Prof. Dr. Hans-Christoph Diener, Essen
HMG-CoA-Reductasehemmer (Statine) sind hochwirksam in der Sekundärprävention des ischämischen Insults. In der Studie SPARCL (Stroke prevention by aggressive reduction in cholesterol levels) zeigte sich allerdings bei Patienten, die 80 mg Atorvastatin (z.B. Sortis®) erhielten, ein erhöhtes Risiko intrazerebraler Blutungen verglichen mit Patienten, die Placebo erhielten [1, 4]. Dieses Ergebnis konnte allerdings in einer großen Metaanalyse nicht repliziert werden [5]. Patienten, die einen ischämischen Insult erleiden, haben eine bessere Prognose, wenn sie zum Zeitpunkt der zerebralen Ischämie Statine einnehmen [3]. Die Prognose verbessert sich auch, wenn eine vorbestehende Statin-Medikation bei Patienten mit ischämischem Insult fortgeführt wird [2]. Ob es ähnliche Effekte bei Patienten mit zerebralen Blutungen gibt, war bisher nicht bekannt.
Methodik
Es handelt sich um eine retrospektive Kohorten-Analyse von 3481 Patienten, die in einem Zeitraum von zehn Jahren mit intrazerebralen Blutungen in 20 verschiedenen Krankenhäusern in Nordkalifornien aufgenommen worden waren. Die Diagnose stützte sich auf die zerebrale Bildgebung. Bei allen Patienten wurden aus den Krankenhausakten die wesentlichen prognostischen Faktoren gewonnen. Der primäre Endpunkt für diese Analyse war das Überleben nach 30 Tagen und die Frage, ob die Patienten nach Hause oder in eine stationäre Rehabilitationseinrichtung verlegt wurden. Die Patienten wurden unterteilt, ob sie vor oder während des Krankenhausaufenthalts Statine einnahmen. Die statistischen Analysen wurden für die wesentlichsten Komorbiditäten korrigiert.
Studienergebnisse
Die Patienten waren im Mittel 73 Jahre alt und litten zu 85% unter einer Hypertonie. Von den 3481 Patienten nahmen 1194 (34%) Statine ein und 2287 (66%) waren bezüglich Statinen unbehandelt. Die Patienten mit zerebralen Blutungen, die während des stationären Aufenthalts ein Statin erhielten, hatten eine 30-Tage-Mortalität von 18,4%; die die kein Statin erhielten, hatten eine Sterblichkeit von 38,7%. Dieser Unterschied war bei einem Odds-Ratio (OR) von 4,25 statistisch signifikant (p<0,001). Patienten, bei denen die Statine im Krankenhaus abgesetzt wurden, hatten eine Sterblichkeit von 57,8% verglichen mit 18,9% für Patienten bei denen eine vorbestehende Statin-Medikation fortgeführt wurde. Dieser Unterschied war mit einem OR von 0,16 ebenfalls signifikant (p<0,001). Patienten, die Statine erhielten oder bei denen eine vorbestehende Statin-Therapie fortgesetzt wurde, wurden auch sehr viel häufiger (in 51,1%) nach Hause oder in eine Einrichtung zur Akutrehabilitation entlassen verglichen zu Patienten ohne Statin-Therapie (in 35,0%;.OR 2,57; p<0,001).
Kommentar
Die Ergebnisse dieser großen retrospektiven Studie aus den Vereinigten Staaten sind ermutigend, da sie zeigen, dass kein erhöhtes Risiko besteht, wenn Patienten unter Statin-Medikation eine zerebrale Blutung erleiden. Die Ergebnisse weisen sogar eher darauf hin, dass eine vorbestehende Statin-Therapie fortgeführt werden sollte. Ob Patienten mit zerebralen Blutungen von der Statin-Gabe profitieren, wenn die Therapie im Rahmen der zerebralen Blutung begonnen wird, ist allerdings bisher nicht bekannt. Ein wesentlicher Nachteil ist, dass die Studie retrospektiv ist und nicht auf einer randomisierten Zuordnung der Patienten beruht. In den statistischen Analysen waren die Autoren allerdings bemüht, die wesentlichen Risikofaktoren und vaskulären Begleiterkrankungen zu korrigieren. Dessen ungeachtet wäre eine randomisierte Studie, die die Frage untersucht, ob eine vorbestehende Statin-Therapie bei Patienten mit intrazerebralen Blutungen fortgeführt werden soll, sehr wünschenswert.
Quelle
Flint AC, et al. Effect of statin use during hospitalization for intrazerebral hemorrhage on mortality and discharge disposition. JAMA Neurol 2014;71:1364–71.
Literatur
1. Amarenco P, et al. Effects of intense low-density lipoprotein cholesterol reduction in patients with stroke or transient ischemic attack: the Stroke Prevention by Aggressive Reduction in Cholesterol Levels (SPARCL) trial. Stroke 2007;38:3198–204.
2. Blanco M, et al. Statin treatment withdrawal in ischemic stroke: a controlled randomized study. Neurology 2007;69:904–10.
3. Flint AC, et al. Statin use during ischemic stroke hospitalization is strongly associated with improved poststroke survival. Stroke 2012;43:147–54.
4. Goldstein LB, et al. Hemorrhagic stroke in the stroke prevention by aggressive reduction in cholesterol levels study. Neurology 2008;70:2364–70.
5. McKinney JS, Kostis WJ. Statin therapy and the risk of intrazerebral hemorrhage: a meta-analysis of 31 randomized controlled trials. Stroke 2012;43:2149–56.
Arzneimitteltherapie 2015; 33(06)