Gabriele Blaeser-Kiel, Hamburg
Bei etwa jedem zweiten Epilepsiekranken ist die initiale Monotherapie erfolgreich und kann fortgeführt werden [1]. In der Diskussion ist gegenwärtig das Vorgehen bei den Patienten mit persistierender Anfallsaktivität: Soll erst einmal auf ein anderes Antikonvulsivum umgestellt oder sofort eine zweite Substanz dazugegeben werden? Auf Daten klinischer Studien kann man sich bei der Entscheidung nicht stützen. Als Orientierung dient der Vorschlag einer schottischen Arbeitsgruppe [2]. Demnach ist es sinnvoll,
- zu substituieren, wenn der erste Therapieversuch überhaupt keine Veränderung der Anfallsaktivität bewirkt oder zu intolerablen Störwirkungen geführt hat, und
- zu kombinieren (Add-on-Therapie), wenn der erste Therapieversuch die Anfallssituation zumindest teilweise gebessert hat und die Verträglichkeit gut oder akzeptabel war.
Um das Nutzen-Risiko-Profil eines Add-on-Regimes zu optimieren, hat es sich bewährt, parallel zur Aufdosierung des Kombinationspartners die Dosis des ersten Antikonvulsivums zu reduzieren.
Mit der – vor allem frühen – Kombination von zwei Antikonvulsiva ist die Hoffnung auf einen additiven oder synergistischen Effekt verbunden. In Epilepsiemodellen lässt sich das vor allem dann erreichen, wenn die antikonvulsive Aktivität der Partner auf unterschiedlichen Mechanismen beruht. An klinischer Evidenz hapert es jedoch. Zu den wenigen Beispielen zählt eine auf diesen Aspekt fokussierende Auswertung der Zulassungsstudien von Lacosamid.
Lacosamid (Vimpat®) ist indiziert zur Behandlung von Epilepsiepatienten mit fokalen Anfällen „add-on“ zu anderen Antikonvulsiva. Seine molekularen Zielstrukturen sind zwar wie bei vielen anderen Antikonvulsiva auch die spannungsabhängigen Natriumkanäle. Doch zur Dämpfung der epilepsietypischen neuronalen Hyperexzitabilität wird selektiv der langsame Inaktivierungsmechanismus, nicht wie bei den „klassischen“ Natriumkanalblockern der schnelle Inaktivierungsmechanismus verstärkt. Als vorteilhaft für das klinische Management gilt die unkomplizierte Pharmakokinetik von Lacosamid mit linearer Dosis-Wirkungs-Beziehung und einer vom hepatischen Enzymsystem weitgehend unabhängigen Metabolisierung.
In der Post-hoc-Analyse der Zulassungsstudien war unterschieden worden, ob Lacosamid oder Plazebo einer Basistherapie mit oder ohne Natriumkanalblocker hinzugefügt worden war. Natriumkanalblocker sind Carbamazepin, Lamotrigin, Oxcarbamazepin und Phenytoin. Basistherapien ohne Natriumkanalblocker bestanden aus Levetiracetam, Valproinsäure, Topiramat, Phenobarbital, Zonisamid, Tiagabin, Pregabalin, Gabapentin oder Benzodiazepinen. Eine Basistherapie ohne Natriumkanalblocker lag bei knapp einem Fünftel der Studienteilnehmer vor. In beiden Kollektiven war der Anteil der Patienten mit mindestens 50%iger Anfallsreduktion in den Verum-Armen signifikant höher als in den Kontrollgruppen. Die Chance auf Response war jedoch höher (Abb. 1) und das Risiko für Nebenwirkungen geringer, wenn Lacosamid nicht mit einem Natriumkanalblocker kombiniert worden war [3]. Weitere Erkenntnisse zur Anfallskontrolle und Verträglichkeit der Kombination von Lacosamid mit verschiedenen Basisantiepileptika soll die derzeit laufende prospektive, nichtinterventionelle Beobachtungsstudie VITOBA (Vimpat® added to one baseline AED) bringen.

Abb. 1. Responderraten nach Add-on-Lacosamid in Abhängigkeit von der antikonvulsiven Komedikation (Post-hoc-Analyse der Zulassungsstudien/Intention-to-treat-Population) [nach 3]
Quellen
Prof. Dr. med. Michael Nitsche, Göttingen, Prof. Dr. med. Bernhard Steinhoff, Kehl-Kork; Satellitensymposium „Fokale Epilepsien: Die erste Monotherapie hat versagt, was nun?“, veranstaltet von UCB Pharma im Rahmen des 84. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Neurologie, Wiesbaden, 29. September 2011.
1. Kwan P, Brodie MJ. Early identification of refractory epilepsy. N Engl J Med 2000;342:314–9.
2. Kwan P, Brodie MJ. Combination therapy in epilepsy: when and what to use. Drugs 2006;66:1817–29.
3. Sake JK, et al. A pooled analysis of lacosamide clinical trial data grouped by mechanism of action of concomitant antiepileptic drugs. CNS Drugs 2010;24:1055–68.
Arzneimitteltherapie 2012; 30(09)