Ankylosierende Spondylitis

Outcome-Verbesserung durch frühzeitige Therapie


Veröffentlicht am: 28.11.2019

Dr. Alexander Kretzschmar, München, Prof. Dr. Joachim Sieper, Berlin

Nach den neuen Klassifikatonskriterien kann die Diagnose der axialen Spondyloarthritis entweder durch eine Bildgebung oder den Nachweis des HLA-B27-Antigens, jeweils in Kombination mit klinischen Symptomen erfolgen. Neben den NSAR ist jetzt erstmals auch ein TNF-α-Inhibitor zur Therapie der Frühform zugelassen. Diese neuen Diagnosekriterien und Behandlungsoptionen für Patienten mit ankylosierender Spondylitis wurden auf einem Symposium der Firma Abbott im Rahmen der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh) im September 2012 in Bochum zusammengefasst.
Mit einem Kommentar von Prof. Dr. Joachim Sieper, Berlin

In den vergangenen zehn Jahren ist das diagnostische Dickicht bei der anky- losierenden Spondylitis zugunsten einer praxistauglicheren Einteilung revidiert worden. Grund für die Bemühungen um diese Einteilung ist die gerade bei den prädominant axialen Formen, bei denen eine Entzündung der Wirbelsäule vorliegt, meist um Jahre verzögerte korrekte Diagnose.

Im Gegensatz dazu gehören zu den Spondyloarthriden mit einem hauptsächlich peripheren Gelenkbefall die reaktive Arthritis und die Spondyloarthritis in Assoziation mit einer Psoriais oder chronisch entzündlichen Darmerkrankung sowie die juvenile Spondyloarthritis.

Bei den axialen Formen wurde neben der klassischen ankylosierenden Spondylitis die nicht-röntgenologische Form (nr-axSPA) eingeführt. Die neuen ASAS(Assessment in SpondyloArthritis international Society)-Klassifikationskriterien, die 2009 publiziert wurden, ermöglichen einen längst überfälligen, entscheidenden Durchbruch für die Frühtherapie der axialen ankylosierenden Spondylitis (axSpA) (Tab. 1) [2]. Auf dieser Basis können Patienten mit chronischen Rückenschmerzen (Dauer: >3 Monate, Beginn vor dem 45. Lebensjahr) entweder über eine Bildgebung oder den Nachweis von HLA-B27, jeweils in Kombination mit klinischen Symptomen, klassifiziert werden. Im Gegensatz zu den 1984 modifizierten New-York-Kriterien ist jetzt kein röntgenologischer Nachweis einer Sakroiliitis als Diagnosekriterium erforderlich (Tab. 1).

Tab. 1. ASAS-Klassifikationskriterien für die axiale Spondyloarthritis (SpA) [mod. nach 2]

Patienten mit chronischen Rückenschmerzen 3 Monate

Symptombeginn vor dem 45. Lebensjahr

Sakroiliitis in der Bildgebung

plus ≥1 SpA-Parameter

oder

HLA-B27-Nachweis

plus ≥2 andere SpA-Parameter

Sakroiliitis in der Bildgebung

  • Aktive (akute) Entzündung in der MRT, gut vereinbar mit einer SpA-assoziierten Sakroiliitis

oder

  • Gesicherte radiologische Sakroiliitis entsprechend den modifizierten New-York-Kriterien

SpA-Parameter

  • Entzündlicher Rückenschmerz
  • Periphere Arthritis
  • Enthesitis (Ferse)
  • Uveitis
  • Daktylitis
  • M. Crohn/Colitis ulcerosa
  • Gutes Ansprechen auf NSAR
  • Positive Familienanamnese für SpA
  • HLA-B27
  • Erhöhtes CRP

n=649 Patienten mit Rückenschmerzen: Sensitivität 82,9%, Spezifität: 84,4%; Bildgebung allein: Sensitivität: 66,2%, Spezifität: 97,3%; NSAR: nichtsteroidale Antirheumatika, CRP: C-reaktives Protein

Im bildgebenden Arm wird zusätzlich zu einer Sakroiliitis – Nachweis als eine im MRT sichtbare Entzündung oder eindeutige strukturelle Läsionen im Röntgenbild – mindestens ein zusätzliches SpA-Zeichen gefordert. Im klinischen Arm werden zum HLA-B27-Nachweis insgesamt zwei oder mehr zusätzliche SpA-Zeichen, beispielsweise eine Enthesitis, eine Arthritis oder extraartikuläre Manifestationen wie eine anteriore Uveitis gefordert.

Mit der früheren Diagnose erwartet man sich auch besseres therapeutisches Ansprechen (Verbesserung des initialen BASDAI [Bath Ankylosing Spondylitis Disease Activity Index] 50 um 50% nach 12 Wochen), wie es beispielsweise für die Behandlung mit TNF-α-Inhibitoren gezeigt wurde [1].

Für Patienten, die die ASAS-Klassifikationskriterien der axialen Spondyloarthritis erfüllen, erfolgte 2010 eine zweite Aktualisierung der Empfehlungen zur Anwendung von TNF-α-Inhibitoren (siehe Kasten) [3].

Empfehlungen zur Anwendung von TNF-α-Inhibitoren bei Patienten mit axialer Spondyloarthritis: Update 2010 [3]

1. Diagnose

Patienten, die die modifizierten New-York-Kriterien für die definitive Diagnose der ankylosierenden Spondylitis oder die ASAS-Kriterien für die axiale Spondyloarthritis erfüllen

2. Aktive Erkrankung

Aktive Erkrankung über einen Zeitraum von ≥4 Wochen → BASDAI (Bath Ankylosing Spondylitis Disease Activity Index) >4 (0: keine Beschwerden bis 10: unerträgliche Beschwerden) und positive Expertenmeinung

3. Vorbehandlung

  • Alle Patienten sollten einen angemessenen Therapieversuch mit mindestens zwei NSAR durchlaufen haben
  • Behandlung mit mindestens zwei NSAR über einen Zeitraum von insgesamt mindestens 4 Wochen bei der maximal empfohlenen oder verträglichen Dosis (außer bei Vorliegen einer Kontraindikation)
  • Bei Patienten mit vorwiegend axialer Manifestation keine Vorbehandlung mit Basistherapeutika erforderlich

Diese Erweiterung erfolgte unter anderem auf der Basis der Daten der Phase-III-Studie ABILITY-1, in der als Bewertungskriterien erstmals die neuesten ASAS-Klassifikationskriterien eingesetzt wurden [4].

Quelle

Prof. Dr. med. Joachim Sieper, Berlin, Prof. Dr. med. Martin Rudwaleit, Berlin, Prof. Dr. med. Jürgen Braun, Herne, Dr. med. Xenofon Baraliakos, Herne. Symposium „Mit Humira erfolgreich gegen axiale Spondylarthritis – Was gibt es Neues für Sie und Ihre Patienten“ mit anschließendem Meet-the-Expert, veranstaltet von Abbott GmbH & Co. KG im Rahmen der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh), Bochum, 21. September 2012.

Literatur

1. Rudwaleit M, et al. Prediction of a major clinical response (BASDAI 50) to tumor necrosis factor alpha blockers in ankylosing spondylitis. Ann Rheum Dis 2004;63:665–70.

2. Rudwaleit M, et al. The development of Assessment of SpondyloArthritis international Society classification criteria for axial spondyloarthritis (part II): validation and final selection. Ann Rheum Dis 2009;68:777–83.

3. van der Heijde D, et al. 2010 Update of the international ASAS recommendations for the use of anti-TNF agents in patients with axial spondyloarthritis. Ann Rheum Dis 2011;70:905–8.

4. Sieper J, et al. Efficacy and safety of adalimumab in patients with non-radiographic axial spondyloarthritis: results of a randomised placebo-controlled trial (ABILITY-1). Ann Rheum Dis 2012 Jul 7. [Epub ahead of print].

Kommentar

Die axiale Spondyloarthritis betrifft zu Beginn der Erkrankung vorwiegend junge Männer und Frauen und stellt eine wichtige Differentialdiagnose für den chronischen Rückenschmerz dar. Die neuen ASAS-Klassifikationskriterien erlauben nun, die Diagnose schon früh zu stellen, bevor bereits typische strukturelle Knochenveränderungen in der Röntgenuntersuchung aufgetreten sind. Bei einer Frühtherapie mit den zur Verfügung stehenden Medikamenten wie nichtsteroidalen Antirheumatika oder dann in der nächsten Stufen mit TNF-α-Blockern ist insbesondere mit einer guten Ansprechrate zu rechnen. Insofern haben sich für diese Patientengruppe in den letzten Jahren die diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten enorm geändert und verbessert.

Arzneimitteltherapie 2013; 31(05)