Prostatakarzinom

Einsatz von Abirateron auch ohne vorangegangene Chemotherapie möglich


Dr. Barbara Ecker-Schlipf, Holzgerlingen

Bei Patienten mit metastasiertem, kastrationsresistentem Prostatakrebs kann Abirateron das progressionsfreie und das Gesamtüberleben verlängern sowie die klinische Verschlechterung und das Einleiten einer Chemotherapie hinauszögern. Dies ergab eine randomisierte Doppelblind-Studie im Auftrag der Firma Janssen.

Metastasierter, kastrationsresistenter Prostatakrebs, definiert durch ein Tumorwachstum trotz eines Testosteronspiegels von weniger als 1,7 nmol/l, verursacht weltweit jährlich etwa 258400 Todesfälle. In der Regel sterben die Patienten 24 bis 48 Monate nach Beginn der Kastrationsresistenz, voraus gehen gewöhnlich spezifische Ereignisse, die mit einer Verschlechterung des Allgemeinzustands verbunden sind.

Zu den Behandlungsmöglichkeiten für Patienten mit metastasiertem, kastrationsresistentem Prostatakrebs ohne vorangegangene Chemotherapie gehören verschiedene Second-Line-Hormonbehandlungen, die bei vielen Patienten eine Antwort zeigen. Allerdings konnte bislang keine dieser Optionen das Fortschreiten der Erkrankung hinauszögern oder das Leben verlängern. Eine Standardtherapie im Anschluss an eine solche Second-Line-Therapie ist eine Chemotherapie mit Docetaxel (Taxotere®). Sie weist einen Überlebensvorteil auf, allerdings werden viele Patienten nie damit behandelt. Angesichts des begrenzten Einsatzes der Chemotherapie in der Behandlung des metastasierten, kastrationsresistenten Prostatakarzinoms bedarf es weiterer wirksamer Therapien.

Abirateron ist der erste Vertreter einer neuen Wirkstoffgruppe, die das Cytochrom-P450-Enzym C17 – ein Schlüsselenzym in der Synthese von Testosteron – hemmt und so zum Androgenentzug führt. In Kombination mit niedrig dosiertem Prednison konnte die Gabe von Abirateron bzw. dem Prodrug Abirateronacetat (Zytiga®) nach einer Chemotherapie mit Docetaxel das Überleben von Männern mit metastasiertem, kastrationsresistentem Prostatakarzinom verlängern.

Studienziel und -design

In einer multinationalen, doppelblinden, Plazebo-kontrollierten Studie wurde nun untersucht, ob Abirateron auch bei Patienten, die noch keine Chemotherapie erhalten haben, wirksam ist.

Von April 2009 bis Juni 2010 wurden 1088 Männer mit metastasiertem, kastrationsresistentem Prostatakarzinom aufgenommen, die älter als 18 Jahre waren. Sie wurden randomisiert in zwei Studiengruppen aufgeteilt:

  • Abirateronacetat (1 g täglich) plus Prednison (zweimal täglich 5 mg); 546 Patienten
  • Plazebo plus Prednison (zweimal täglich 5 mg); 542 Patienten

Die koprimären Wirksamkeitsendpunkte umfassten das im Röntgenbild bestätigte progressionsfreie Überleben und das Gesamtüberleben, definiert als Zeit von der Randomisierung bis zum Tod jedweder Ursache.

Studienergebnis

Die Studie wurde im Dezember 2011 nach einer geplanten Zwischenauswertung abgebrochen, nachdem 43% der Patienten verstorben waren. Das mediane progressionsfreie Überleben konnte mit Abirateron signifikant von 8,3 auf 16,5 Monate verlängert werden (Hazard-Ratio [HR] für Abirateron-Prednison versus Prednison allein 0,53; 95%-Konfidenzintervall [KI] 0,45–0,62; p<0,001). Über eine mediane Nachbeobachtungszeit von 22,2 Monaten verbesserte sich das Gesamtüberleben mit Abirateron-Prednison (Median nicht erreicht vs. 27,2 Monate für Prednison allein; HR 0,75; 95%-KI 0,61–0,93; p=0,01). Die vordefinierte Signifikanzgrenze (0,001) wurde jedoch nicht erreicht. Gegenüber der alleinigen Prednison-Einnahme konnte die Kombination aus Abirateron und Prednison auch den Zeitpunkt bis zum Beginn einer Chemotherapie hinauszögern, den Opiatverbrauch wegen tumorbezogener Schmerzen senken und die Prostata-spezifische Antigenprogression sowie die Verschlechterung des Allgemeinzustands verlangsamen.

Die Häufigkeit von Nebenwirkungen, die zu einem Therapieabbruch führten, war in beiden Studiengruppen ähnlich. Bei 19% der Patienten aus dem Abirateron-Arm und 12% aus dem Plazebo-Arm traten Nebenwirkungen auf, die eine Dosismodifikation oder einen Therapieabbruch zur Folge hatten. Zu den häufigsten Komplikationen, die zum Tod führten, zählte in beiden Gruppen ein Fortschreiten der Erkrankung (0,6% der Patienten in jeder Gruppe). Der Anteil der Patienten mit schweren Nebenwirkungen vom Grad 3 oder 4 war in beiden Studienarmen ebenfalls vergleichbar. Häufiger beobachtet wurden unter Abirateron Mineralocorticoid-bezogene toxische Effekte wie Hypertonie (22% vs. 13%), Hypokaliämie (17% vs. 13%) sowie Flüssigkeitsretention oder Ödeme (28% vs. 24%). Auch Abnormalitäten in Herz- und Leberfunktion traten mit Abirateron häufiger auf.

Fazit

Die Ergebnisse der vorliegenden Studie rechtfertigen einen erweiterten Einsatz von Abirateron. Auch ohne vorangegangene Chemotherapie mit Docetaxel konnte Abirateron in Kombination mit Prednison gegenüber Prednison allein das progressionsfreie und Gesamtüberleben verlängern und klinisch bedeutsame sekundäre Endpunkte wie Opiatkonsum oder Lebensqualität positiv beeinflussen. Dabei war die Verträglichkeit von Abirateron zufriedenstellend, die Abbruchrate wegen Toxizität lag mit 10% nicht wesentlich höher als in der Kontrollgruppe mit 9%.

Quelle

Ryan CJ, et al. Abiraterone in metastatic prostate cancer without previous chemotherapy. N Engl J Med 2013;368:138–48.

Arzneimitteltherapie 2013; 31(05)