H1N1-Virus

Lehren aus der Grippe-Pandemie 2009


Veröffentlicht am: 28.11.2019

Dr. Susanne Heinzl, Reutlingen

Glücklicherweise war das H1N1-Virus der Pandemie 2009 nur niedrig pathogen, so dass die Folgen bei weitem nicht so schwerwiegend waren, wie zunächst befürchtet. Eine sachliche Bestandsaufnahme der Pandemie 2009 ermöglicht es, sich nun auf kommende Pandemiefälle besser vorzubereiten.

Aus klinischer Sicht können aus der H1N1-Pandemie 2009 verschiedene Lehren gezogen werden:

1. Das Virus war sehr schnell, es verbreitete sich innerhalb kürzester Zeit praktisch über die ganze Welt.

2. A(H1N1)v2009 war nur niedrig pathogen: In den USA gingen geschätzte 59 Mio. Fälle von Grippeerkrankungen mit 265000 Krankenhausbehandlungen und 12000 Todesfällen einher, die Sterblichkeit lag damit bei nur 0,02%. In Deutschland war sie mit 0,125% in den Wochen 39 bis 53/2009 höher, was jedoch mit der Falldefinition zu erklären sein könnte.

3. A(H1N1)v2009 zeigte im Vergleich zu saisonalen Grippenviren Unterschiede. Die Antikörper-Titer waren vor allem bei den nach 1950 geborenen Personen niedrig, dies erklärt, warum 90% der in den USA erkrankten Personen unter 65 Jahre alt waren. In Deutschland lag das mediane Alter der hospitalisierten Patienten bei 15 Jahren. Problematische Krankheitsverläufe wurden vor allem bei jüngeren Menschen beobachtet. Das Virus induzierte bei schwerem Verlauf häufig eine Pneumonie mit ungewöhnlichen Symptomen, die eine Behandlung auf der Intensivstation erforderten.

Für Patienten mit viraler Pneumonie werden Plätze zur extrakorporalen Membranoxygenierung (ECMO) benötigt, an denen der pulmonale Gasaustausch vorübergehend von einer künstlichen Lunge übernommen werden kann. In Deutschland gibt es derzeit insgesamt nur 45 bis 50 ECMO-Plätze. Bei einer Pandemie mit vielen schweren Krankheitsverläufen wäre nach kurzer Zeit ein Engpass aufgetreten.

Impfstrategien mehrfach geändert

Der nationale Pandemieplan sah zunächst eine Impfung der gesamten Bevölkerung vor. Aufgrund des leichten Verlaufs der Erkrankung wurde diese Strategie geändert. Zudem wurde die zunächst für erforderlich gehaltene zweimalige Impfung auf eine einmalige Impfung reduziert. Letztendlich lag die Impfrate mit dem H1N1-Impfstoff bundesweit bei 6,4%. Geimpft wurden allerdings vorwiegend ältere Personen, gefährdet waren jedoch eher die jüngeren Menschen.

Problem Zeitfaktor

Aufgrund der raschen Verbreitung des Virus erwies sich der Zeitfaktor als eines der größten Probleme im Pandemie-Geschehen. Schon die umfangreiche Produktion der geeigneten Impfstoffmengen ist eine Herausforderung, noch mehr gilt das nach den Erfahrungen der Pandemie 2009 für die richtige und zeitgerechte Verteilung des Impfstoffs.

Erfahrungen aus Schweden zeigten zum Beispiel, dass die Impfrate auf dem flachen Land schlechter war als in Städten. Aber auch in den Städten zeigten sich Unterschiede, so ließen sich besser ausgebildete und besser verdienende Menschen häufiger impfen.

Enormer Verbesserungsbedarf besteht darüber hinaus bei der Kommunikation zwischen Behörden und Medien: „Die Verwirrung durch die verschiedensten Experten war groß“, so Prof. Dr. Hartmut Lode in der Diskussion. Er plädierte für eine zentrale Stelle im Land, die Fragen der Medien im Pandemiefall beantwortet.

Quelle

M. Pfleiderer, T. Schaberg, H. Uphoff, A. Örtqvist, Symposium „H1N1 pandemic: much ado about nothing“ mit Unterstützung von GlaxoSmithKline veranstaltet bei der 1st International Conference on Controversies in Vaccination in Adults, Berlin, 28. Januar 2011.

Arzneimitteltherapie 2011; 29(03)