Dupuytren'sche Kontraktur

Enzym löst überschüssiges Kollagen auf


Bettina Christine Martini, Legau

Mit einer lokalen Injektion von mikrobieller Kollagenase aus Clostridium histolyticum direkt in einen Dupuytren’schen Strang kann die Struktur des Strangs aufgebrochen werden. In einer großen Phase-III-Studie wurde durch die Kollagenase bei 64% der Patienten eine Verringerung der Kontraktur auf 5° oder weniger erreicht. Das neue Arzneimittel ist zugelassen zur Behandlung der Dupuytren’schen Kontraktur mit tastbarem Strang. Es wurde bei einem Pressegespräch der Firma Pfizer Pharma vorgestellt.

Bei der Dupuytren’schen Kontraktur handelt es sich um eine Beugekontraktur der Finger (v. a. der Finger IV und V), die durch eine langsam fortschreitende bindegewebig-derbe Verhärtung und Schrumpfung der Palmaraponeurose mit Bildung von Knötchen und Strängen bedingt ist. Die Erkrankung tritt meist jenseits des fünften Lebensjahrzehnts auf, wobei Männer häufiger betroffen sind als Frauen.

In Abhängigkeit vom Schweregrad kann die Beugung bei alltäglichen Verrichtungen erheblich stören. Wenn eine Therapie nötig und gewünscht ist, wird heute in der Regel versucht, den Strang chirurgisch zu entfernen – in Deutschland meist durch eine partielle Fasziektomie. Ein solcher invasiver Eingriff ist mit entsprechenden Risiken, beispielsweise Nervenverletzungen, verbunden und das Rezidivrisiko ist hoch. Als weniger invasive Methode kommt eine perkutane Nadelfasziotomie infrage. Diese Behandlung ist jedoch nur bei leichtgradigen Dupuytren’schen Kontrakturen sinnvoll, und die Rezidivrate ist noch höher als bei der Operation.

Injektion von Kollagenase aus Clostridium histolyticum

Seit März 2011 steht für Patienten mit tastbarem Strang eine neue Therapiemöglichkeit zur Verfügung. Ein Gemisch von zwei Kollagenasen aus Clostridium histolyticum (Xiapex®) wird direkt in den Strang injiziert (Abb. 1). Die Kollagenasen sind in der Lage, Kollagen abzubauen. Ziel ist es, die Struktur des Strangs aufzubrechen. Die Injektion kann ambulant durchgeführt werden. Etwa 24 Stunden nach der Injektion sollte vom Arzt eine Extension des Fingers durchgeführt werden, um die Lösung des Strangs zu unterstützen oder ein Reißen des Strangs zu erreichen; bei dieser Prozedur ist eine lokale Betäubung sinnvoll.

Abb. 1. Injektion von Kollagenase aus Clostridium histolyticum bei Dupuytren’scher Kontraktur

Wirksamkeit und Verträglichkeit der mikrobiellen Kollagenase wurden unter anderem in der Phase-III-Studie CORD I (Collagenase option for reduction of Dupuytren’s) untersucht.

CORD-I-Studie

Studiendesign

An der prospektiven, randomisierten Doppelblindstudie nahmen 308 Patienten mit Dupuytren’scher Kontraktur teil. Bei allen Patienten bestand eine Beugekontraktur von 20 bis 100° im Grund- oder Mittelgelenk eines Fingers. Die Patienten konnten den betroffenen Finger und die Handinnenfläche nicht gleichzeitig flach auf den Tisch legen (positiver Table-Top-Test). Den Patienten der Verum-Gruppe (n=204) wurden 0,58 mg mikrobielle Kollagenase aus Clostridium histolyticum in den kontrakturauslösenden Strang injiziert. Bei den Patienten der Kontrollgruppe (n=104) injizierten die Ärzte eine Plazebo-Lösung (Trägerlösung ohne Wirkstoff) in den Strang. 24 Stunden nach der Injektion erfolgte eine passive Extension des Strangs. Die Patienten erhielten eine Schiene, die sie nachts tragen sollten, aber keine physikalische Therapie. Die Injektion konnte zweimal wiederholt werden, jeweils mit einem Abstand von 30 Tagen. Pro Patient wurden maximal drei Gelenke nacheinander behandelt. Der primäre Endpunkt war definiert als der Anteil der Patienten, bei denen 30 Tage nach der letzten Injektion eine Verringerung der Beugekontraktur des Primärgelenks auf 5° oder weniger erreicht wurde.

Wirksamkeit

Der primäre Endpunkt wurde bei 64,0% der mit mikrobieller Kollagenase behandelten Patienten und bei 6,8% der Patienten der Plazebo-Gruppe erreicht (p<0,001). Eine klinische Verbesserung der Gelenkkontraktur wurde nach Injektion von mikrobieller Kollagenase bei 84,7% der Patienten dokumentiert, nach Injektion von Plazebo bei 11,7% der Patienten. Nach 90 Tagen war bei den erfolgreich mit mikrobieller Kollagenase behandelten Gelenken kein Rezidiv aufgetreten. Daten zur Häufigkeit von Rezidiven bei längeren Nachbeobachtungszeiten werden noch erwartet.

Verträglichkeit

Unerwünschte Ereignisse, die in Zusammenhang mit der Behandlung standen, wurden von 96,6% der Patienten der Verum-Gruppe und von 21,2% der Patienten der Plazebo-Gruppe berichtet. Dabei handelte es sich vor allem um lokale Nebenwirkungen wie Ödeme (72,5 [Verum] vs. 3,8% [Plazebo]), kontusionsartige Verletzungen (51,0 vs. 1,9%), Hämatome und Schmerzen an der Injektionsstelle (37,3 bzw. 32,4% vs. 3,8 bzw. 4,8%) sowie um Schmerzen im Bereich der oberen Extremität (30,9 vs. 2,9%). Die meisten unerwünschten Ereignisse waren leicht oder mäßig schwer und gingen ohne Behandlung innerhalb von zehn Tagen zurück. Schwere unerwünschte Ereignisse traten bei 22 Patienten auf (20 vs. 2). In drei Fällen wurden therapiebedingte schwerwiegende unerwünschte Ereignisse beobachtet: zwei Sehnenrupturen und ein komplexes regional begrenztes Schmerzsyndrom (sympathische Reflexdystrophie).

Eine neue Therapiemöglichkeit, aber kein Wundermittel

Es klingt und ist attraktiv: eine Injektion, die den störenden Strang innerhalb von 24 Stunden auflöst, anstelle einer invasiven Operation. Dennoch warnen die Experten vor zu hohen Erwartungen: Es müsse erst eine Standortbestimmung erfolgen, und eine „Heilung“ sei auch mit dieser Methode nicht zu erwarten. Eine Anwendung des neuen Arzneimittels kommt nur dann infrage, wenn die Voraussetzungen der Zulassung erfüllt sind – es ist zugelassen für eine Dupuytren’sche Kontraktur mit tastbarem Strang; eine frühere Anwendung, etwa um den Krankheitsverlauf zu beeinflussen, ist nach bisherigen Erkenntnissen nicht möglich.

Die Kollagenase greift zwar kein Nervengewebe an, aber Sehnenrupturen waren in den klinischen Studien eine seltene, aber schwerwiegende Komplikation. Sehnenrupturen traten vor allem am kleinen Finger auf; daher sollte bei der Behandlung von Kontrakturen, die den kleinen Finger betreffen, die Injektion maximal 4 mm distal der palmaren Fingerfurche erfolgen.

In Deutschland gibt es noch wenige Erfahrungen zur Anwendung der Kollagenase, da hier keine der Studien durchgeführt wurde. Die Injektion soll von erfahrenen Chirurgen oder Orthopäden ausgeführt werden. Die wichtigste Voraussetzung für eine korrekte und sichere Anwendung des Arzneimittels ist das Wissen über die pathologische Anatomie der Hand bei einer Dupuytren’schen Kontraktur. Die Arzneimittelkosten für eine Injektion liegen bei 1150 Euro.

Quellen

Prof. Dr. Max Haerle, Markgröningen, Dr. med. Jörg Witthaut, Vogtareuth, Dr. med. Alexander Biedermann, Berlin. Pressegespräch „Xiapex® – erste Injektionstherapie mit erwiesener Wirksamkeit bei Dupuytren’scher Kontraktur mit tastbarem Strang“, veranstaltet von Pfizer Pharma GmbH am 28. Juni 2011 in München.

Hurst LC, et al. Injectable collagenase clostridium histolyticum for Dupuytren’s contracture. N Engl J Med 2009;361:968–79.

Arzneimitteltherapie 2011; 29(11)