Dr. Susanne Heinzl, Reutlingen
In der von der kardiologischen Abteilung der Universität von Ferrara finanzierten PRODIGY-Studie wurden offen und randomisiert in drei Zentren Wirksamkeit und Verträglichkeit einer auf bis zu 24 Monate verlängerten Therapie mit Acetylsalicylsäure plus Clopidogrel untersucht. In die Studie wurden Patienten ab 18 Jahren mit koronarer Herzkrankheit oder akutem Koronarsyndrom aufgenommen, die einen Stent erhalten sollten. Je etwa ein Viertel der Patienten erhielt randomisiert einen Stent, der Everolimus, Paclitaxel oder Zotarolimus freisetzte, oder einen reinen Metallstent der dritten Generation. Sie wurden 30 Tage nach Implantation des Stents in die Gruppen mit sechsmonatiger (n=983) oder 24-monatiger (n=987) dualer Antikoagulanzien-Therapie mit Acetylsalicylsäure und Clopidogrel randomisiert. Primärer Endpunkt war die Kombination aus Gesamtsterblichkeit, nichttödlichem Myokardinfarkt oder zerebrovaskulärem Ereignis.
Die beiden Gruppen waren gut vergleichbar, das Durchschnittsalter lag bei 68 Jahren, etwa 75% waren Männer, 25% litten an einem Diabetes mellitus. Bei 25% der Patienten lag eine stabile koronare Herzkrankheit vor, rund 75% litten an einem akuten Koronarsyndrom. Im Mittel erhielten die Patienten 1,9 Stents mit einer Gesamtlänge von 30 mm implantiert. Die Compliance war gut, rund 95% der Patienten in der Langzeitgruppe nahmen nach 24 Monaten noch ihre Medikamente.
Kein Unterschied bei langer Therapie
Das kumulierte Risiko für den primären Endpunkt betrug nach zwei Jahren in der Langzeitgruppe 10,1% und in der Gruppe mit sechsmonatiger Therapie 10,0% (Hazard-Ratio [HR] 0,98; 95%-Konfidenzintervall 0,74–1,29; p=0,91) (Abb. 1).

Abb. 1. PRODIGY-Studie: Primärer Endpunkt (Kombination aus Gesamtsterblichkeit, nichttödlichem Myokardinfarkt und zerebrovaskulärem Ereignis)
Auch die einzelnen Komponenten des primären Endpunkts unterschieden sich zwischen den beiden Gruppen nicht. In den verschiedenen Subgruppen konnten ebenfalls keine Unterschiede zwischen kurzer und langer Behandlung gesehen werden.
Bei den über zwei Jahre behandelten Patienten waren das Risiko für Blutungsereignisse und der Bedarf an Erythrozytentransfusionen jedoch signifikant erhöht (HR 0,46; p=0,00018).
Diskussion
Nach Diskutant Adnan Kastrati, München, waren Schwächen der Studie das offene Design, die Randomisierung nach 30 Tagen und nicht nach sechs Monaten sowie die relativ begrenzte Zahl der Patienten (n = 1970).
Als Stärken sah er die Industrieunabhängigkeit, die weiten Einschlusskriterien, den Einschluss einer Gruppe mit einem Metallstent, die gute Compliance der Patienten und die hohe Follow-up-Rate. Die Bedeutung der PRODIGY-Ergebnisse sieht Kastrati vor allem darin, dass sie einen weiteren Sieg gegen den größten Feind von Arzneimittel-freisetzenden Stents bedeuten, nämlich die falsch eingeschätzte Notwendigkeit einer endlosen dualen Antikoagulanzien-Therapie.
Fazit
In der PRODIGY-Studie konnte kein Nutzen einer Verlängerung der Behandlung mit Acetylsalicylsäure plus Clopidogrel von sechs Monaten auf zwei Jahre bei Patienten nach Stentimplantation bewiesen werden. Die Ergebnisse stellen damit die derzeitigen Empfehlungen infrage, nach denen solche Patienten mindestens 12 Monate mit einer dualen Antikoagulanzien-Therapie behandelt werden sollten.
Quellen
Valgimigli M. PRODIGY: Randomized comparison of six versus twenty-four months clopidogrel therapy after balancing anti-intimal hyperplasia stent potency in all comer patients undergoing percutaneous coronary intervention. Results of the PRODIGY trial. ESC Paris, 30. August 2011.
Kastrati A. Diskutant. ESC Paris, 30. August 2011.
Arzneimitteltherapie 2011; 29(11)