Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen

Therapieziele glucocorticoidfreie Remission und Mukosaheilung stehen im Vordergrund


Veröffentlicht am: 28.11.2019

Andrea Warpakowski, Itzstedt

Durch medikamentöse Therapien sollen die Entzündungsaktivität von Morbus Crohn und Colitis ulcerosa verringert, eine Remission erreicht, Rezidive und Komplikationen verhindert und die Lebensqualität verbessert werden. TNF-α-Antikörper können wesentlich dazu beitragen, auch die Therapieziele glucocorticoidfreie Remission und Heilung der Mukosa zu erreichen. Auf einem Pressegespräch des MSD-Unternehmens Essex Pharma im Dezember 2010 in Hamburg wurden anhand aktueller Daten von der 18th United European Gastroenterology Week unter anderem Strategien zur Optimierung einer Therapie mit Infliximab bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen diskutiert.

Morbus Crohn und Colitis ulcerosa sind mit einer Inzidenz von 5,2 und 8,6 pro 100000 Einwohner die beiden wichtigsten chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen in Mitteleuropa. Das Erkrankungsalter liegt im Jugend- und jungen Erwachsenenalter (zwischen 15 und 34 Jahren). Der Krankheitsverlauf kann bei Morbus Crohn sehr variabel sein, so dass es oft schwierig ist, die richtige Therapie für den einzelnen Patienten zu finden. Wichtige Faktoren bei der Wahl der Therapie sind die Krankheitsaktivität, das Befallsmuster und das biologische Verhalten. Allerdings kann bei Morbus Crohn – anders als bei Colitis ulcerosa – die Bestimmung der Krankheitsaktivität schwierig sein, da Symptome wie Diarrhö und Schmerzen auch durch Darminfektionen, Abszesse, bakterielle Fehlbesiedelung und Gallensteine hervorgerufen werden können.

Morbus Crohn

Frühzeitiger Einsatz von TNF-α-Blockern

Nicht alle Patienten mit Morbus Crohn benötigen eine Langzeittherapie sowie eine Immunsuppression oder Biologika, bei einer objektiv hohen Krankheitsaktivität sind diese Therapieoptionen aber angezeigt. So wurde in der SONIC-Studie (Study of biologic and immunomodulator naive patients in Crohn’s disease) bereits belegt, dass bei Patienten mit glucocorticoidabhängigem oder -refraktärem Morbus Crohn durch den frühen Einsatz des Tumornekrosefaktor(TNF)-α-Blockers Infliximab (Remicade®) als Monotherapie und in Kombination mit Azathioprin im Vergleich zu Azathioprin allein die Rate der glucocorticoidfreien Remissionen und kompletten Abheilungen der Mukosa signifikant steigt [2]. Nach einem halben Jahr Therapie konnte bei 30% der Patienten unter Infliximab und 44% unter Azathioprin plus Infliximab im Vergleich zu 17% unter Azathioprin allein eine Mukosaheilung nachgewiesen werden, d.h. gänzliche Abwesenheit mukosaler Ulzerationen im Kolon und terminalen Ileum bei der Videoendoskopie. Der Therapieerfolg war vor allem bei Patienten mit endoskopisch nachgewiesenen Läsionen, hohen Entzündungsmarkern und hoher Krankheitsaktivität größer und nur Patienten mit objektivierbarer Krankheitsaktivität sprachen auf die Therapie an.

Relevanz der Abheilung der Mukosa

Dass die Heilung der Mukosa für den Langzeitverlauf wichtig ist, wurde anhand der EXTEND(Extend the safety and efficacy of adalimumab through endoscopic healing)-Studie mit dem TNF-α-Blocker Adalimumab (Humira®) belegt: Die mukosale und klinische Remission in Woche 12 ging unter anderem mit weniger stationären Aufnahmen, mehr Remissionen und höherer Lebensqualität einher [3].

Eine retrospektive Analyse der Daten von 91 überwiegend glucocorticoidabhängigen Morbus-Crohn-Patienten ergab für die Hälfte der Patienten nach drei Jahren Infliximab-Therapie (im Median 12 Infusionen) eine Mukosaheilung bzw. verbesserte Mukosasymptomatik, 57 Patienten waren nach ein, zwei und drei Jahren glucocorticoidfrei [4].

Verträglichkeit und Wirksamkeit von Infliximab nach Therapiepause

Eine Subgruppenanalyse der STORI-Studie (→ Untersuchung des Verlaufs nach Absetzen von Infliximab unter fortgeführter Immunsuppression) ergab, dass Infliximab auch nach langen Therapiepausen verträglich und effektiv ist [5]. Insgesamt 52 von 57 Morbus-Crohn-Patienten, die im Rahmen der STORI-Studie ein Rezidiv hatten, erhielten ohne Induktionsphase erneut Infliximab, ohne dass es zu einer akuten oder verzögerten Infusionsreaktion kam. Fast alle Patienten sprachen erneut auf die Behandlung an.

Optimierung einer Infliximab-Therapie

Aufgrund der hohen interindividuellen Variabilität der Infliximab-Spiegel scheint es keine absoluten Werte zu geben, anhand derer ein Therapieansprechen oder -versagen bei Morbus Crohn vorhergesagt werden kann. Durch Messung des Talspiegels ist jedoch eine Optimierung einer Infliximab-Therapie bei Morbus Crohn möglich [6]. 55% der 86 Patienten mit einem Wirkungsverlust unter einer 8-wöchigen Infliximab-Therapie sprachen in dieser Studie nach einer Dosisverdopplung (n=36) oder Intervallverkürzung (n=50) auf die Therapie an.

Colitis ulcerosa

Colitis ulcerosa wird nach einem Stufenschema behandelt: In Abhängigkeit vom Schweregrad werden unter anderem Mesalazin, Prednisolon sowie Azathioprin oder Infliximab eingesetzt. In den letzten Jahren hat sich eine sogenannte akzelerierte Stufentherapie durchgesetzt, bei der Patienten bereits nach dem ersten oder zweiten Rezidiv unter einer Glucocorticoid-Therapie mit einem Immunsuppressivum behandelt werden. Deshalb ist es wichtig, möglichst die Patienten zu identifizieren, die von einer frühzeitigen Änderung des Therapieregimes hin zu einer intensiven Therapie profitieren. Laut der norwegischen populationsbasierten IBSEN(Inflammatory bowel south-eastern Norway)-Studie lässt sich das Kolektomierisiko zehn Jahre nach Diagnosestellung bereits bei der Diagnosestellung vorhersagen: Mögliche Prädiktoren für einen komplizierten Verlauf bei Colitis ulcerosa waren ein junges Erkrankungsalter (<40 Jahre), Pan- kolitis, systemische Glucocorticoid-Gabe bei der Erstdiagnose und eine hohe Erythrozyten-Sedimentationsrate (>30 mm/h) [7]. Ein weiterer wichtiger prognostischer Marker für den Krankheitsverlauf ist die komplette Heilung der Mukosa, allerdings sind therapeutische Implikationen der Mukosaheilung bisher noch unklar.

Kosten der Infliximab-Behandlung

Die empfohlene Dosierung von Infliximab bei Morbus Crohn und Colitis ulcerosa beträgt 5 mg/kg an Tag 0, nach 2 und 6 Wochen und dann alle 8 Wochen.

Remicade® ist als Trockensubstanz in Flaschen mit 100 mg Infliximab verfügbar. Nach Rekonstitution und Infusion müssen die Restmengen verworfen werden.

Für einen Patienten mit einem Körpergewicht zwischen 40 und 60 kg werden 3 Flaschen benötigt. Der Apothekenverkaufspreis für die Packung mit 3 Flaschen beträgt 2827,54 Euro (Rote Liste online, Stand 04.02.2011).

Eine Post-hoc-Analyse der beiden Studien ACT 1 und ACT 2 (→ Untersuchung der Wirksamkeit und Sicherheit von Infliximab bei aktiver Colitis ulcerosa) zeigte, dass bei Patienten mit niedrigen endoskopischen Subscores in Woche 8 eine symptomatische Remission in Woche 30 wahrscheinlicher war als bei Patienten mit höheren Subscores. Weiterhin war bei Patienten, die vor Infliximab Glucocorticoide erhalten hatten, bei zunehmender Mukosaheilung bis Woche 8 eine Glucocorticoid-Freiheit wahrscheinlicher [8].

Quellen

1. Priv.-Doz. Dr. med. Andrea Pace, Hamburg, Prof. Dr. med. Torsten Kucharik, Lüneburg; Pressegespräch „Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen – Eine Nachlese zur UEGW 2010“, Hamburg, 17. Dezember 2010.

2. Colombel JF, et al. Infliximab, azathioprine, or combination therapy for Crohn’s disease. N Engl J Med 2010;362:1383–95.

3. Colombel JF, et al. UEGW 2010; Abstract OP371.

4. Privitera A, et al. UEGW 2010; Abstract P0424.

5. Louis et al. UEGW 2010; Abstract P0963.

6. Vermeire S, et al. UEGW 2010; Abstract OP373.

7. Cvavcarova M, et al. UEGW 2010; Abstract OP161.

8. Colombel JF, et al. WUGW 2010; Abstract P1511.

Arzneimitteltherapie 2011; 29(03)