Notfallmedizin

Tranexamsäure bei Verletzten mit Schädel-Hirn-Trauma


Dr. Katja Noack, Schwieberdingen

Etwa ein Drittel aller Patienten mit Schädel-Hirn-Trauma entwickelt eine Trauma-induzierte Koagulopathie, die lebensgefährliche intrakranielle Blutungen begünstigt. Möglicherweise kann das Antifibrinolytikum Tranexamsäure (Cyklokapron®) bei diesen Patienten das Mortalitätsrisiko senken. Erste Anhaltspunkte liefert eine kürzlich veröffentlichte Subgruppenanalyse der CRASH-2-Studie.

In der 2010 beendeten multinationalen CRASH-2-Studie (Clinical randomisation of an antifibrinolytic in significant haemorrhage 2) wurde der Effekt einer frühen Gabe von Tranexamsäure bei Verletzten mit schweren extrakraniellen Blutungen bzw. mit einem Risiko für eine solche Blutung bis acht Stunden nach dem Trauma untersucht. Diese Patientengruppe entwickelt häufig infolge von Gewebeschäden und Schock eine gefährliche Hyperfibrinolyse, die sich in unkontrollierbaren Blutungen äußert. Über 20000 Patienten wurden im Rahmen der Studie mit Tranexamsäure (initial 1 g über 10 Minuten, dann 1 g als Dauerinfusion über 8 Stunden) oder Plazebo behandelt. Tranexamsäure senkte die Gesamtsterblichkeit und das Risiko, infolge einer Blutung zu versterben, ohne vermehrt Thromboembolien zu verursachen [1]. Eine frühzeitige Behandlung polytraumatisierter Patienten mit Tranexamsäure wird daher seit Veröffentlichung der Studie in den gängigen Leitlinien empfohlen.

Bislang war unklar, ob das Tranexamsäure-Regime auch bei Verletzten mit Schädel-Hirn-Trauma angewendet werden kann, denn laut Untersuchungen zu Subarachnoidalblutungen erhöht Tranexamsäure das Risiko für Ischämien. Durch eine Subgruppenanalyse der CRASH-2-Studie, sollte diese Frage geklärt werden [2]. Dazu wurde eine Kohorte von 270 Verletzten der CRASH-2-Studie an zwei Standorten betrachtet. Die Patienten erfüllten die Kriterien der CRASH-2-Studie und wiesen zudem ein Schädel-Hirn-Trauma mit intrakraniellen Hämorrhagien und Bewusstseinsstörung auf. Als primärer Endpunkt wurde die Volumenveränderung der Blutung mittels Computertomographie gemessen.

In der Kontrollgruppe nahm die Blutung innerhalb von 24 bis 48 Stunden seit Aufnahme ins Krankenhaus um 8,1 ml zu, in der Tranexamsäure-Gruppe um 5,9 ml. Dieser scheinbare Unterschied war jedoch statistisch nicht signifikant. Weitere Parameter zeigten eine tendenziell günstige, zumindest jedoch keine schädliche Wirkung für Tranexamsäure. Beispielsweise traten neue Blutungen bei 16% der Plazebo-behandelten Patienten und 11% der Tranexamsäure-Patienten auf. Neue ischämische Läsionen wurden bei 9% der Plazebo-Gruppe und 5% der Verumgruppe beobachtet. Die Sterberate lag in der Kontrollgruppe bei 18%, mit Tranexamsäure bei 11%.

Aufgrund der fehlenden statistischen Signifikanz können für Tranexamsäure weder günstige noch schädliche Effekte ausgeschlossen werden. Dass Tranexamsäure Ischämien begünstigt, konnte in der Subgruppenanalyse nicht bestätigt werden. Die Autoren befürworten daher die Gabe von Tranexamsäure bei Verletzten mit Schädel-Hirn-Trauma als eine sichere und kostengünstige Option. Eindeutigere Ergebnisse sind voraussichtlich in fünf Jahren zu erwarten, wenn die mit 10000 Patienten deutlich größer angelegte CRASH-3-Studie [3] endet.

Quellen

1. CRASH-2-Collaborators. Effects of tranexamic acid on death, vascular occlusive events, and blood transfusion in trauma patients with significant haemorrhage (CRASH-2): a randomised, placebo-controlled trial. Lancet 2012;376:23–32.

2. CRASH-2-Collaborators. Effect of tranexamic acid in traumatic brain injury: a nested randomised, placebo controlled trial (CRASH-2 Intracranial Bleeding Study). BMJ 2011;343:d.3795.

3. www.thelancet.com/protocol-reviews/11PRT-8142 (Zugriff am 27.04.2012).

Arzneimitteltherapie 2012; 30(05)