Dr. Barbara Ecker-Schlipf, Holzgerlingen
Brustkrebs ist die häufigste maligne Erkrankung und eine der häufigsten Ursachen für Tumorsterblichkeit bei Frauen weltweit. In den meisten Fällen wird die Erkrankung in einem frühen Stadium diagnostiziert und ist daher operabel. Bei einem Teil der Patientinnen treten jedoch nach einem krankheitsfreien Intervall Metastasen auf. Metastasierter Brustkrebs gilt als unheilbar, die mittlere Überlebenszeit beträgt etwa drei Jahre.
Bei 15 bis 20% der betroffenen Frauen wird im Tumor der HER2-Rezeptor (Human epidermal growth factor receptor 2; c-erbB2) überexprimiert. HER2-positiver Brustkrebs ist durch einen aggressiven Verlauf mit einem verkürzten krankheitsfreien Intervall und einer hohen Sterblichkeitsrate charakterisiert. Die einjährige Behandlung mit Trastuzumab, parallel beginnend mit einer Taxan-haltigen bzw. im Anschluss an eine (neo-)adjuvante Chemotherapie, gilt derzeit als Standardtherapie bei HER2-positivem Mammakarzinom.
Trastuzumab (Herceptin®) ist ein humanisierter monoklonaler Antikörper, der an den HER2-Rezeptor auf der Zelloberfläche der Tumorzellen bindet und dadurch deren Proliferation hemmt. Bei Docetaxel (z. B. Taxotere®) handelt es sich um ein Zytostatikum aus der Gruppe der Taxane, das semisynthetisch aus der Europäischen Eibe gewonnen wird. Docetaxel blockiert die Mitose in den Tumorzellen, indem es an den Mikrotubuli-Apparat bindet und die Mikrotubuli stabilisiert. Verschiedene präklinische und Phase-II-Studien wiesen darauf hin, dass auch mit Vinorelbin als Kombinationspartner von Trastuzumab bei HER2-positivem Mammakarzinom gute Ansprechraten mit einem akzeptablen Nebenwirkungsprofil erzielt werden können. Vinorelbin (z. B. Navelbine®) ist ein Spindelgift und behindert die Bildung der Mikrotubuli der Kernspindel; somit wird eine unkontrollierte Zellteilung bei Krebserkrankungen unterbrochen. Vinorelbin kann sowohl intravenös als auch oral verabreicht werden.
Studienziel und -design
In der randomisierten, multizentrischen Phase-III-Studie HERNATA (Herceptin plus navelbine or taxotere) wurden Docetaxel und Vinorelbin, jeweils kombiniert mit Trastuzumab, in der First-Line-Therapie bei HER2-positivem Mammakarzinom verglichen. Durchgeführt wurde die Studie zwischen Mai 2004 und August 2008 an 27 klinischen Einrichtungen in Dänemark, Schweden und Norwegen. Eingeschlossen waren 284 Patientinnen im Alter zwischen 29 und 72 Jahren mit lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem Brustkrebs und positivem HER2-Status. Alle Teilnehmerinnen hatten für die fortgeschrittene Tumorerkrankung noch keine Chemotherapie erhalten. In dreiwöchentlichen Zyklen wurden die Patientinnen mit einer der folgenden Wirkstoffkombinationen behandelt:
- Trastuzumab (im ersten Zyklus 8 mg/kg, in den Folgezyklen 6 mg/kg; Tag 1) plus Docetaxel (100 mg/m2; Tag 1); n=143
- Trastuzumab (Dosierung wie im ersten Studienarm) plus Vinorelbin (30 bzw. 35 mg/m2, abhängig vom Prozedere in der jeweiligen Klinik; Tag 1 und 8); n=141
Alle Arzneistoffe wurden intravenös verabreicht. Die Therapie wurde bis zum Progress der Erkrankung, bis zum Auftreten nicht tolerierbarer Toxizitäten oder bis zum Therapieabbruch durch die Patientinnen fortgeführt.
Primärer Studienendpunkt war die Zeit bis zum Fortschreiten der Erkrankung (TTP, time to progression). Zu den sekundären Studienendpunkten gehörten das Gesamtüberleben, die 1-Jahres-Überlebensrate, die Ansprechrate, die Zeitdauer bis zum Therapieversagen (TTF, time to treatment failure) sowie Toxizität und Verträglichkeit.
Studienergebnis
Insgesamt wurden 1148 Docetaxel- und 1683 Vinorelbin-Zyklen (30 mg/m2: 1032; 35 mg/m2: 651) verabreicht. Dosisreduktionen mussten häufiger unter Docetaxel vorgenommen werden, Therapieverzögerungen kamen häufiger unter Vinorelbin vor und dabei häufiger bei einer Dosierung von 35 mg/m2 als bei 30 mg/m2.
Nach einer medianen Beobachtungszeit von 2,5 Jahren unterschieden sich die beiden Therapieschemata im primären Studienendpunkt, der Zeit bis zum Fortschreiten der Erkrankung, mit 12,4 Monaten in der Docetaxel-Gruppe und 15,3 Monaten im Vinorelbin-Arm nicht signifikant (Hazard-Ratio [HR] 0,94; 95%-Konfidenzintervall [KI] 0,71–1,25; p=0,67). Die mediane Überlebenszeit betrug 35,7 Monate unter Docetaxel und 38,8 Monate unter Vinorelbin (HR 1,01; 95%-KI 0,71–1,42; p=0,98). Die 1-Jahres-Überlebensrate betrug in beiden Studienarmen 88%. Auch die Ansprechraten (komplettes/partielles Ansprechen, stabile Erkrankung/Krankheitsprogress) unterschieden sich bei den Patientinnen mit messbarer Erkrankung (123 in der Docetaxel-, 118 in der Vinorelbin-Gruppe) nicht wesentlich. Die Gesamtansprechrate (komplettes plus partielles Ansprechen) lag in beiden Studienarmen bei 59,3%.
Statistisch signifikante Unterschiede wurden bei der Zeitdauer bis zum Therapieversagen festgestellt: mit median 7,7 Monaten war dieser Zeitraum in der Vinorelbin-Gruppe deutlich länger als im Docetaxel-Arm mit 5,6 Monaten (HR 0,50; 95%-KI 0,38–0,64; p<0,0001).
Unter Docetaxel brachen mehr Patientinnen die Therapie aufgrund von toxischen Effekten ab als unter Vinorelbin (20,1% vs. 6,5%; p<0,001). Toxizitäten vom Grad 3/4 waren unter Docetaxel häufiger als unter Vinorelbin (81% vs. 51%; p<0,0001). An Toxizitäten vom Grad 3/4 traten in der Docetaxel-Gruppe im Vergleich zum Vinorelbin-Arm signifikant mehr febrile Neutropenien (36,0% vs. 10,1%), Leukopenien (40,3% vs. 21,0%), Infektionen (25,1% vs. 13,0%), Fieber (4,3% vs. 0%), sensorische Neuropathien (30,9% vs. 3,6%), Nagelveränderungen (7,9% vs. 0,7%) sowie Ödeme (6,5% vs. 0%) auf.
Nach Studienende bzw. -abbruch wurden zwei Drittel der Frauen aus beiden Studienarmen mit anderen Chemotherapeutika weiterbehandelt. Dabei war der Anteil von ein, zwei oder mehr Chemotherapielinien vergleichbar. Etwas mehr Patientinnen aus dem Docetaxel-Arm wechselten auf Vinorelbin als umgekehrt. In beiden Studienarmen erhielten mehr als ein Drittel der Probandinnen Capecitabin (Xeloda®) und etwa zwei Drittel wurden auch nach dem Abbruch der Studienchemotherapie aus den verschiedensten Gründen, einschließlich des Fortschreitens der Erkrankung, weiterhin mit Trastuzumab therapiert.
Fazit
In der HERNATA-Studie konnte bei Patientinnen mit fortgeschrittenem HER2-positivem Mammakarzinom keine überlegene Wirksamkeit von Docetaxel plus Trastuzumab gegenüber Vinorelbin plus Trastuzumab belegt werden. Da unter Docetaxel jedoch mehr toxische Nebenwirkungen auftraten, sollte die Kombination aus Vinorelbin und Trastuzumab in der First-Line-Therapie des HER2-positiven fortgeschrittenen Mammakarzinoms nach Ansicht der Studienautoren als eine Alternative mit einem guten Nutzen-Risiko-Verhältnis in Betracht gezogen werden.
Quelle
Andersson M, et al. Phase III randomized study comparing docetaxel plus trastuzumab with vinorelbine plus trastuzumab as first-line therapy of metastatic or locally advanced human epidermal growth factor receptor 2-positive breast cancer: the HERNATA study. J Clin Oncol 2010; DOI: 10.1200/JCO.2010.30.8213.
AGO-Empfehlung
Aufgrund der o. g. Studienergebnisse bewertet die Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Onkologie e. V. (AGO) die First-Line-Therapie mit Trastuzumab in Kombination mit Vinorelbin beim HER2-positiven metastasierten Mammakarzinom in ihrer aktuellen Leitlinie mit „++“.
(Quelle:www.ago-online.de 2011)
Arzneimitteltherapie 2011; 29(05)