Dr. med. Peter Stiefelhagen, Hachenburg
Schätzungen zufolge tritt bei fast jedem fünften Patienten im Krankenhaus während seiner Behandlung eine unerwünschte Arzneimittelwirkung auf. Während bei einer zunächst unklaren Leberwerterhöhung in der Regel sofort an eine medikamentöse Ursache gedacht wird, ist das Thema „pulmonale Nebenwirkungen“ nicht so präsent, weshalb diese häufig übersehen oder verzögert diagnostiziert werden. Wie die Präsentationen auf der diesjährigen Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e.V., die vom 7. bis 10. April 2011 in Dresden stattfand, zeigen, sind pulmonale Nebenwirkungen jedoch von großer Relevanz.
Allgemein bekannt ist das medikamentös, genauer gesagt durch Acetylsalicylsäure (ASS) oder nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR), induzierte Asthma bronchiale, das – wie auch das Anstrengungsasthma – den intrinsischen Asthmaformen zugeordnet wird. Häufiger sind allerdings medikamentös induzierte interstitielle Parenchymveränderungen, wobei eine Vielzahl histomorphologischer Reaktionsmuster beschrieben ist. Das Spektrum reicht vom einfachen Ödem und Hämorrhagien über zelluläre Infiltrate (diffus, lymphozytär, eosinophil, riesenzellig) bis hin zu fibrosierenden und granulomatösen Veränderungen. Entsprechend variiert auch der Befund im Röntgenbild oder im hochauflösenden CT (HRCT). Neben interstitiellen Infiltraten wie bei einer exogen allergischen Alveolitis können auch COP-ähnliche Veränderungen (COP: kryptogene organisierende Pneumonie) oder Bilder wie bei einer idiopathischen Lungenfibrose auftreten.
Die Liste der infrage kommenden Medikamente ist ebenfalls sehr lang. Sie reicht nahezu über das gesamte Alphabet – von A wie Amitriptylin und Amiodaron über B wie Bleomycin und Busulfan und C wie Cyclophosphamid und Carbamazepin bis hin zu Methotrexat, Phenytoin und Sulfasalazin. Erfreulicherweise gibt es inzwischen eine Website (www.Pneumotox.com), die einen aktuellen Überblick über mögliche „Übeltäter“ gibt und jedem interessierten Arzt zur Verfügung steht.
Doch warum ist die Zuordnung bzw. die Diagnosestellung im klinischen Alltag oft so schwierig? Sicherlich liegt es daran, dass viele der infrage kommenden Medikamente bei Patienten mit eventuellen pulmonalen Komorbiditäten eingesetzt werden. So wird eine Amiodaron-Therapie oft bei Patienten mit Herzinsuffizienz eingeleitet. Verschlechtert sich die Dyspnoe, wird zunächst an eine Lungenstauung gedacht, und auch röntgenologisch lässt sich eine solche nicht immer ohne Weiteres von einer Amiodaron-induzierten Lungenfibrose abgrenzen. Erst wenn eine Intensivierung der diuretischen Medikation keine Besserung bringt, wird an das auslösende Medikament gedacht. Auch eine COP, ebenfalls eventuell durch Amiodaron verursacht, wird leicht als Pneumonie fehlinterpretiert. Bei Patienten mit einer rheumatoiden Arthritis können entsprechende Lungenveränderungen sowohl durch die Grunderkrankung als auch durch Methotrexat verursacht sein. Und bei Patienten mit malignen Erkrankungen muss bei Manifestation einer Lungenerkrankung neben einer Lymphangiosis carcinomatosa auch eine Chemotherapie-induzierte Lungenfibrose diskutiert werden. Dazu kommt, dass man diesen oftmals schwerkranken Patienten nicht immer eine invasive pulmonale Diagnostik zumuten kann und will, so dass der klinischen Bewertung meist Vorrang eingeräumt werden muss. Oft reicht aber – wie häufig in der Medizin – einfach schon das „Daran denken“! Damit gelingt bei vielen Betroffenen schon allein durch das Absetzen des Medikaments eine kausale Therapie.
Literatur
Lazarou J, et al. Incidence of adverse drug reactions in hospitalized patients: a meta-analysis of prospective studies. JAMA 1998;279:1200–5.
Foucher P, et al. Pneumotox on the web. www.pneumotox.com (Letzter Zugriff am 14.04.2011).
Camus P, et al. Drug-induced infiltrative lung disease. Eur Respir 2001;18(Suppl 32):93s–100s.
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