Mammakarzinom

Schützt Triptorelin vor Chemotherapie-bedingter Menopause?


Dr. Katja Noack, Schwieberdingen

Der Verlust der Ovarfunktion und Fertilität durch Zytostatikatherapie stellt für Frauen im gebärfähigen Alter eine enorme Einschränkung der Lebensqualität dar. Eine pharmakologische Option zur Ovarprotektion könnten Gonadoliberin-(GnRH-)Analoga sein. Die Ergebnisse einer italienischen Phase-III-Studie zeigen, dass Triptorelin bei Brustkrebspatientinnen mit adjuvanter oder neoadjuvanter Chemotherapie eine vorzeitige Menopause verhindern kann; Ergebnisse zu tatsächlichen Schwangerschafts- und Geburtsraten sowie zum Verlauf der Brustkrebserkrankung liegen aber noch nicht in ausreichendem Maße vor.

GnRH-Analoga bewirken eine Down-Regulation der GnRH-Rezeptoren in der Hypophyse. Sie hemmen so die Sekretion von luteinisierendem Hormon (LH) und Follikel-stimulierendem Hormon (FSH) und verhindern dadurch die Eizellreifung. Es wird vermutet, dass GnRH-Analoga die Primordialfollikel durch die provozierte Funktionsruhe der Ovarien vor der irreversiblen Schädigung durch Zytostatika bewahren können. Kleine klinische Studien lieferten erste Hinweise, allerdings blieb die Datenlage insgesamt widersprüchlich. Nun liegen die Ergebnisse der bislang größten Studie mit GnRH-Analoga zum Erhalt der Ovarfunktion bei Chemotherapie vor [1].

Studienziel

In der PROMISE-GIM6-Studie (Prevention of menopause induced by chemotherapy: A study in early breast cancer patients – Gruppo Italiano Mamella 6) wurde geprüft, welchen Einfluss das GnRH-Analogon Triptorelin auf das Ausbleiben der Menstruation bei adjuvanter und neoadjuvanter Chemotherapie von Brustkrebspatientinnen hat.

Studiendesign

An der offenen randomisierten Studie nahmen 281 prämenopausale Mammakarzinom-Patientinnen (Stadium 1–3, keine Metastasen) teil, die bislang weder eine Strahlen- noch eine Chemotherapie bekommen hatten. Sie waren durchschnittlich 39 (24–45) Jahre alt. Die Patientinnen erhielten entweder nur eine Chemotherapie oder eine kombinierte Therapie aus Zytostatika und 3,75 mg Triptorelin alle vier Wochen intramuskulär. Die erste Triptorelin-Gabe erfolgte mindestens eine Woche vor Beginn der Chemotherapie und endete mit der letzten Gabe des Therapiezyklus.

Patientinnen mit Hormon-sensitivem Tumor erhielten nach Beendigung der Chemotherapie über fünf Jahre Tamoxifen. Setzte im ersten Beobachtungsjahr unter Tamoxifen eine Menstruation ein, so erhielten diese Patientinnen im Rahmen der endokrinen Therapie zusätzlich alle vier Wochen 3,75 mg Triptorelin, bis eine Unterdrückung der Ovarfunktion für mindestens zwei Jahre erreicht war.

Primärer Endpunkt der Studie war eine vorzeitige Menopause. Als solche wurde entsprechend der Definition der WHO eine mindestens 12 Monate dauernde Amenorrhö gewertet. Wenn die Labordaten verfügbar waren, galten außerdem postmenopausale FSH- und Estradiol-Werte als Indikator des verfrühten Klimakteriums. Hingegen wurden prämenopausale Estradiol-Werte oder eine erkennbare Menstruation als Zeichen funktionierender Ovarien gewertet.

Die Patientinnen wurden nach drei, sechs, neun und zwölf Monaten untersucht. An die einjährige Beobachtung zur Erhebung des primären Endpunkts schließen sich jährliche Untersuchungen zur Kontrolle der Langzeitauswirkungen an.

Ergebnisse

Das Risiko für eine vorzeitige Menopause wurde durch Triptorelin signifikant gesenkt. Während in der Kontrollgruppe 25,9% der 133 Patientinnen betroffen waren, blieb die Menstruation nur bei 8,9% der 148 Frauen mit Triptorelin-Behandlung aus (p<0,001). Dies entspricht einem Unterschied von 17 Prozentpunkten. Das Ergebnis war weder von der Art der Chemotherapie noch vom Alter der Patientinnen abhängig.

Allerdings beeinflusste der Hormonstatus des Tumors beziehungsweise die Behandlung mit Tamoxifen das Ergebnis. Der Anteil Hormonrezeptor-positiver Tumoren war in beiden Gruppen nahezu gleich (Kontrollgruppe 82%, Triptorelin-Gruppe 79%). Während die Menstruation bei Hormonrezeptor-negativen Patientinnen nach Triptorelin-Behandlung zu 93% wieder einsetzte, war dies bei Hormonrezeptor-positiven Tumoren nur bei 55% der Fall.

Die entsprechenden Subgruppenanalysen, ergaben, dass das Risiko einer verfrühten Menopause durch Triptorelin bei den 226 Hormonrezeptor-positiven Patientinnen um 14,9 Prozentpunkte, bei den 51 Hormonrezeptor-negativen Patientinnen um 27,9 Prozentpunkte gesenkt wurde.

Die Ergebnisse bestätigen zudem, dass eine Tamoxifen-Therapie die Wahrscheinlichkeit einer Amenorrhö verstärkt.

Diskussion

Gegenüber der aktuell üblichen Kryokonservierung von Oozyten, Ovarialgewebe oder Embryonen stellen GnRH-Analoga eine rein pharmakologische Option dar, um die Ovarfunktion trotz Chemotherapie zu bewahren. In der PROMISE-GIM6-Studie konnte Triptorelin das Risiko einer frühen Menopause deutlich verringern. Offen bleibt jedoch, inwiefern sich aus einer vorhandenen Menstruation und entsprechenden Hormonspiegeln eine Prognose auf die tatsächliche Ovarfunktion und Fertilität ableiten lässt. Auch die spätere Abort- und Missbildungsrate ist bisher nicht bekannt.

Schwangerschaften und Schwangerschafts-assoziierte Komplikationen der Studienteilnehmerinnen der vorliegenden Studie werden weiterhin erfasst. Bis Oktober 2010 wurde in der Kontrollgruppe eine ausgetragene Schwangerschaft dokumentiert, in der Triptorelin-Gruppe drei Schwangerschaften, wovon eine ebenfalls vollständig ausgetragen wurde; in einem Fall kam es zu einer Frühgeburt und in einem Fall wurde die Schwangerschaft freiwillig abgebrochen. Die Langzeitergebnisse dieser Studie müssen für eine endgültige Empfehlung abgewartet werden.

Unklar ist auch die Auswirkung der Triptorelin-Behandlung auf den weiteren Verlauf der Brustkrebserkrankung. Bei manchen Tumoren ist die ausbleibende Menstruation mit einem Überlebensvorteil assoziiert. In diesen Fällen könnte sich eine begleitende Therapie mit GnRH-Analoga negativ auswirken. Bislang sind in der Kontrollgruppe 13 Rezidive und 3 Todesfälle aufgetreten gegenüber 14 Rezidiven und 8 Todesfällen in der Triptorelin-Gruppe.

Die Studienautoren folgern, dass Triptorelin jungen Mammakarzinom-Patientinnen mit dem Wunsch nach einer normalen Ovarfunktion nach Chemotherapie empfohlen werden kann. In einem Kommentar [2] wird allerdings gewarnt, dass Triptorelin wegen der noch nicht überzeugenden Datenlage vorsichtig eingesetzt werden sollte. Dies gelte besonders für Hormon-sensible Patientinnen.

Bisher ist weder Triptorelin noch ein anderes GnRH-Analogon zur begleitenden ovarprotektiven Therapie bei Brustkrebs zugelassen. Die ovarsuppressive Wirkung von Triptorelinacetat (Decapeptyl® Gyn, Decapeptyl® IVF) ist Grundlage für den Einsatz bei symptomatischer Endometriose, als präoperative Maßnahme bei symptomatischem Uterus myomatosus und zur Verhinderung vorzeitiger LH-Anstiege im Rahmen der assistierten Reproduktionsbehandlung.

Quellen

1. Del Mastro, et al. Effect of the gonadotropin-releasing hormone analogue triptorelin on the occurrence of the chemotherapy-induced early menopause in premenopausal women with breast cancer. JAMA 2011;306:269–76.

2. Rugo HS, Rosen MP. Reducing the long-term effects of chemotherapy in young women with early-stage breast cancer. JAMA 2011;306:312–4.

Arzneimitteltherapie 2011; 29(11)