Stefan Knop, Würzburg
Das multiple Myelom (MM) ist eine nach wie vor unheilbare maligne Plasmazellerkrankung. Therapiebedürftig ist sie, sobald assoziierte Symptome im Sinne von „Endorganschäden“ auftreten, wobei die Behandlungsindikation mit der letzten Aktualisierung durch die Internationale Arbeitsgruppe (IMWG) zuletzt etwas weiter gefasst wurde [4]. Während die Einführung der ersten Generation der „neuen Substanzen“ (Proteasomhemmer, immunmodulierende Substanzen) in die Erstlinientherapie im vergangenen Jahrzehnt zu einer deutlichen Prognoseverbesserung geführt hat, ist die Therapie bei Krankheitsprogress in einzelnen Situationen nicht leichter geworden. Dies betrifft insbesondere zwei Patientengruppen: solche mit extramedullären Manifestationen [5] und auf Bortezomib (Velcade®) bzw. Thalidomid/Lenalidomid (Revlimid®) refraktär gewordene [2].
Zulassungsstudie
In dieser Situation ist mit kurzen, weiteren progressionsfreien Intervallen und ungünstiger Gesamtüberlebenszeit zu rechnen. Die Phase-III-Studie, die letztlich zur Zulassung von Pomalidomid (Imnovid®) in Kombination mit niedrig dosiertem Dexamethason durch die EMA (European Medicines Agency) geführt hat [6], war hinsichtlich des behandelten Patientenkollektivs exakt auf diese Nische zugeschnitten. Patienten mussten auf ihre letzte unmittelbar vorangehende Anti-Myelomtherapie progredient gewesen sein oder es musste innerhalb von 60 Tagen nach deren Abschluss eine Krankheitsprogression gegeben haben. Ferner musste ein Therapieversagen von Lenalidomid und Bortezomib dokumentiert sein. Durch ausgesprochen unvorteilhafte Ergebnisse im Kontrollarm (progressionsfreies Intervall mit hoch dosiertem Dexamethason von nur knapp zwei Monaten) waren die Verlängerung der Zeit bis zur nächsten Myelomprogression auf vier Monate und des Gesamtüberlebens im experimentellen Arm mit Pomalidomid/Dexamethason statistisch signifikant.
Nebenwirkungen
Neben der auf diese Weise nachgewiesenen Wirksamkeit in einer ausgesprochen schwierigen therapeutischen Situation ist die Verträglichkeit dieses Cereblon-bindenden Moleküls der „nächsten Generation“ (nach Wiederentdeckung von Thalidomid und Neueinführung von Lenalidomid) bemerkenswert.
Noch mehr als es die Daten aus der Zulassungsstudie [6] nahelegen, beeindruckt einen die Schilderung der Patienten zur viel zitierten Lebensqualität unter Pomalidomid und niedrig dosiertem Dexamethason. Während die massive, kaum rückbildungsfähige Neuropathie von Thalidomid bereits unter Lenalidomid keinerlei Rolle mehr spielte, so ist die Induktion von Dauermüdigkeit und Abgeschlagenheit durch die letztere Substanz ganz offensichtlich unter Pomalidomid nochmals massiv geringer ausgeprägt. Ganz vereinzelt beobachten wir in der Klinik leichte bis mittelschwere kutane Reaktionen.
Die einzig relevante Nebenwirkung ist hämatologische Toxizität, wobei auch hier die Ausprägung von Neutropenien geringer ist als unter Lenalidomid und sich häufig unter intermittierender Gabe von Wachstumsfaktoren (G-CSF-Präparate) beherrschen lässt. Die Inzidenz von schweren (Grad 3 und 4) Neutropenien lag in der Studie bei 48% und koloniestimulierende Faktoren wurden ihrerseits bei 43% der Patienten im experimentellen Arm appliziert.
Anwendung
Behandelt wird, ganz in der Tradition von Lenalidomid und Dexamethason, „kontinuierlich“, das heißt, bis zum Auftreten einer nächsten Krankheitsprogression oder nicht hinnehmbarer Nebenwirkungen.
Die Startdosis beträgt 4 mg von Tag 1 bis Tag 21 eines vierwöchigen Zyklus, zur Dosisreduktion steht aktuell die Wirkstärke von 3 mg zur Verfügung. Zu achten ist auf eine Prophylaxe von venösen Thrombembolien, wenngleich auch für diese relevante Nebenwirkung die Inzidenz (unter vorgeschriebener prophylaktischer Medikation mit ASS oder NMH-Heparin für Risikopatienten) mit kumulativ 2% in einem sehr akzeptablen Bereich lag.
Ausblick
Ganz sicher sind die Wirksamkeitsdaten der Zweifachkombination aus Pomalidomid und niedrig dosiertem Dexamethason noch längst nicht das Ende der Entwicklungen. Auf dem Kongress der „American Society of Hematology“ im Dezember 2014 in San Francisco wurden zwei Dreifachkombinationen vorgestellt, die auf Pomalidomid und niedrig dosiertem Dexamethason aufbauen. Diese Regime wurden im Rahmen einer randomisierten Phase-II-Studie (Pomalidomid/Cyclophosphamid/Dexamethason, PCD [1]) bzw. in einem einarmigen Phase-I/II-Protokoll (Pomalidomid/Bortezomib/Dexamethason, PVD [3]) evaluiert.
Bei allen Limitationen durch geringe Patientenzahlen (34 auswertbare Probanden in der Kombination mit Cyclophosphamid, 47 im Bortezomib-Triple) setzt sich auch hier der Eindruck einer sehr geringen Toxizität fort. Die Rate an Grad-3/4-Polyneuropathie in der Bortezomib-Kombination lag bei 4% und damit in einem sehr akzeptablen Bereich, geschuldet sicher der Gabe einmal pro Woche und der Option einer subkutanen Dosierung.
Die hämatologische Toxizität im Cyclophosphamid enthaltenden Regime war erwartungsgemäß die führende Grad-3/4-Toxizität. Während asymptomatische Neutropenien bei 50% aller Behandlungen auftraten, lag die Inzidenz einer febrilen Neutropenie bei immerhin knapp 20% und damit doch spürbar über dem Wert für die Zweifachkombination.
Schaut man auf die Wirksamkeit, zeigt sich allerdings Erstaunliches: objektive Ansprechraten von 65% (PCD) bzw. sogar 85% (PVD) übersetzen sich in ein progressionsfreies Überleben (PFS) von ungefähr zehn Monaten. Auch wenn man diese Ergebnisse natürlich nicht direkt mit den PFS-Zeiten aus der Zulassungsstudie vergleichen kann, dürfte es sich um einen „wirklichen“ Zugewinn an Krankheitskontrolle handeln.
Die Erfolgsgeschichte einer Kombinationstherapie aus Cereblon-bindenden („immunmodulierenden“) Substanzen und Proteasomhemmer ist ja mittlerweile bestens bekannt, unter den zugelassenen Präparaten ist beispielsweise die Kombination aus Bortezomib, Lenalidomid und Dexamethason eine der wirksamsten in der Myelombehandlung überhaupt.
Man darf also davon ausgehen, dass in den kommenden Jahren nicht nur theoretisch weitere Therapieoptionen, die auf Pomalidomid/Dexamethason aufbauen, zur Verfügung stehen. Es wird auch zugelassene Dreifachkombinationen geben, an deren Wirksamkeit keine Zweifel bestehen, deren sequenzieller Einsatz aber wohl nie systematisch untersucht werden wird.
Interessenkonflikterklärung
SK gibt als potenziellen Interessenkonflikt die folgenden Firmen an: Amgen, Celgene, Janssen, Mundipharma, Novartis, Onyx,
Literatur
1. Baz R, Martin TG, Alsina M, et al. Pomalidomide, cyclophosphamide, and dexamethasone is superior to pomalidomide and dexamethasone in relapsed and refractory myeloma: results of a multicenter randomized phase II study. Blood 2014. abstract #303.
2. Kumar SK, Lee JH, Lahuerta JJ, et al. Risk of progression and survival in multiple myeloma relapsing after therapy with IMiDs and bortezomib: a multicenter international myeloma working group study. Leukemia 2012;26:149–57
3. Lacy MQ, LaPlant BR, Laumann KM, et al. Pomalidomide, bortezomib and dexamethasone (PVD) for patients with relapsed and lenalidomide-refractory multiple myeloma. Blood 2014. abstract #304.
4. Rajkumar SV, Dimopoulos MA, et al. International Myeloma Working Group updated criteria for the diagnosis of multiple myeloma. Lancet Oncol 2014;15:e538–48.
5. Rasche L, Bernard C, Topp MS, et al. Features of extramedullary myeloma relapse: high proliferation, minimal marrow involvement, adverse cytogenetics: a retrospective single-center study of 24 cases. Ann Hematol 2012;91:1031–7.
6. San Miguel J, Weisel K, Moreau P, et al. Pomalidomide plus low-dose dexamethasone versus high-dose dexamethasone alone for patients with relapsed and refractory multiple myeloma (MM-003): a randomised, open-label, phase 3 trial. Lancet Oncol 2013;14:1055–66

Priv.-Doz. Dr. med. Stefan Knop ist Leiter des Schwerpunkts Hämatologie der Medizinischen Klinik und Poliklinik II des Universitätsklinikums Würzburg und Sekretär der Deutschen Studiengruppe Multiples Myelom (DSMM).
Priv.-Doz. Dr. med. Stefan Knop, Medizinische Klinik und Poliklinik II, Zentrum für Innere Medizin, Oberdürrbacher Straße 6, 97080 Würzburg, E-Mail: Knop_S@ukw.de
Arzneimitteltherapie 2015; 33(06)