Asthma bronchiale

Tiotropium in Kombination mit Standardtherapie wirksam


Veröffentlicht am: 28.11.2019

Dr. Barbara Ecker-Schlipf, Holzgerlingen

Bei Patienten, deren Asthma bronchiale sich trotz der Anwendung inhalativer Glucocorticoide und langwirksamer Beta-Sympathomimetika schlecht kon- trollieren lässt, konnte durch Zusatz des langwirksamen Anticholinergikums Tiotropium die Zeit bis zur ersten schweren Exazerbation signifikant verlängert und eine anhaltende Bronchodilatation erzielt werden.

Inhalative Glucocorticoide kombiniert mit langwirksamen Beta-Sympathomimetika sind heute die Standardtherapie für Patienten, deren Asthma allein mit Glucocorticoiden schlecht zu kontrollieren ist. Allerdings führt diese Kombination auch nicht immer zu zufriedenstellenden Ergebnissen. In diesen Fällen stehen wenig therapeutische Optionen zur Verfügung. Der Zusatz von Leukotrien-Rezeptor- antagonisten wie Montelukast (z.B. Singlulair®), oralen Glucocorticoiden und dem anti-IgE-Antikörper Omalizumab (Xolair®) ist häufig wenig erfolgreich, mit unerwünschten Wirkungen oder hohen Kosten verbunden.

Eine weitere Möglichkeit, einen langwirksamen Bronchodilatator in Form eines langwirksamen Anticholinergikums wie Tiotropium (Spiriva®) hinzuzufügen, wurde bislang nur für die chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD) zugelassen, nicht aber bei Asthma bronchiale untersucht. Inhaliertes Tio- tropium hemmt insbesondere die Kontraktion der glatten Muskulatur und Schleimsekretion, wobei ein zusätzlicher Nutzen auf die Entzündung und Atemwegsstruktur nicht ausgeschlossen werden kann.

Studienziel und -design

In zwei abgleichenden, randomisierten, Plazebo-kontrollierten Studien, der PrimoTinA-asthma-1-Studie und der PrimoTinA-asthma-2-Studie wurden Wirksamkeit und Sicherheit eines Tiotropium-Zusatzes gegenüber Plazebo zu einer Kombination aus Glucocorticoiden und langwirksamen Beta-Sympathomimetika untersucht. Durchgeführt wurden die Studien mit 912 Patienten zwischen 18 und 75 Jahren (mittleres Alter 53 Jahre), deren Asthma bronchiale sich mit Glucocorticoiden (mittlere äquipotente Budesonid-Dosis 800 µg) und langwirksamen Beta-Sympathomimetika nicht ausreichend kontrollieren ließ. Alle Studien- teilnehmer waren symptomatisch, wiesen eine post-bronchodilatatorische Einsekundenkapazität (Forced expiratory volume, FEV1) von 80% oder weniger vom vorausgesagten Wert auf und hatten im vorangegangenen Jahr mindestens eine schwere Exazerbation. Die Patienten erhielten randomisiert:

  • Tiotropium 5 µg/Tag (237 Patienten in Studie 1 und 219 in Studie 2)
  • Plazebo (222 Patienten in Studie 1 und 234 in Studie 2)

Sowohl Tiotropium als auch Plazebo wurden über 48 Wochen einmal täglich mit einem Respimat-Softinhaler (zwei Sprühstöße) verabreicht. Erlaubt war außerdem die Weiterführung einer Erhaltungsmedikation (z.B. Theophyllin, anti-IgE-Antikörper), wenn deren Dosis mindestens vier Wochen vor Studieneintritt und für die Dauer der Studie gleich blieb.

Die primären Endpunkte für die Lungenfunktion waren der Peak-FEV1-Wert (innerhalb drei Stunden nach Verabreichung der Erhaltungs- und Studienmedikation) und der Trough-FEV1-Wert (unmittelbar vor Verabreichung der nächsten Dosis der Erhaltungs- und Studienmedikation) nach 24 Wochen, beide ausgedrückt als Veränderung vom Ausgangswert. Der Ausgangswert wurde zum Zeitpunkt der Randomisierung morgens, 10 Minuten vor Gabe der Erhaltungs- und Studienmedikationen gemessen.

Studienergebnis

Die Studienteilnehmer wiesen einen mittleren Ausgangs-FEV1-Wert von 62% des vorhergesagten Werts auf. Nach 24 Wochen war die mittlere Veränderung im Peak-FEV1-Wert und im Trough-FEV1-Wert gegenüber dem Ausgangswert in beiden Studien mit Tiotropium signifikant größer als mit Plazebo (Tab. 1).

Tab. 1. Mittlere Unterschiede zwischen der Tiotropium- und Plazebo-Gruppe beim FEV1-Wert nach 24 Wochen (Verum-Plazebo-Differenz der Veränderungen vs. Baseline)

Studie 1

Studie 2

Patienten [n]

Verum-Plazebo-Differenz [ml] (95%-KI)

p-Wert

Patienten [n]

Verum-Plazebo-Differenz [ml] (95%-KI)

p-Wert

Peak-FEV11

428

86±34 (20–152)

p=0,01

423

154±32 (91–217)

p<0,001

Trough-FEV12

428

88±31 (27–149)

p=0,01

422

111±30 (53–169)

p<0,001

1: Gemessen 0 bis 3 Stunden nach Verabreichung der Studien- und Erhaltungsmedikation. 2: Gemessen unmittelbar vor der nächsten Verabreichung der Studien- und Erhaltungsmedikation 95%-KI: 95%-Konfidenzintervall

Die Zeit bis zur ersten Exazerbation wurde mit Tiotropium im Vergleich mit Plazebo um 56 Tage verlängert (282 vs. 226 Tage, bis mindestens 25% der Patienten eine erste schwere Exazerbation zeigten). Dies entsprach einer Risikoreduktion um 21% für eine schwere Exazerbation (Hazard-Ratio 0,79; 95%-Konfidenzintervall 0,62–1,00; p=0,03).

Signifikante Unterschiede im Hinblick auf Nebenwirkungen wurden zwischen den beiden Studienarmen nicht beobachtet, auch nicht bei den kardialen Nebenwirkungen. Bei den unerwünschten Ereignissen, die bei mindestens 2% in jeder Studiengruppe auftraten, kam unter Tiotropium lediglich die allergische Rhinitis signifikant häufiger vor, in der Plazebo-Gruppe waren es Asthmaanfälle und Schlaflosigkeit. Todesfälle wurden im Verlauf der Studie nicht registriert.

Fazit

Die Gabe des langwirksamen Anticholinergikums Tiotropium bewirkte bei Patienten, deren Asthma bronchiale nicht mit einer Standardtherapie kontrolliert werden konnte, eine anhaltende Bronchodilatation und reduzierte die Anzahl der Exazerbationen. Während inhalative Glucocorticoide und langwirksame Beta-Sympathomimetika in hohen Dosen als Trockenpulverinhalatoren oder Aerosole mit einer großen Partikelgröße eingesetzt werden, wurde Tiotropium in dieser Studie mit einem Respimat-Softinhaler appliziert, einem Doppelstrahl-Impaktionsinhalator, bei dem eine sehr feine und langanhaltende Sprühwolke das Einatmen des Aerosols erleichtert und es nachweislich zu höheren Wirkstoffkonzentrationen in den Atemwegen kommt. Das gilt nicht für die Applikation mit dem HandiHaler®, bei dem der Wirkstoff in Pulverform (Kapseln) durch aktives Einatmen inhaltiert wird. Eine verbesserte Wirkstofffreisetzung durch das Respimat-System könnte die Plasmakonzen- trationen von Tiotropium erhöhen und damit auch das Sterblichkeitsrisiko aufgrund kardiovaskulärer Ursachen. Dies könnte vor allem bei Patienten mit einer Vorgeschichte von kardiovaskulären Ereignissen oder Herzrhythmusstörungen problematisch werden. Dieses Patientenkollektiv war in den vorliegenden Studien ausgeschlossen. Bevor Tiotropium als Add-on-Therapie für alle Patienten mit unkontrolliertem Asthma bronchiale empfohlen werden kann, muss deshalb die Sicherheit langwirksamer anticholinerger Wirkstoffe noch besser untersucht werden.

Quelle

Kerstjens HA, et al. Tiotropium in asthma poorly controlled with standard combination therapy. N Engl J Med 2012;367:1198–207.

Bel EH. Tiotropium for asthma – promise and caution. N Engl J Med 2012;367:1257–9.

Fachinformation Spiriva® Respimat® (Stand: Juni 2012)

Arzneimitteltherapie 2013; 31(05)