Schlaganfallprävention

Dabigatran und Rivaroxaban bei Patienten mit Vorhofflimmern und Dialyse


Prof. Dr. Hans-Christoph Diener, Essen

In den Vereinigten Staaten werden trotz entsprechender Kontraindikationen viele Patienten während der Dialyse mit Dabigatran oder Rivaroxaban behandelt. Dies führt zu einem signifikant erhöhten Blutungsrisiko und einem signifikant erhöhten Risiko für tödliche Blutungen.
Mit einem Kommentar von Prof. Dr. Hans-Christoph Diener, Essen

Patienten mit Vorhofflimmern haben ein fünffach erhöhtes Risiko für einen Schlaganfall verglichen mit Patienten im Sinusrhythmus. In vier großen randomisierten Studien wurde gezeigt, dass die neuen oralen Antikoagulanzien (NOAK) Dabigatran, Rivaroxaban, Apixaban und Edoxaban mindestens genauso wirksam sind wie der Vitamin-K-Antagonist Warfarin und eine gleichwertige und zum Teil geringere Rate an schwerwiegenden Blutungskomplikationen haben. In allen randomisierten Studien waren Patienten mit ausgeprägter Niereninsuffizienz, definiert als eine Creatinin-Clearance von weniger als 15 ml/min., ebenso ausgeschlossen wie Patienten, die dialysiert werden. Der Einsatz von Dabigatran bei Patienten, die dialysiert werden, wäre besonders problematisch, da sich die Substanz dialysieren lässt, was zu einem massiven Abfall des Plasmaspiegels führt [1]. Leider halten sich viele Ärzte nicht an den Zulassungstext und setzen neue Antikoagulanzien bei Patienten ein, für die sie nicht zugelassen sind. Dies gilt offenbar auch für Patienten mit Vorhofflimmern, die dialysiert werden.

Die Firma Fresenius Medical Care hält in Nordamerika ein großes Register vor, in dem Patienten, die dialysiert werden, prospektiv verfolgt werden. Die Datenbank wurde im Zeitraum zwischen Oktober 2010 und Oktober 2014 ausgewertet und überprüft, ob Patienten dialysiert wurden, die Dabigatran oder Rivaroxaban einnahmen. Die prospektiv erfassten Endpunkte waren Blutungskomplikationen sowie embolische Schlaganfälle und systemische Embolien.

In der Datenbank befinden sich 316859 Patienten, die regelmäßig dialysiert werden. Darunter fanden sich 29977 Patienten (9,5%) mit Vorhofflimmern. Im Beobachtungszeitraum wurden 281 Patienten mit Dabigatran und 244 mit Rivaroxaban behandelt. Die meisten Patienten wurden mit einer reduzierten Dosis behandelt. Nur etwa 15% der Dabigatran-Patienten erhielten die übliche Dosierung von zweimal täglich 150 mg, während 85% mit zweimal täglich 75 mg Dabigatran behandelt wurden. Die Behandlung mit Rivaroxaban erfolte bei knapp 70% der Patienten mit einer reduzierten Dosis von einmal täglich 15 mg, anstelle der regulären Dosis von 20 mg. In einer multivariaten adjustierten Regressionsanalyse bestand sowohl für Dabigatran mit einem relativen Risiko von 1,48 (95%-Konfidenzintervall [KI] 1,21–1,81; p=0,0001) und Rivaroxaban mit einem relativen Risiko von 1,38 (95%-KI 1,03–1,83; p=0,04) ein höheres Risiko einer stationären Aufnahme ins Krankenhaus oder Tod bedingt durch Blutungskomplikationen. Das Risiko an einer Blutung zu sterben, betrug für Dabigatran 1,78 (95%-KI 1,18–2,68; p=0.006) und für Rivaroxaban 1,71 (95%-KI 0,93–3,12; p=0,07), verglichen mit Warfarin. Die Zahl der Schlaganfälle und systemischen Embolien war so gering, dass es nicht möglich war, diese Endpunkte auszuwerten.

Kommentar

Diese Studie aus den Vereinigten Staaten zeigt, dass trotz entsprechender Kontraindikationen ein erheblicher Prozentsatz der Patienten, die dialysiert werden und an Vorhofflimmern leiden, mit Dabigatran oder Rivaroxaban behandelt werden. Die vorliegende Studie verglich diese Population mit den 8064 Patienten, die mit Warfarin antikoaguliert waren, und den 6018 Patienten, die Acetylsalicylsäure erhielten. Die Studie ist retrospektiv, wobei die Ereignisse prospektiv erfasst wurden. Die Ergebnisse legen nahe, dass im Vergleich zu einer oralen Antikoagulation mit Warfarin das Risiko schwerwiegender Blutungskomplikationen sowohl für Dabigatran wie Rivaroxaban erhöht ist. Dies gilt allerdings nicht, wie auch in großen randomisierten Studien gezeigt wurde, für die Zahl intrakranieller Blutungen. Diese sind bei den beiden neuen Antikoagulanzien signifikant erniedrigt. Ein wesentlicher Schwachpunkt der Studie ist der Vergleich mit einem Vitamin-K-Antagonisten. Es gibt bisher keine überzeugenden Daten, dass Patienten mit schwerer Niereninsuffizienz die dialysiert werden, von einer oralen Antikoagulation mit Vitamin-K-Antagonisten profitieren, wenn sie Vorhofflimmern haben [2]. Die bisher publizierten Daten legen nahe, dass die Patienten lediglich ein erhöhtes Blutungsrisiko, aber kein erniedrigtes Schlaganfallrisiko haben. Daher wäre es außerordentlich wünschenswert, prospektive Studien in dieser Patientenpopulation durchzuführen.

Quelle

Chan KE, et al. Dabigatran and rivaroxaban use in atrial fibrillation patients on hemodialysis. Circulation 2015; doi: 10.1161/CIRCULATIONAHA.114.014113.

Literatur

1. Stangier J, et al. The pharmacokinetics, pharmacodynamics and tolerability of dabigatran etexilate, a new oral direct thrombin inhibitor, in healthy male subjects. Br J Clin Pharmacol 2007;64:292–303.

2. Shah M, et al. Warfarin use and the risk for stroke and bleeding in patients with atrial fibrillation undergoing dialysis. Circulation 2014;129:1196–203.

Arzneimitteltherapie 2015; 33(06)