004, demografische Veränderungen (Zunahme der älteren Altersgruppen) sowie zunehmende Erkrankungsraten (plus 40% seit 1980) zurückzuführen. Pro Jahr erkranken in Deutschland knapp unter 10000 Frauen an Eierstockkrebs, wobei die Mortalitätsrate bis auf die Altersgruppe der über 80-Jährigen seit 1980 kontinuierlich (um 26% bis 2004) sinkt.

Bevacizumab (Avastin®) ist ein monoklonaler Antikörper, der an den Gefäßwachstumsfaktor VEGF (Vascular endothelial growth factor) bindet, der in Krebszellen stark vermehrt auftritt. Dadurch hemmt es die Bindung des Faktors an seine Rezeptoren auf der Endothelzell-Oberfläche. Infolgedessen werden Wachstum und Ausbreitung der Tumorgefäße und damit das Tumorwachstum gehemmt. Der Angiogenesehemmer kam 2005 auf den Markt und ist für folgende Indikationen zugelassen:

  • In Kombination mit Paclitaxel oder Docetaxel zur First-Line-Therapie von Patienten mit metastasiertem Mammakarzinom
  • In Kombination mit einer Fluoropyrimidin-basierten Chemotherapie bei metastasiertem Kolon- oder Rektumkarzinom
  • Zusätzlich zu einer Platin-haltigen Chemotherapie als First-Line-Behandlung bei inoperablem fortgeschrittenem, metastasiertem oder rezidivierendem nichtkleinzelligem Bronchialkarzinom
  • Als First-Line-Therapie in Kombination mit Interferon alfa-2a bei fortgeschrittenem und/oder metastasiertem Nierenzellkarzinom

Im Rahmen der Phase-III-Studie Nr. 0218 der Gynecologic Oncology Group (GOG), deren Ergebnisse auf dem ASCO-Kongress 2010 vorgestellt wurden, wurde der Angiogenesehemmer in der Primärtherapie bei Patientinnen mit fortgeschrittenem Ovarialkarzinom untersucht.

Studiendesign

In die multizentrische, doppelblinde, Plazebo-kontrollierte Phase-III-Studie waren 1873 im Mittel 60 Jahre alte Frauen mit neu diagnostiziertem, nicht medikamentös vorbehandeltem, fortgeschrittenem epithelialem Ovarialkarzinom, primärem Peritonealkarzinom oder Tubenkarzinom eingeschlossen. Die Tumoren waren weitgehend reseziert worden. Die Patientinnen wurden in folgende drei Studienarme mit jeweils 15-monatiger Therapiedauer randomisiert:

  • Studienarm 1: Carboplatin (AUC 6) plus Paclitaxel (175 mg/m2) plus Plazebo (ab dem 2. Behandlungszyklus) über 6 Behandlungszyklen, gefolgt von Plazebo für weitere 16 Zyklen
  • Studienarm 2: Carboplatin (AUC 6) plus Paclitaxel (175 mg/m2) plus Bevacizumab (BEV; 15 mg/kg; ab dem 2. Behandlungszyklus) über 6 Zyklen, gefolgt von Plazebo für weitere 16 Zyklen
  • Studienarm 3: Carboplatin (AUC 6) plus Paclitaxel (175 mg/m2) plus Bevacizumab (15 mg/kg; ab dem 2. Behandlungszyklus) über 6 Zyklen, gefolgt von einer Erhaltungstherapie mit Bevacizumab (15 mg/kg) für weitere 16 Zyklen

Die Medikation wurde jeweils an Tag 1 der 3-wöchigen Zyklen verabreicht.

Primärer Studienendpunkt war das progressionsfreie Überleben. Zu den sekundären Endpunkten gehörten Gesamtüberleben, Sicherheit und die Lebensqualität der Patienten. Die mediane Beobachtungszeit betrug 17,4 Monate.

Ergebnisse

Im Vergleich zu den Patientinnen in Studienarm 1 (alleinige Chemotherapie, CP) war das mediane progressionsfreie Überleben (PFS) der Patientinnen in Studienarm 3 (CP + BEV → BEV) signifikant verlängert (10,3 vs. 14,1 Monate, Hazard-Ratio [HR] 0,717; 95%-Konfidenzintervall [KI] 0,625–0,824; p<0,0001). Zwischen den Patientinnen der Studienarme 1 (CP) und 2 (CP + BEV) unterschied sich das mediane progressionsfreie Überleben jedoch nicht signifikant (10,3 vs. 11,2 Monate; HR 0,908; 95%-KI 0,759–1,040; p=0,08) (Abb. 1).

Abb. 1. GOG-Studie Nr. 0218: Primärer Endpunkt progressionsfreies Überleben (PFS) bei Patientinnen mit fortgeschrittenem epithelialem Ovarialkarzinom, primärem Peritonealkarzinom oder Tubenkarzinom und Therapie mit 6 Zyklen Chemotherapie mit Carboplatin/Paclitaxel allein (CP) oder 6 Zyklen Chemotherapie mit Carboplatin/Paclitaxel in Kombination mit Bevacizumab (ab dem 2. Zyklus) ohne (CP + BEV) bzw. mit nachfolgender Erhaltungstherapie mit Bevacizumab (CP + BEV → BEV).

Im Gesamtüberleben konnte zum Zeitpunkt der letzten Analyse des progressionsfreien Überlebens zwischen den Patientinnen der beiden Bevacizumab-Studienarme und den Patientinnen, die mit alleiniger Chemotherapie behandelt worden waren, kein signifikanter Unterschied festgestellt werden (p=0,361 bzw. 0,252).

Die Behandlung wurde insgesamt gut vertragen; das Nebenwirkungsprofil in den Bevacizumab-Armen entsprach dem in vorangegangenen Studien mit Bevacizumab.

Fazit

Die Phase-III-Studie der Gynecologic Oncology Group (GOG) Nr. 0218 ist die erste Studie, in der Patientinnen mit fortgeschrittenem Ovarialkarzinom von einem Angiogenesehemmer in der Primärtherapie profitierten. In Anbetracht des gegenüber alleiniger Chemotherapie signifikant verbesserten progressionsfreien Überlebens empfehlen die Autoren, das Therapieregime Chemotherapie plus Bevacizumab gefolgt von einer Bevacizumab-Erhaltungstherapie als eine Standardtherapie in Erwägung zu ziehen.

Ausblick

In die internationale, multizentrische, unverblindete Phase-III-Studie ICON7 wurden 1528 Patientinnen mit vorbehandeltem epithelialem Ovarialkarzinom, primärem Peritonealkarzinom oder Tubenkarzinom eingeschlossen. Die Patientinnen erhielten randomisiert entweder 6 Zyklen Carboplatin/Paclitaxel allein (Arm 1) oder 6 Zyklen Carboplatin/Paclitaxel in Kombination mit Bevacizumab (7,5 mg/kg alle drei Wochen) und mit anschließender Bevacizumab-Erhaltungstherapie über insgesamt 18 Zyklen und einen Zeitraum von bis zu 12 Monaten (Arm 2). Die Studienergebnisse sollen auf dem diesjährigen Kongress der European Society for Medical Oncology (ESMO) vorgestellt werden.

Quelle

Burger RA, et al. Phase III trial of bevacizumab in the primary treatment of advanced epithelial ovarian, primary peritoneal, or fallopian tube cancer: a Gynecologic Oncology Group (GOG) study. Vortrag ASCO 2010, Chicago, 6. Juni 2010; J Clin Oncol 28:18s, 2010 (suppl; abstr LBA1).

Arzneimitteltherapie 2010; 28(11)