EditorialDie Redaktion der „Arzneimitteltherapie”

Wechsel im Herausgeber-Gremium

ÜbersichtIngo Stock, Bonn

Die „Renaissance“ der Polymyxine

Erkrankungen durch gramnegative Bakterien mit einer Resistenz gegenüber zahlreichen Antibiotika werden immer häufiger. Multiresistente Pseudomonas-aeruginosa-, Acinetobacter-baumannii- und Klebsiella-pneumoniae-Stämme sind nicht selten gegenüber allen Beta-Lactamen, Chinolonen, Aminoglykosiden und vielen weiteren Antibiotika resistent. Die aufgrund schwerer Nebenwirkungen lange Zeit nur wenig eingesetzten Polymyxine (Colistin, Polymyxin B) zeigen eine gute In-vitro-Aktivität gegen viele gramnegative Bakterienarten und sind zumeist auch gegen multiresistente Stämme dieser Spezies aktiv. Ein klinisches Ansprechen auf Polymyxine bei Erkrankungen durch gramnegative multiresistente Erreger wurde in Kasuistiken, Fallserien und retrospektiven Untersuchungen belegt. Bei Infektionen mit manchen multiresistenten Erregern sind Polymyxine die derzeit einzige verbleibende Therapieoption. Aufgrund ihrer nephrotoxischen Eigenschaften sollte der Einsatz von Polymyxinen auf Pneumonien, Sepsen und andere schwere Erkrankungen durch multiresistente gramnegative Erreger beschränkt bleiben. In kontrollierten und vergleichenden klinischen Studien muss geklärt werden, ob Polymyxine alleine oder in Kombination mit anderen Wirkstoffen eingesetzt werden sollten. Die optimale Dosierung und Therapiedauer sowie die mögliche Abhängigkeit dieser Parameter von der Indikation sind ebenfalls zu evaluieren.
Arzneimitteltherapie 2011;29:71–80.

FlaggeEnglish abstract

The renaissance of the polymyxins

During the last decades, diseases due to gram-negative bacteria showing resistances to a wide range of antibiotics have been diagnosed with increased frequency. Several multiple-drug resistant strains of Pseudomonas aeruginosa, Acinetobacter baumannii and Klebsiella pneumoniae are resistant to all beta-lactams, fluoroquinolones, aminoglycosides and other antibacterial agents. Polymyxins (colistin, polymyxin B), a class of peptide antibiotics, which were practically abandoned for a long time in most patient populations because of reports of nephrotoxicity and neurotoxicity, show good activity against several gram-negative bacteria, including multidrug resistant strains of P. aeruginosa and A. baumannii. In the last years, clinical efficacy of polymyxins in the treatment of diseases caused by multiple-drug resistant gram-negative bacteria has been shown in several case histories, case series and retrospective studies. In some cases of infections with multidrug-resistant pathogens, polymyxins are the last remaining promising treatment option. Interestingly, a number of recent trials showed that the incidence of nephrotoxicity and neurotoxicity of polymyxins is less common and severe compared to the studies conducted during the 1960s and 1970s. The nephrotoxic potential of polymyxins, however, should not be underestimated. Therefore, the application of these antibiotics should be restricted to the treatment of severe diseases (e.g., pneumonia, sepsis) due to multiple-drug resistant gram-negative bacteria. To assure an efficient and secure polymyxin therapy, controlled and comparative clinical trials ought to be conducted. For example, it is actually unclear, whether polymyxins should be used alone or in combination with other antibacterial agents. The optimal dosage, duration of treatment and the probable dependency of these parameters to the indication have also to be evaluated.

Key words: Polymyxins, polymyxin B, colistin, nephrotoxicity, neurotoxicity, gram-negative non-fermenting bacteria, Pseudomonas aeruginosa, Acinetobacter baumannii, Enterobacteriaceae, Klebsiella pneumoniae, natural (intrinsic) antibiotic resistance, acquired (secondary) antibiotic resistance, multiresistance, controlled trials

Fragen aus der Praxis

Umstellung von Amiodaron auf Dronedaron bei Vorhofflimmern

Das Antiarrhythmikum Dronedaron ist für erwachsene, klinisch stabile Patienten mit nicht permanentem Vorhofflimmern zugelassen, um ein erneutes Auftreten von Vorhofflimmern zu verhindern oder die ventrikuläre Herzfrequenz zu senken. Aufgrund des fehlenden Iodsubstituenten gilt Dronedaron als besser verträglich als Amiodaron – allerdings wurden inzwischen Fälle von Leberschädigungen unter Dronedaron bekannt, weshalb vor Behandlungsbeginn und im Therapieverlauf Leberfunktionstests durchgeführt werden sollten.

ÜbersichtChristoph Rüssel, Borken

GnRH-Antagonisten in der Therapie des metastasierten Prostatakarzinoms

Stellenwert von Degarelix und Anwendung in der Praxis

Ziel der medikamentösen Therapie des Prostatakarzinoms mit GnRH-Agonisten und -Antago- nisten ist die Hemmung der androgenvermittelten Tumorzellstimulation. Im vorliegenden Beitrag werden die verschiedenen Optionen der medikamentösen Kastration zur Therapie des fortgeschrittenen Prostatakarzinoms dargestellt und die mögliche Bedeutung der bei Anwendung von GnRH-Agonisten beobachteten sogenannten Testosteron-Surges für den Therapieerfolg erörtert. Mögliche Indikationen einer Therapie mit dem GnRH-Antagonisten Degarelix werden anhand zweier Kasuistiken vorgestellt.
Arzneimitteltherapie 2011;29:83–8.

FlaggeEnglish abstract

GnRH antagonists in the treatment of metastatic prostate cancer – Significance of degarelix and fields of application

The objective of a therapy with GnRH agonists and antagonists in patients with prostate cancer is the inhibition of androgen mediated tumor cell stimulation. In this article the different options of medical castration are described and the potential consequences of testosteron surges and microsurges related to a therapy with GnRH agonists are discussed. Finally, potential indications for the use of the GnRH antagonist degarelix are presented on the basis of two case histories (intermittent androgen deprivation in a case of metastatic prostate cancer and concomitant heart disease; metastatic carcinoma and beginning hormone resistance).

Key words: Prostate cancer, hormone therapy, GnRH agonists, GnRH antagonists, PSA, testosterone surges, microsurges

Klinische StudieDr. Barbara Kreutzkamp, Hamburg

Nodal-negatives Mammakarzinom mit hohem Rezidivrisiko

Taxan-Kombination verbessert Rate für krankheitsfreies Überleben

Bei Mammakarzinom-Patientinnen mit negativem Nodalstatus und mindestens einem Hochrisikofaktor für ein Rezidiv ist die Rate für krankheitsfreies Überleben unter einer adjuvanten Chemotherapie mit Docetaxel, Doxorubicin, Cyclophosphamid (TAC) besser als unter Fluorouracil, Doxorubicin, Cyclophosphamid (FAC). Das ergab die GEICAM-9805-Studie nach einem medianen Follow-up von 77 Monaten.

Referiert & kommentiert: TherapiehinweiseRosemarie Ziegler, Albershausen

Bisphosphonate

Doch ein erhöhtes Risiko für Ösophaguskarzinom?

Personen, die über mehrere Jahre orale Bisphosphonate einnehmen, haben gegenüber Personen ohne diese Medikation ein signifikant erhöhtes Risiko für ein Ösophaguskarzinom. Das ergab eine jüngst publizierte Analyse eines britischen Patientenregisters.

Referiert & kommentiert: TherapiehinweiseDr. Barbara Kreutzkamp, Hamburg

Krebsprävention

Langjährige Einnahme von Acetylsalicylsäure schützt vor Kolorektalkarzinom

Durch die regelmäßige Einnahme von Acetylsalicylsäure in Tagesdosen von mindestens 75 mg über mindestens fünf Jahre können die Langzeitinzidenz und -mortalität für ein Kolorektalkarzinom verringert werden. Die Schutzwirkung ist beim proximalen Kolonkarzinom am stärksten ausgeprägt. Das ergab eine Auswertung der Langzeitdaten von fünf Studien, in denen Acetylsalicylsäure zur Prävention kardiovaskulärer Ereignisse eingenommen wurde.

Referiert & kommentiert: Kongresse, Symposien, KonferenzenDr. Susanne Heinzl., Reutlingen

Follikuläres Lymphom

Rituximab als Erhaltungstherapie in allen Therapielinien zugelassen

Ende Oktober 2010 hat die Europäische Kommission die Zulassung von Rituximab (Mabthera®) erweitert, es kann nun auch zur Erstlinien-Erhaltungstherapie von Patienten mit follikulärem Lymphom eingesetzt werden. Die Zulassung basiert auf den Daten der PRIMA-Studie (Primary rituximab and maintenance). Die beim ASH 2010 präsentierten Drei-Jahres-Daten dieser Studie wurden bei einer Pressekonferenz der Roche Pharma AG im Januar 2011 in Frankfurt vorgestellt.

Referiert & kommentiert: Kongresse, Symposien, KonferenzenDr. Petra Jungmayr, Esslingen

Chronische myeloische Leukämie

Nilotinib als neue CML-Erstlinientherapie zugelassen

Ende Dezember 2010 erteilte die europäische Arzneimittelbehörde EMA die EU-weite Zulassung für Nilotinib (Tasigna®) zur Therapie erwachsener Patienten mit neu diagnostizierter Philadelphia-Chromosom-positiver chronischer myeloischer Leukämie (Ph+-CML) in der chronischen Phase. Die Zulassung basiert auf den Daten der ENESTnd-Studie, die bei einer von Novartis im Dezember 2010 in Frankfurt veranstalteten Pressekonferenz vorgestellt wurden. Nilotinib steht nun für die Erst- und Zweitlinientherapie zur Verfügung.

Referiert & kommentiert: Kongresse, Symposien, KonferenzenAndrea Warpakowski, Itzstedt

Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen

Therapieziele glucocorticoidfreie Remission und Mukosaheilung stehen im Vordergrund

Durch medikamentöse Therapien sollen die Entzündungsaktivität von Morbus Crohn und Colitis ulcerosa verringert, eine Remission erreicht, Rezidive und Komplikationen verhindert und die Lebensqualität verbessert werden. TNF-α-Antikörper können wesentlich dazu beitragen, auch die Therapieziele glucocorticoidfreie Remission und Heilung der Mukosa zu erreichen. Auf einem Pressegespräch des MSD-Unternehmens Essex Pharma im Dezember 2010 in Hamburg wurden anhand aktueller Daten von der 18th United European Gastroenterology Week unter anderem Strategien zur Optimierung einer Therapie mit Infliximab bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen diskutiert.

Referiert & kommentiert: Kongresse, Symposien, KonferenzenDr. med. Peter Stiefelhagen, Hachenburg

Antihypertensive Therapie

Telmisartan-Amlodipin-Fixkombination für Hochrisiko-Hypertoniker

Hypertoniker mit weiteren kardiovaskulären Risikofaktoren und/oder Begleiterkrankungen gelten als Hochrisiko-Patienten, bei denen durch Antihypertensiva nicht nur eine effektive Blutdrucksenkung, sondern auch eine Organprotektion angestrebt werden sollte. Die seit Oktober 2010 zugelassene antihypertensive Fixkombination Telmisartan plus Amlodipin (Twynsta®) wird diesen Ansprüchen in besonderem Maße gerecht, so das Fazit eines von der Firma Boehringer Ingelheim anlässlich des Kongresses der Deutschen Hochdruckliga im Dezember 2010 in Berlin veranstalteten Satellitensymposiums.

Referiert & kommentiert: Kongresse, Symposien, KonferenzenDr. Susanne Heinzl, Reutlingen

H1N1-Virus

Lehren aus der Grippe-Pandemie 2009

Glücklicherweise war das H1N1-Virus der Pandemie 2009 nur niedrig pathogen, so dass die Folgen bei weitem nicht so schwerwiegend waren, wie zunächst befürchtet. Eine sachliche Bestandsaufnahme der Pandemie 2009 ermöglicht es, sich nun auf kommende Pandemiefälle besser vorzubereiten.

NotizenBettina Christine Martini, Legau

Aktuelle Meldungen von EMA, FDA, BfArM und AkdÄ