Bevacizumab beim Ovarialkarzinom

Progressionsfreies Überleben verlängert, optimale Dosierung und Therapiedauer offen


Veröffentlicht am: 28.11.2019

Dr. Susanne Heinzl, Reutlingen

Mit der europäischen AGO-OVAR11/ICON7-Studie liegt nun die zweite Phase-III-Studie vor, in der durch eine Behandlung mit Bevacizumab (Avastin®) das progressionsfreie Überleben verlängert werden konnte, wie auf einer Pressekonferenz der Roche Pharma AG im Dezember 2010 in Frankfurt/M. berichtet wurde.

Das Ovarialkarzinom ist der fünfthäufigste bösartige Tumor bei Frauen. In den meisten Fällen wird der Tumor erst in fortgeschrittenen Stadien entdeckt, weil er relativ lange überhaupt keine Symptome auslöst. Zudem gibt es derzeit keine geeigneten Screening-Verfahren, die eine Früherkennung ermöglichen könnten. In den letzten 40 Jahren konnte zwar die Rate des Fünf-Jahres-Überlebens von etwa 28% auf 50% erhöht werden, Fortschritte wurden aber vor allem in den frühen Tumorstadien erzielt. Neue Perspektiven ergeben sich durch gezielte Therapieansätze, zum Beispiel mit Bevacizumab. Mit dem Angiogenesehemmer wurden bislang zwei Phase-III-Studien bei Patientinnen mit fortgeschrittenem Ovarialkarzinom abgeschlossen, und zwar die amerikanische GOG-0218-Studie (siehe Arzneimitteltherapie 2010;28:361–2) und die europäische AGO-OVAR11/ICON7-Studie.

In der offenen ICON7-Studie erhielten 1528 Patientinnen nach einer Standardtherapie aus Carboplatin/Paclitaxel 1:1 randomisiert alle drei Wochen Bevacizumab über 18 Zyklen oder keine weitere Behandlung. In die Studie wurden neben Frauen mit Tumorresten auch Patientinnen ohne Tumorrest sowie Hochrisiko-Patientinnen im Frühstadium aufgenommen.

Primärer Endpunkt war das progressionsfreie Überleben (PFS), zu den sekundären Endpunkten gehörten Gesamtüberleben, Ansprechrate und Verträglichkeit.

Das progressionsfreie Überleben betrug nach einer Nachbeobachtungszeit von im Median 19,4 Monaten in der Bevacizumab-Gruppe 19,0 und in der Kontrollgruppe 17,3 Monate. Es resultierte also im Median eine Verlängerung des PFS um 1,7 Monate durch die Bevacizumab-Therapie. Da der Verlauf der PFS-Kurven den Schluss erlaubte, dass das Risiko in beiden Gruppen nicht proportional verteilt war, wurde der absolute Unterschied des PFS zu verschiedenen Zeitpunkten errechnet. Nach zwölf Monaten war er mit 15Prozentpunkten am größten, zu dem Zeitpunkt endete die Bevacizumab-Therapie (Tab. 1). Daten zum Gesamtüberleben und zur Lebensqualität liegen noch nicht vor.

Tab. 1. AGO-OVAR11/ICON7-Studie: absolute Differenzen der PFS-Raten bei Ovarialkarzinom-Patientinnen mit Bevacizumab-Therapie im Vergleich zu keiner Behandlung

Monate

PFS Bevacizumab [%]

PFS
Kontrolle [%]

PFS-Differenz [Prozentpunkte]

6

95,8

92,1

3,7

12

79,7

64,6

15,1

18

47,3

54,9

7,6

24

37,3

39,8

–2,5

PFS: progressionsfreies Überleben

Das Nebenwirkungsprofil des Angiogenesehemmers entsprach dem, was bislang aus anderen Studien bekannt ist.

Damit liegen zwei randomisierte Studien vor, die eine Verlängerung des PFS bei Frauen mit fortgeschrittenem Ovarialkarzinom durch Bevacizumab zeigen. Viele Fragen sind aber noch offen, so fehlen die Daten zum Gesamtüberleben und zur Lebensqualität. Unklar ist, welche Dosierung und welche Therapiedauer optimal sind. Dies wird derzeit in weiteren Studien untersucht.

Quelle

Prof. Dr. Andreas du Bois, Essen, Prof. Dr. Jacobus Pfisterer, Solingen, Presseforum Ovarialkarzinom 2010 der Roche Pharma AG, Frankfurt/Main, 2. Dezember 2010.

Arzneimitteltherapie 2011; 29(01)