Barbara Kreutzkamp, Hamburg
Die chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD) ist einer der häufigsten Gründe für Morbidität und Mortalität weltweit. Eine adäquate Diagnostik und Behandlung sowie praktikable Präventionsmaßnahmen sind daher von großem Interesse. Im Jahr 1998 wurde die Global Initiative for Chronic Obstructive Lung Disease (GOLD) gegründet, eine Kooperation des US-amerikanischen National Heart, Lung, and Blood Institute (NHLBI), der National Institutes of Health (NIH) und der World Health Organization (WHO). 2001 entwickelte die Organisation das erste Konsensuspapier „Global Strategy for the Diagnosis, Management and Prevention of COPD“. Seit 2003 wird das Konsensuspapier in Einjahresabständen an den jeweiligen Wissensstand angepasst und kann unter www.goldcopd.org eingesehen werden. Eine Übersicht über die Neuerungen im Update 2011 gibt Infokasten 1.
Infokasten 1: GOLD-COPD-Update 2011 – das ist neu:
- Um die Diagnose COPD sicher stellen zu können, muss eine Spirometrie durchgeführt werden. Früher diente die Untersuchung lediglich zur Unterstützung der Diagnose.
- Eine persistierende Einschränkung des Atemflusses und damit eine COPD liegt definitionsgemäß bei einem postbronchodilatatorisch ermittelten Quotienten aus Einsekundenkapazität (forciertem exspiratorischem Volumen in der ersten Sekunde, FEV1) und forcierter Vitalkapazität (FVC) von <0,70 vor; die Schweregradeinteilung der Atemflussbehinderung erfolgt anhand der FEV1 (GOLD 1–4). Der schwerste Krankheitsgrad GOLD 4 schließt nicht mehr das respiratorische Versagen ein.
- Ein neues Kapitel mit evidenzbasierten Informationen zu medikamentösen und nichtmedikamentösen Behandlungen wurde aufgenommen.
- Das Management der COPD wird in drei getrennten Kapiteln dargestellt: Management der stabilen COPD, Management von Exazerbationen und Management der wichtigsten Komorbiditäten.
- Bei den COPD-Risikofaktoren steht das Zigarettenrauchen nach wie vor an erster Stelle. Hinzugekommen sind weitere exogene Faktoren wie Staub und Chemikalien sowie Innenraumverschmutzung beispielsweise durch Kochen an offenen Feuerstellen in schlecht belüfteten Küchen.
- Die FEV1 ist als alleinige Variable für die Beschreibung des Krankheitsstatus eher ungeeignet und sollte nicht mehr isoliert betrachtet werden. Das Management der stabilen COPD sollte sich vielmehr an der Krankheitslast und den Aktivitätseinschränkungen der Patienten sowie dem Risiko für einen Progress bzw. Exazerbationen ausrichten.
Der vorliegende Beitrag konzentriert sich auf die medikamentöse Therapie der COPD. Auf ebenso wichtige Maßnahmen wie die regelmäßige Beratung zum Wesen der Erkrankung und zur Ernährung beispielsweise bei Unter- oder Übergewicht, Anleitungen zu körperlichen Übungen sowie nichtmedikamentöse Optionen wie Sauerstofftherapie oder operative Verfahren und die Behandlung wichtiger Komorbiditäten wird hier nicht eingegangen.
Krankheitscharakteristika, Einteilung nach Schweregrad und Risiken
Die COPD ist eine chronisch progrediente Erkrankung, die durch eine permanente Einschränkung des Atemflusses verbunden mit einer chronischen Entzündung der Atemwege als Reaktion auf inhalative Noxen gekennzeichnet ist. Infolge der chronischen Entzündung kommt es zu Umbauprozessen der Atemwege (Parenchymverlust, Fibrosierung) und vermehrter Schleimproduktion und damit zu einer strukturellen und funktionellen Obstruktion der Atemwege. Exazerbationen und Komorbiditäten wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Diabetes mellitus verschlechtern das Krankheitsbild zusätzlich. Die Prävalenz der COPD steigt ab dem 40. Lebensjahr. Männer sind häufiger betroffen als Frauen. Auslöser sind kumulative inhalative Noxen wie Zigarettenrauchen, in weniger entwickelten Ländern kommen exogene inhalative Noxen im Rahmen der beruflichen Tätigkeit oder durch Kochen am offenen Feuer in unzureichend belüfteten Räumen hinzu. Prädisponierend für die Erkrankung sind unter anderem eine genetische Veranlagung und eine verminderte Lungenfunktion aufgrund einer Entwicklungsstörung.
Wegweisend bei der Diagnosestellung sind klinische Symptome wie Dyspnoe und chronischer Husten; die Diagnosesicherung erfolgt anhand spirometrischer Daten: Ein postbronchodilatatorisch ermittelter Quotient aus Einsekundenkapazität (forciertem exspiratorischem Volumen in der ersten Sekunde, FEV1) und forcierter Vitalkapazität (FVC) von weniger als 0,70 ist Zeichen einer persistierenden Beeinträchtigung des Atemflusses und damit einer COPD. Die Klassifikation des Schweregrads der Atemflussbeeinträchtigung richtet sich nach der Einsekundenkapazität und umfasst vier Stufen (GOLD 1–4; siehe Tabelle 1).
Tab. 1. Klassifikation des Schweregrads der Atemflussbehinderung bei COPD
Schweregrad |
FEV1* [% vom Soll] |
FEV1/FVC* |
GOLD 1 (leicht) |
≥80% |
<0,70 |
GOLD 2 (mittel) |
50 bis <80% |
<0,70 |
GOLD 3 (schwer) |
30 bis <50% |
<0,70 |
GOLD 4 (sehr schwer) |
<30% |
<0,70 |
*postbronchodilatatorisch; FEV1: forciertes exspiratorisches Volumen in der ersten Sekunde, auch Einsekundenkapazität; FVC: forcierte Vitalkapazität
Die Behandlung sollte sich nicht allein an den spirometrischen Daten (GOLD 1–4) orientieren, sondern es sollten auch das Ausmaß der Symptome und das Risiko für Exazerbationen einbezogen werden:
- Das Ausmaß der Symptome sollte anhand des mMRC-Fragebogens oder des CAT beurteilt werden („wenig Symptome“: mMRC 0–1 bzw. CAT <10; „mehr Symptome“: mMRC ≥2 bzw. CAT ≥10; siehe Infokasten 2).
- Das Risiko für Exazerbationen wird anhand des Schweregrads der COPD (GOLD 1 oder 2: geringes Risiko; GOLD 3 oder 4: hohes Risiko) bzw. der Anzahl der Exazerbationen im Vorjahr (<2 Exazerbationen: geringes Risiko; ≥2 Exazerbationen: hohes Risiko) festgelegt; weichen die anhand der beiden Kriterien ermittelten Risikobewertungen voneinander ab, gilt das schlechtere Ergebnis.
Entsprechend der individuellen Risikokonstellation werden die Patienten in vier Gruppen eingeteilt:
- Gruppe A: Typischerweise GOLD 1 oder 2 (Tab. 1), wenig Symptome, geringes Risiko für Exazerbationen
- Gruppe B: Typischerweise GOLD 1 oder 2, mehr Symptome, geringes Risiko für Exazerbationen
- Gruppe C: Typischerweise GOLD 3 oder 4, wenig Symptome, hohes Risiko für Exazerbationen
- Gruppe D: Typischerweise GOLD 3 oder 4, mehr Symptome, hohes Risiko für Exazerbationen
Infokasten 2: Messsysteme zur Beurteilung des Symptomausmaßes bei COPD
mMRC-Fragebogen (Modified British Medical Research Council Questionnaire): Beurteilung der Einschränkung des Patienten aufgrund von Atemnot; Grad 0 (Atemnot nur bei starker Belastung) bis Grad 4 (Atemnot so stark, dass die Wohnung nicht mehr verlassen werden kann; Atemnot bereits beim An- und Ausziehen); ermöglicht eine Beurteilung des Einflusses der Erkrankung auf das tägliche Leben und Wohlbefinden des Patienten
CAT (COPD Assessment Test): Beurteilung der Einschränkung des Gesundheitsstatus anhand von 8 Kriterien; Score von 0–40
Behandlung
Rauchstopp
Das Aufgeben des Rauchens ist die wichtigste Maßnahme, um das Fortschreiten der Erkrankung zu verlangsamen. Neben regelmäßigen kurzen Aufklärungsgesprächen stehen pharmakotherapeutische Optionen zur Verfügung, die den Behandlungserfolg weiter verbessern können: Nicotinersatzbehandlungen (Kaugummi, Pflaster, Spray) sowie die Arzneimittel Vareniclin, Bupropion und Nortriptylin (Tab. 2). Eine Kombination von Nicotinpflastern mit den Arzneistoffen ist möglich.
Tab.2. Arzneistoffe, die bei COPD zur Anwendung kommen (Auswahl)
Gruppe |
Arzneistoffe |
Handelsnamen (Beispiele)* |
Kurzwirksame inhalierbare Beta2-Sympathomimetika: |
Fenoterol |
Berotec® |
Salbutamol |
Sultanol® |
|
Terbutalin |
Aerodur® |
|
Langwirksame inhalierbare Beta2-Sympathomimetika: |
Formoterol |
Foradil®, Oxis® |
Salmeterol |
Serevent® |
|
Indacaterol |
Onbrez® |
|
Kurzwirksame Anticholinergika: |
Ipratropiumbromid |
Atrovent® |
Langwirksame Anticholinergika: |
Tiotropiumbromid |
Spiriva® |
Methylxanthine: |
Theophyllin |
Bronchoretard® |
Inhalierbare Glucocorticoide: |
Beclomethasondipropionat |
Ventolair® |
Budesonid |
Pulmicort® |
|
Fluticason |
Flutide® |
|
Systemische Glucocorticoide: |
Prednisolon |
Decortin®H |
Phosphodiesterase-4-Inhibitoren: |
Roflumilast |
Daxas® |
Mukolytika: |
Carbocistein |
Transbronchin® |
Acetylcystein |
Fluimucil® |
|
Arzneimittel zur Raucherentwöhnung: |
Vareniclin |
Champix® |
Bupropion |
Zyban® |
*in der GOLD-Empfehlung werden keine Handelsnamen angegeben
Arzneimittel für die COPD-Therapie
Alle zur Verfügung stehenden Arzneimittel wirken symptomatisch. Sie werden zur Verbesserung der Symptome, zur Reduktion der Häufigkeit und Schwere von Exazerbationen sowie zur Verbesserung der körperlichen Belastbarkeit eingesetzt. Ob die Therapeutika die langfristige Verschlechterung der Lungenfunktion aufhalten können, ist bisher nicht geklärt bzw. in adäquaten Studien dokumentiert. Arzneistoffe aus acht Klassen mit unterschiedlichem Wirkungsmechanismus stehen zur Verfügung (s. u.), so dass eine dem Schwergrad und den Risikofaktoren angepasste Behandlung möglich ist.
Die wichtigsten Applikationswege sind die inhalative und die orale Route. Bei inhalativer Verabreichung sollte die korrekte Ausführung der Inhalation mit dem verordneten Gerät zur Applikation (Spray eventuell plus Spacer, Pulverinhalator, Vernebler) regelmäßig überprüft werden.
Bronchodilatatoren
Bronchodilatatoren vermindern den Tonus der glatten Muskulatur und steigern dadurch die FEV1 und andere spirometrische Variablen. Bronchodilatatoren werden entweder bei Bedarf oder als Dauermedikation zur Prophylaxe oder Reduktion von Symptomen verordnet (Evidenz A, Übersicht siehe Infokasten 3). Die Gruppe der Bronchodilatatoren umfasst Beta2-Sympathomimetika, Anticholinergika und Methylxanthine (Arzneistoffe und Handelsnamenbeispiele siehe Tabelle 2).
Infokasten 3: Bronchodilatatoren in der COPD-Therapie
- Bronchodilatatoren spielen eine wichtige Rolle im Symptommanagement der COPD
- Die inhalative Applikation sollte bevorzugt werden
- Die Wahl zwischen Beta2-Sympathomimetika, Anticholinergika, Theophyllin oder einer Kombination hängt vom erzielten Effekt und den Nebenwirkungen beim individuellen Patienten ab
- Bronchodilatatoren werden als Bedarfsmedikamente oder als Dauermedikation zur Symptomprophylaxe oder -reduktion verordnet
- Um eine anhaltende Verbesserung der Symptome zu erreichen, sind langwirksame inhalierbare Bronchodilatatoren besser geeignet als kurzwirksame
- Die einzelnen Medikamentenklassen der Bronchodilatatoren können kombiniert werden, um die Symptomatik stärker zu beeinflussen oder Nebenwirkungen zu minimieren; die Kombination ist oftmals besser als die Dosissteigerung bei einer Bronchodilatator-Monotherapie
Beta2-Sympathomimetika
Beta2-Sympathomimetika stimulieren die beta2-adrenergen Rezeptoren der glatten Muskulatur, die infolgedessen relaxiert. Kurzwirksame Beta2-Sympathomimetika (z. B. Fenoterol oder Salbutamol) wirken über etwa vier bis sechs Stunden. Als Bedarfsmedikamente oder Dauermedikation eingesetzt verbessern sie Symptome und FEV1 (Evidenz B). Die zusätzliche Anwendung hoch dosierter kurzwirksamer Beta2-Sympathomimetika als Bedarfsmedikation bei bestehender Basismedikation mit langwirksamen Beta2-Sympathomimetika wird nicht empfohlen.
Langwirksame Beta2-Sympathomimetika wirken über 12 Stunden oder länger. Formoterol und Salmeterol verbessern signifikant FEV1, Lungenvolumina, Dyspnoe, gesundheitsbezogene Lebensqualität und Exazerbationsrate (Evidenz A). Mortalität und Verschlechterung der Lungenfunktion im Verlauf bleiben unbeeinflusst (Evidenz B). Das seit Ende 2009 in Europa zugelassene Indacaterol wirkt über 24 Stunden und verbessert ebenfalls signifikant FEV1, Dyspnoe und gesundheitsbezogene Lebensqualität (Evidenz A).
Die Nebenwirkungen resultieren überwiegend aus der Stimulation der beta2-adrenergen Rezeptoren. Dazu gehören (meist harmlose) Sinustachykardien bzw. Herzrhythmusstörungen und – insbesondere bei älteren Menschen – Tremor. Außerdem kann es zu Hypokaliämien, vor allem bei Kombination mit Thiazid-Diuretika, sowie einer Erhöhung des Sauerstoffverbrauchs in Ruhe kommen. Diese metabolischen Effekte treten aber meist nur zu Beginn der Behandlung auf.
Anticholinergika
Die wichtigste Wirkung von anticholinergen Arzneistoffen ist die Blockade der Acetylcholin-Effekte an muskarinergen Rezeptoren.
Kurzwirksame inhalierbare Anticholinergika (Ipratropiumbromid) haben eine längere Wirkdauer als kurzwirksame Beta2-Sympathomimetika, teilweise ist der bronchodilatatorische Effekt noch nach acht Stunden nachweisbar.
Tiotropiumbromid wirkt über 24 Stunden. Die Substanz vermindert Exazerbationen und damit verbundene Krankenhauseinweisungen und verbessert die Symptome und den Gesundheitsstatus (Evidenz A) sowie die Effektivität pulmonaler Rehabilitationsmaßnahmen (Evidenz B).
Die im Handel befindlichen inhalierbaren Anticholinergika zur COPD-Behandlung haben eine geringe systemische Verfügbarkeit, weshalb systemische Atropin-artige Nebenwirkungen vernachlässigbar sind. Die Substanzen sind in einem breiten Dosisspektrum sicher. Häufigste Nebenwirkung ist ein trockener Mund, manche Patienten verspüren einen bitteren metallischen Geschmack. Berichte über einen leichten Anstieg der Häufigkeit kardiovaskulärer Ereignisse bei regelmäßiger Applikation von Ipratropiumbromid müssen noch verifiziert werden.
Methylxanthine
Methylxanthine sind Adenosinantagonisten und wirken wahrscheinlich als nichtselektive Phosphodiesterase-Inhibitoren. Daten über die Wirkdauer bei oraler Gabe liegen für COPD-Patienten selbst bei den retardierten Zubereitungsformen nicht vor. Die Metabolisierung erfolgt über Cytochrom-P450-Isoenzyme; zunehmendes Alter, weitere physiologische Variablen und verschiedene Arzneistoffe beeinflussen die Clearance.
Das am häufigsten verordnete Methylxanthin ist Theophyllin. Alle Studien, in denen eine Wirksamkeit von Theophyllin gezeigt werden konnte, wurden mit retardierten Formulierungen durchgeführt. Wirksamkeit und Verträglichkeit waren jedoch schlechter als bei langwirksamen inhalierbaren Bronchodilatatoren – können diese angewendet werden, wird die Gabe von Theophyllin daher nicht empfohlen. Gegenüber Plazebo ergibt sich bei COPD ein mäßiger Bronchien-erweiternder Effekt (Evidenz A). Bei zusätzlicher Gabe zu Salmeterol verbessert Theophyllin FEV1 und Atemnot im Vergleich zu Salmeterol alleine (Evidenz B).
Die therapeutische Breite der Methylxanthine ist gering; Nebenwirkungen können bereits in therapeutischen Dosisbereichen auftreten. Vorhof- oder Kammerarrhythmien können möglicherweise lebensbedrohlich werden, Grand-mal-Anfälle auch bei zuvor leerer Anamnese auftreten. Weitere Nebenwirkungen sind Kopfschmerzen, Schlaflosigkeit, Übelkeit und Sodbrennen. Interaktionen bestehen unter anderem mit Digitalis und Warfarin.
Bronchodilatatorische Kombinationstherapie
Durch Kombination von Bronchodilatatoren mit unterschiedlichen Wirkungsmechanismen und Wirkdauern können sich der Bronchien-erweiternde Effekt und in der Folge die Lungenfunktion und der Gesundheitsstatus bei gleichbleibendem oder verbessertem Nebenwirkungsprofil über die Wirksamkeit der Einzelsubstanzen hinaus verstärken. So ergab sich bei kurzzeitiger Therapie mit einer Kombination von Formoterol und Tiotropiumbromid ein größerer Effekt auf die FEV1 als unter den Einzelsubstanzen (Evidenz B).
Glucocorticoide
Inhalierbare Glucocorticoide
Beim Asthma bronchiale sind der klinische Effekt und das Ausmaß der Nebenwirkungen von der applizierten Dosis und dem verwendeten Glucocorticoid abhängig. Ob dies auch bei der COPD der Fall ist, ist nicht geklärt. Insgesamt spielen Glucocorticoide in der COPD-Therapie lediglich eine untergeordnete Rolle, ihre Anwendung bleibt auf wenige Indikationen beschränkt (z. B. COPD mit asthmatischer Komponente).
Bei Patienten mit einer FEV1 kleiner als 60% des Soll-Werts kann die regelmäßige Inhalation von Glucocorticoiden Symptome, Lungenfunktion und Lebensqualität verbessern sowie die Exazerbationshäufigkeit vermindern (Evidenz A). Allerdings bleiben die langfristige Abnahme der FEV1 und das Mortalitätsrisiko dieser Patienten unter Glucocorticoid-Dauermedikation unbeeinflusst (Evidenz A).
Mögliche Nebenwirkungen sind orale Candidiasis, Heiserkeit und Blutergüsse der Haut, zudem steigt das Pneumonierisiko. Eine Langzeitbehandlung mit Triamcinolon (in Deutschland für die inhalative Therapie nicht zugelassen) kann die Knochendichte vermindern.
Kombination inhalierbarer Glucocorticoide und Bronchodilatatoren
Bei Patienten mit moderater oder schwerer COPD können durch die Kombination von inhalierbaren Glucocorticoiden mit langwirksamen Beta2-Sympathomimetika Lungenfunktion und Gesundheitsstatus effektiver verbessert und Exazerbationen reduziert werden als bei jeweils alleiniger Gabe (Evidenz B für moderate COPD, Evidenz A für schwere COPD). Möglicherweise wird auch die Mortalität durch die Kombination etwas gesenkt (Evidenz B). Allerdings steigt unter der Kombinationstherapie das Risiko für Pneumonien (Evidenz B). Die Dreifachkombination mit Tiotropiumbromid verbessert Lungenfunktion und Lebensqualität und kann darüber hinaus Exazerbationen reduzieren (Evidenz B); es sind jedoch noch weitere Studien erforderlich.
Orale Glucocorticoide
Orale Glucocorticoide sind zur Behandlung akuter Exazerbationen indiziert. Prospektive Studien zum Langzeiteffekt fehlen; limitiert wird der Einsatz durch die zahlreichen, teils schwerwiegenden Nebenwirkungen wie die Glucocorticoid-Myopathie.
Phosphodiesterase-4-Inhibitoren
Phosphodiesterase-4-Inhibitoren hemmen den Abbau von intrazellulärem zyklischem Adenosinmonophosphat (cAMP) und vermindern dadurch die zugrunde liegende systemische Entzündung. Als einziger Vertreter ist bisher Roflumilast in einigen Ländern zugelassen. Die Einnahme einer Tablette erfolgt einmal täglich. Bei Patienten, die mit langwirksamen Bronchodilatatoren wie Salmeterol oder Tiotropiumbromid behandelt werden, verbessert Roflumilast die FEV1 bzw. die Lungenfunktion (Evidenz A). Die Rate an mittelgradigen und schweren Exazerbationen, bei denen eine systemische Behandlung mit Glucocorticoiden erforderlich ist, wird bei Patienten mit chronischer Bronchitis, schwerer bis sehr schwerer COPD und Exazerbationen in der Vorgeschichte durch Roflumilast um 15 bis 20% gesenkt (Evidenz A). Zugelassen ist Roflumilast zur Dauertherapie bei erwachsenen Patienten mit schwerer COPD (FEV1 nach Anwendung eines Bronchodilatators <50% vom Soll-Wert) und chronischer Bronchitis sowie häufigen Exazerbationen in der Vorgeschichte, begleitend zu einer bronchodilatatorischen Therapie.
Phosphodiesterase-4-Inhibitoren können verschiedene Nebenwirkungen hervorrufen: Am häufigsten sind Übelkeit, verminderter Appetit, Bauchschmerzen, Diarrhö, Schlafstörungen und Kopfschmerzen. Bei untergewichtigen Patienten und auch bei Patienten mit Depressionen sollte Roflumilast nur mit Vorsicht einsetzt werden. Eine Kombination mit Theophyllin wird aufgrund mangelnder Daten nicht empfohlen.
Andere pharmakologische Therapien
- Impfungen: Eine Grippeschutzimpfung vermindert das Risiko für schwere Atemwegsinfekte sowie das Sterberisiko bei COPD (Evidenz A). Impfstoffe mit abgetöteten oder lebenden, inaktivierten Viren sollten bevorzugt werden, da diese bei älteren COPD-Patienten besser wirksam sind. Eine Impfung mit einer Pneumokokkenpolysaccharid-Vakzine wird für Patienten ≥65 Jahre empfohlen, ebenso für jüngere Patienten mit schweren Komorbiditäten wie Herzerkrankungen. Bei Patienten <65 Jahre mit einer FEV1 <40% vom Soll-Wert konnte durch den Pneumokokkenimpfstoff zudem die Inzidenz ambulant erworbener Pneumonien gesenkt werden (Evidenz B).
- Antibiotika: Der Nutzen einer Antibiotika-Dauermedikation als Exazerbationsprophylaxe ist umstritten. Antibiotika sollten bei COPD nur für die Behandlung von infektiösen Exazerbationen und anderen bakteriellen Infektionen eingesetzt werden (Evidenz B).
- Mukolytika und Antioxidanzien: Langzeitstudien mit Mukolytika haben bei COPD-Patienten widersprüchliche Ergebnisse erbracht. Es profitieren vor allem Patienten mit zähem Sputum, der Gesamtnutzen scheint aber gering zu sein, weshalb eine breite Anwendung nicht zu empfehlen ist (Evidenz D). Antioxidativ wirksame Mukolytika wie N-Acetylcystein oder Carbocistein können möglicherweise bei COPD-Patienten mit häufigen Exazerbationen einen günstigen Einfluss auf die Exazerbationsrate haben (Evidenz B).
- Antitussiva: Husten ist zwar für einige COPD-Patienten eines der quälendsten Symptome, hat aber einen wichtigen Schutzeffekt. Der regelmäßige Einsatz von Antitussiva wird bei stabiler COPD nicht empfohlen (Evidenz D).
- Eine Alpha-1-Antitrypsin-Augmentation ist auf Patienten mit schwerem hereditärem Alpha-1-Antitrypsinmangel beschränkt (Evidenz C).
- Vasodilatatoren wie inhalierbares Stickstoffmonoxid (NO) sind bei COPD kontraindiziert. Auch endothelmodulierende Substanzen können bisher nicht empfohlen werden.
- Narkotika wie Morphin, oral oder parenteral gegeben, können zur Dyspnoe-Behandlung bei schwer erkrankten und morphinsensitiv reagierenden COPD-Patienten eingesetzt werden. Nebenwirkungen limitieren meist den Einsatz.
- Nedocromil und Leukotrien-modifizierende Medikamente wurden bisher bei COPD nicht ausreichend untersucht und können nicht empfohlen werden.
- Der Anti-TNF-alfa-Antikörper Infliximab bringt bei COPD keinen Nutzen und kann durch Nebenwirkungen wie Pneumonien eher schaden.
- Phytopharmaka wurden bisher bei COPD-Patienten nicht adäquat untersucht.
Medikamentöse Behandlung der stabilen COPD
Ziele der COPD-Behandlung sind die Reduktion von Symptomen sowie die Verbesserung der körperlichen Belastungsfähigkeit und des allgemeinen Gesundheitsstatus („Symptomreduktion“). Darüber hinaus sollen eine Progression der Erkrankung und Exazerbationen verhindert und letztlich auch die Mortalität gesenkt werden („Risikoprophylaxe“).
Im Rahmen multimodaler Behandlungen mit regelmäßiger medizinischer Beratung zu der Erkrankung, Überwachung der Lungenfunktion, Vermeidung von Risikofaktoren und Anleitung zu körperlicher Bewegung wird die pharmakologische Behandlung sowohl zur Symptomreduktion als auch zur Risikoprophylaxe eingesetzt. Das Voranschreiten der Erkrankung kann durch die derzeit zur Verfügung stehenden Arzneistoffe wahrscheinlich nicht verhindert werden.
In der bronchodilatatorischen Basisbehandlung mit Beta2-Sympathomimetika und Anticholinergika sollten langwirksame Substanzen den kurzwirksamen vorgezogen werden; außerdem sollten inhalierbare Bronchodilatatoren den oral einzunehmenden vorgezogen werden (jeweils Evidenz A). Bei unzureichendem Ansprechen auf eine Monotherapie können Beta2-Sympathomimetika und Anticholinergika kombiniert werden (Evidenz B). Bei Patienten mit chronischer Bronchitits, schwerer oder sehr schwerer COPD und zahlreichen Exazerbationen in der Vorgeschichte kann die Therapie durch Phosphodiesterase-4-Inhibitoren (Roflumilast) ergänzt werden, um die Zahl der Exazerbationen zu reduzieren (Evidenz B).
Eine Langzeitmonotherapie mit inhalierbaren oder oral einzunehmenden Glucocorticoiden ist bei COPD-Patienten nicht zu empfehlen (Evidenz A). Lediglich bei schwer und sehr schwer erkrankten Patienten mit hohem Exazerbationsrisiko, die auf Bronchodilatatoren nicht mehr ausreichend ansprechen, werden inhalierbare Glucocorticoide zusätzlich zu langwirksamen Bronchodilatatoren empfohlen (Evidenz A).
Die Behandlung der COPD-Patienten erfolgt abgestuft nach der Krankheitsschwere und dem individuellen Risikoprofil sowie dem Ansprechen auf die Substanzen. Eine Übersicht über die Therapiestrategien in Abhängigkeit von der COPD-Risikogruppe gibt Tabelle 3.
Tab. 3. Medikamentenauswahl bei stabiler COPD*
Patienten-Gruppe |
Erste Wahl |
Zweite Wahl |
Alternativen** |
A |
Kurzwirksames Anticholinergikum oder kurzwirksames Beta2-Sympathomimetikum |
Langwirksames Anticholinergikum oder langwirksames Beta2-Sympathomimetikum oder kurzwirksames Beta2-Sympathomimetikum und kurzwirksames Anticholinergikum |
|
B |
Langwirksames Anticholinergikum oder langwirksames Beta2-Sympathomimetikum |
Langwirksames Anticholinergikum und |
|
C |
Inhalierbares Glucocorticoid + langwirksames Beta2-Sympathomimetikum oder langwirksames Anticholinergikum |
Langwirksames Anticholinergikum und |
|
D |
Inhalierbares Glucocorticoid + langwirksames Beta2-Sympathomimetikum oder langwirksames Anticholinergikum |
Inhalierbares Glucocorticoid und oder inhalierbares Glucocorticoid + langwirksames Beta2-Sympathomimetikum und oder inhalierbares Glucocorticoid + langwirksames Beta2-Sympathomimetikum und oder langwirksames Anticholinergikum und oder langwirksames Anticholinergikum und |
|
* Die Reihenfolge der Aufzählung erfolgt alphabetisch
** Medikamente dieser Spalte können als Monotherapie angewendet oder mit den Mitteln der ersten oder zweiten Wahl kombiniert werden
Medikamentöse Behandlung von COPD-Exazerbationen
Eine Exazerbation der COPD ist ein akutes Ereignis, gekennzeichnet durch eine Verschlechterung der Symptomatik über die üblichen Tagesschwankungen hinaus, wodurch die Medikation verändert/angepasst werden muss. Häufigste Ursache einer Exazerbation sind virale Infektionen der oberen und unteren Atemwege. Behandlungsziel ist es, die Auswirkungen der Exazerbation zu reduzieren und weitere Exazerbationen zu verhindern. Rund 80% der Exazerbationen können ambulant behandelt werden.
Kurzwirksame Bronchodilatatoren
Kurzwirksame inhalierbare Beta2-Sympathomimetika, alleine oder in Kombination mit kurzwirksamen Anticholinergika, sind die bevorzugten Arzneimittel bei Exazerbationen, obgleich die Studienlage dazu nicht gut ist (Evidenz C). Theophyllin oder Aminophyllin i. v. sollten nur in Ausnahmefällen bei Therapieversagen kurzwirksamer Bronchodilatatoren gegeben werden (Evidenz B).
Glucocorticoide
Systemisch applizierte Glucocorticoide verkürzen die Erholungszeit und verbessern die Lungenfunktion (FEV1) und die arterielle Hypoxämie (PaO2) (Evidenz A). Außerdem können sie das Rückfallrisiko vermindern und die Zeit des Krankenhausaufenthalts verkürzen. Empfohlen werden 30 bis 40 mg Prednisolon/Tag über 10 bis 14 Tage (Evidenz D). Eine Alternative ist eine Monotherapie mit Budesonid (Vernebler).
Antibiotika
Die Anwendung von Antibiotika bei Exazerbationen ist umstritten. Sinnvoll ist der Einsatz vor allem bei moderat bis schwer erkrankten Patienten mit Exazerbationen, die die folgenden drei Symptome aufweisen: Zunahme von Dyspnoe und Sputumvolumen sowie Auswurf von purulentem Sputum (Evidenz B). Antibiotika können auch dann eingesetzt werden, wenn nur zwei dieser Kardinalsymptome vorliegen und eines davon purulentes Sputum ist (Evidenz C) oder eine mechanische Atemunterstützung notwendig wird (Evidenz B). Die Antibiotika-Therapie sollte etwa 5 bis 10 Tage dauern (Evidenz D). Zum Einsatz kommen meist Aminopenicillin mit oder ohne Clavulansäure, Makrolide oder Tetracycline.
Danksagung
Berichterstatterin und Redaktion danken Prof. Dr. Claus Vogelmeier, Marburg, für die freundliche Durchsicht und Korrektur des Manuskripts.
Quelle
Global Initiative for Chronic Obstructive Lung Disease. Global strategy for the diagnosis, management, and prevention of chronic obstructive pulmonary disease. Revised 2011. www.goldcopd.org [letzter Zugriff am 23.02.2012].
EXKURS: Differenzialdiagnosen chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD) – Asthma bronchiale
Obstruktionen der Atemwege, die sich durch Giemen bemerkbar machen, sind gemeinsames Zeichen von Asthma bronchiale und COPD. In der Praxis werden die beiden Krankheitsbilder oftmals nicht gut vorneinander abgegrenzt, was insofern problematisch ist, als sie sich wesentlich hinsichtlich Pathogenese, therapeutischer Konsequenzen und Prognose unterscheiden. In beiden Fällen handelt es sich um eine chronische entzündliche Erkrankung der Atemwege. Beim Asthma bronchiale führt die Entzündung zu einer bronchialen Hyperreaktivität auf eine Vielzahl von Reizen (z. B. feuchte kalte Luft) und infolgedessen zu anfallsweiser Atemnot durch Bronchospasmus, Hypersekretion und Schleimhautschwellung. Die Atemwegsobstruktion ist spontan oder medikamentös reversibel. Grundlage der Behandlung ist eine regelmäßige antiinflammatorische Therapie, ergänzt durch bedarfsadaptierte Bronchospasmolytika. Eine längerfristige antiinflammatorische Therapie kann entscheidend zu einer Verbesserung der Prognose beitragen. Bei der COPD liegt eine chronische, durch inhalative Noxen ausgelöste Entzündung der kleinen Atemwege vor. Infolge von Umbauprozessen im Bereich der Atemwege und Hypersekretion kommt es zu einer strukturellen und funktionellen Atemwegsobstruktion; aufgrund eines Ungleichgewichts von Proteasen und Proteaseinhibitoren wird das Lungenparenchym nach und nach zerstört und es entwickelt sich ein Emphysem. Im Verlauf kommen aufgrund einer systemischen Entzündungsreaktion auch systemische Auswirkungen hinzu, die die Patienten stark einschränken können (z. B. verminderte Belastbarkeit aufgrund von Muskelschwäche). Kardinalsymptome der COPD sind Husten und Auswurf als Zeichen der chronischen Bronchitis und Belastungsdyspnoe mit zunehmender Beeinträchtigung der körperlichen Leistungsfähigkeit. Typisch ist die im Verlauf zunehmende nicht oder nicht vollständig reversible Atemwegsobstruktion. Die Therapie erfolgt überwiegend symptomatisch (siehe Beitrag „Chronisch obstruktive Lungenerkrankung – Update der GOLD-Empfehlungen“); durch Rauchverzicht kann das Fortschreiten der Erkrankung verlangsamt werden. Schwere Komorbiditäten oder Exazerbationen verschlechtern die Prognose. (Red.)
Dr. Barbara Kreutzkamp, Nagelshof 15, 22559 Hamburg, E-Mail: barkreutz@t-online.de
Arzneimitteltherapie 2012; 30(05)