Rezidivierendes Ovarialkarzinom

Kein Überlebensvorteil mit einer frühen Rückfallbehandlung


Veröffentlicht am: 28.11.2019

Dr. Barbara Ecker-Schlipf, Holzgerlingen

Die frühe Rückfallbehandlung eines Ovarialkarzinoms allein auf der Basis einer erhöhten CA125-Konzentration erbrachte keine Hinweise auf einen Überlebensvorteil. Die Durchführung von Routinemessungen des Tumormarkers CA125 in der Nachbeobachtung von Frauen mit Ovarialkarzinom, die mit der First-Line-Therapie eine komplette Remission erreicht haben, kann demnach nicht empfohlen werden.

Man geht gemeinhin davon aus, dass sich durch die frühe Entdeckung und Behandlung von Tumorerkrankungen die Überlebenschancen der Patienten verbessern. Das ist auch der Hauptgrund für eine regelmäßige Nachsorge nach Beendigung einer Krebstherapie. Zum Nutzen eines frühen Therapiebeginns bei Patienten mit metastasierter Tumorerkrankung vorliegende Daten sind jedoch zum Teil widersprüchlich; zum zeitlichen Ablauf der Therapie rezidivierender Tumorerkrankungen war die Datenlage bislang unzureichend.

Die Bestimmung des Tumormarkers CA125 im Serum spielt beim Ovarialkarzinom eine Rolle im Rahmen der Diagnosestellung (→ präoperative Bestimmung des Ausgangswerts; CA125 kann bei noch unklarem Befund für die Differenzialdiagnostik zwischen einem malignen und einem benignen Unterbauchtumor relevant und entsprechend hilfreich für die Planung des prä-/intraoperativen Vorgehens sein) sowie in der Verlaufskontrolle (→ Überwachung des Chemotherapieansprechens/Einschätzung der Prognose; Rezidivdiagnostik). Durch Bestimmung von CA125 im Verlauf können Rezidive bereits in asymptomatischen Stadien und bis zu mehrere Monate, bevor sie in der Bildgebung auffallen, erkannt werden. Durch eine Chemotherapie können bei einem ersten Rezidiv in den meisten Fällen ein gutes Ansprechen und ein verbessertes Überleben erzielt werden, allerdings ist die Behandlung selten kurativ und geht mit Nebenwirkungen einher. Die klinische Relevanz einer frühzeitigen Rezidivdiagnostik war bislang jedoch nicht abschließend geklärt. Für die Betroffenen bedeuten die Messungen des CA125-Werts und die Sorge vor den Konsequenzen eines möglichen Anstiegs eine große Belastung. Besonders problematisch im Hinblick auf das weitere Vorgehen ist ein Anstieg des CA125 bei einer Patientin, bei der zu diesem Zeitpunkt keine Anzeichen oder Symptome eines Rezidivs bestehen. Aus diesen Gründen herrschte in der Vergangenheit Unsicherheit bezüglich routinemäßiger CA125-Kontrollen sowie des optimalen Beginns einer Second-Line-Chemotherapie und das diesbezügliche Vorgehen variierte in den verschiedenen Kliniken.

Studienziel und -design

Ziel der gemeinsam durchgeführten Studien MRCOV05 des British Medical Research-Council und EORTC 55955 der European Organisation for Research and Treatment of Cancer war es, den Nutzen einer frühen Second-Line-Therapie auf der Basis erhöhter CA125-Konzentrationen im Vergleich zu einem verzögerten Behandlungsbeginn auf der Grundlage eines klinischen Rezidivs zu zeigen.

In die randomisierte kontrollierte Studie wurden 1442 Frauen mit einem epithelialen Ovarialkarzinom, Tubenkarzinom oder serösen primären Peritonealkarzinom aufgenommen, die sich nach einer Platin-gestützten First-Line-Chemotherapie in kompletter Remission befanden und eine normale CA125-Konzentration aufwiesen. Die Patientinnen stammten aus 59 klinischen Zentren in Großbritannien, Spanien, Norwegen, den Niederlanden, Frankreich, Russland, Belgien, Irland, Österreich und Südafrika. Alle drei Monate wurden klinische Untersuchungen (körperliche/gynäkologische Untersuchung, Ultraschall und radiologische Untersuchungen in Abhängigkeit von der lokalen Praxis, Untersuchung der Lebensqualität) und CA125-Messungen durchgeführt. Die CA125-Ergebnisse waren für Patientinnen und Untersucher maskiert und wurden von unabhängigen Koordinationszentren überwacht. Überstieg die CA125-Serumkonzentration mehr als das Doppelte des oberen Grenzwerts, wurden die Patientinnen im Verhältnis 1:1 randomisiert (Verfahren der Minimierung) und einer frühen oder verzögerten Chemotherapie zugeordnet.

Von den registrierten Frauen wurden zwischen Februar 1997 und März 2008 529 Frauen (37%) randomisiert den Behandlungsgruppen zugeteilt, darunter 265 einer frühen und 264 einer verzögerten Chemotherapie. Die Patientinnen und klinischen Zentren wurden über die Zuordnung zu einem frühen Behandlungsbeginn informiert und die Therapie baldmöglichst innerhalb von 28 Tagen nach Bestätigung des erhöhten CA125-Werts begonnen. Für die Patientinnen, die einer verzögerten Therapie zugeteilt wurden, blieben die CA125-Messungen maskiert und die Nachsorgeuntersuchungen wurden bis zum Auftreten eines klinischen Rezidivs fortgeführt.

Primärer Studienendpunkt war das Gesamtüberleben; zu den sekundären Endpunkten gehörten die Zeit bis zum Beginn einer Second-Line-Chemotherapie, die Zeit bis zum Beginn einer Third-Line-Therapie oder Tod und Lebensqualität (Zeitraum mit guter Lebensqualität, gemessen anhand des Global health score).

Ergbnisse

Nach einer mittleren Beobachtungszeit von 56,9 Monaten nach der Randomisierung waren 370 Frauen (70%)verstorben, darunter 186 Patientinnen aus der Gruppe mit frühem und 184 Patientinnen mit einem verzögerten Therapiebeginn. Nahezu alle Todesfälle waren krankheitsbedingt (97% bzw. 96% bei frühem oder späterem Behandlungsbeginn). Hinweise auf einen Unterschied im Gesamtüberleben zwischen den beiden Studienarmen gab es nicht (Hazard-Ratio [HR] 0,98; 95%-Konfidenzintervall [KI] 0,80–1,20; p=0,85). Die mittlere Überlebenszeit nach der Randomisierung lag bei Patientinnen, die aufgrund des CA125-Anstiegs behandelt wurden, bei 25,7 Monaten (95%-KI 23,0–27,9) gegenüber 27,1 Monaten (95%-KI 22,8–30,9) bei Patientinnen, die erst bei klinischer Manifestation des Rezidivs behandelt wurden. Die 2-Jahres-Überlebensrate betrug 53,7% bei Frauen mit frühem und 54,7% bei Patientinnen mit verzögertem Behandlungsbeginn.

Patientinnen, die der frühen Behandlungsgruppe zugeteilt waren, begannen die zweite Chemotherapie 4,8 Monate früher (95%-KI 3,6–5,3) als diejenigen mit verzögertem Therapiebeginn, 179 (68%) innerhalb eines Monats nach der Randomisierung und 241 (91%) innerhalb von drei Monaten. Eine Platin-Taxan-Kombination erhielten 91 (34%) der Frauen mit einem frühen Behandlungsbeginn und 102 (39%) der Patientinnen mit einem verzögerten Beginn, eine Platin-Monotherapie wurde 78 (29%) bzw. 67 (25%) der Patientinnen verabreicht. Der Anteil der Frauen, die sechs oder mehr Therapiezyklen erhielten, war im frühen Behandlungsarm größer als bei spätem Therapiebeginn (64% vs. 51%). Bei 21 Frauen mit frühem und 14 mit spätem Behandlungsbeginn wurde ein zweiter chirurgischer Eingriff durchgeführt. Eine Third-Line-Therapie war in der Gruppe mit frühem Therapiebeginn im Durchschnitt 4,6 Monate früher erforderlich als in der Gruppe mit spätem Therapiebeginn (nach median 12,5 Monaten vs. 17,1 Monaten; p=0,0001).

Die Patientinnen aus der frühen Behandlungsgruppe verbrachten durchschnittlich 7,2 Monate bei guter Lebensqualität im Vergleich zu 9,2 Monaten in der späten Behandlungsgruppe. Der Zeitraum zwischen Randomisierung und erster deutlicher Verschlechterung im Global Health Score war in der frühen Behandlungsgruppe mit 3,2 Monaten kürzer als bei den Frauen, die erst bei klinisch manifestem Rezidiv therapiert wurden (p=0,002).

Diskussion

Aufgrund der Ergebnisse stellen die Studienautoren die weit verbreitete Auffassung infrage, dass eine frühzeitige Behandlung für wiederkehrende Krebserkrankungen von Vorteil sein muss, insbesondere bei Tumorarten, bei denen Rezidive häufig disseminiert auftreten und die Heilungschancen gering sind.

Die Ergebnisse liefern keine Hinweise dafür, dass bei Frauen mit Ovarialkarzinom, die nach der First-Line-Chemotherapie eine komplette radiologische und biochemische Remission aufweisen, ein früher Beginn der Second-Line-Chemotherapie aufgrund eines Anstiegs der CA125-Konzentration das Überleben oder die Lebensqualität verlängert im Vergleich zu einer Therapie, die erst begonnen wird, wenn erneut Krankheitsanzeichen oder Symptome auftreten.

Der größte limitierende Faktor der Studie ist die Tatsache, dass den meisten Patientinnen aufgrund des großen Zeitraums, den die Studie umfasst (Beginn 1996), aber auch aufgrund organisatorischer und finanzieller Faktoren verschiedene inzwischen gängige Therapien gar nicht zugänglich waren. Beispielsweise haben die meisten Patientinnen Arzneistoffe bzw. -kombinationen wie Bevacizumab oder pegyliertes liposomales Doxorubicin plus Carboplatin nicht erhalten. Darüber hinaus wurden nur 7% der Patientinnen ein zweites Mal operiert, obwohl 45% der randomisierten Frauen ein behandlungsfreies Intervall von über 12 Monaten hatten und daher potenzielle Kandidatinnen für einen chirurgischen Eingriff gewesen wären. Zwar hat die Überwachung der CA125-Serumkonzentration nicht über eine frühzeitige Chemotherapie zu einer Verbesserung des Outcomes geführt, möglicherweise könnte sie jedoch über eine frühzeitige operative Therapie zu einer Verbesserung der Prognose beitragen.

Fazit

Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass die Betroffenen darüber informiert werden sollten, dass es keinen Anhalt für eine Verbesserung des Ergebnisses durch eine frühzeitige Chemotherapie auf Basis eines CA125-Anstiegs und eine Verschlechterung der Lebensqualität aufgrund eines verzögerten Therapiebeginns gibt. Auf eine routinemäßige CA125-Messung könne daher verzichtet werden. Zudem könne bei einem Anstieg der CA125-Konzentration im Verlauf mit dem Beginn der Chemotherapie bis zum Auftreten eines klinisch manifesten Rezidivs abgewartet werden.

AGO-Empfehlung

In den aktuellen Empfehlungen für die Diagnostik und Therapie maligner Ovarialtumoren der Kommission Ovar der Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Onkologie e. V. (AGO) ist vermerkt, dass durch den Einsatz laborchemischer und bildgebender Diagnostik beim behandelten Ovarialkarzinom bislang keine Verbesserung der Prognose gezeigt werden konnte und daher bei asymptomatischen Patientinnen eine routinemäßige Bestimmung von Tumormarkern nicht durchgeführt werden soll (Ausnahmen sind Keimzelltumoren und Keimstrangstromatumoren) [3].

Quellen

1. Morris RT, Monk BJ. Ovarian cancer: relevant therapy, not timing, is paramount. Lancet 2010;376:1120–2.

2. Rustin GJS. Early versus delayed treatment of relapsed ovarian cancer (MRCOV05/EORTC 55955): a randomised trial. Lancet 2010;376:1155–63.

3. Empfehlungen für die Diagnostik und Therapie maligner Ovarialtumoren, herausgegeben von der Kommission Ovar der Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Onkologie e. V., Stand September 2010.

Arzneimitteltherapie 2011; 29(05)