Hepatitis C/HIV-1-Koinfektion

Anhaltendes virologisches Ansprechen mit Sofosbuvir plus Ledipasvir oder Daclatasvir


Dr. Matthias Desch, Wien

Hepatitis-C-Patienten, die mit dem Humanen Immundefizienz-Virus Typ 1 (HIV-1) koinfiziert sind, zeigten in der ION-4- und ALLY-2-Studie hohe Raten einer anhaltenden virologischen Antwort (sustained virological response, SVR), ohne dass eine bestehende HIV-Therapie beeinflusst wurde.

Weltweit sind schätzungsweise 4 bis 5 Millionen Hepatitis-C--Patienten mit HIV-1 koinfiziert. Dies ist assoziiert mit höheren Raten an Leberzirrhose, hepatozellulärem Karzinom und hepatischer Dekompensation als bei Hepatitis-C-Virus(HCV)-monoinfizierten Patienten. Auch die Todesrate ist bei Patienten, die unter beiden Infektionen leiden, höher. In Beobachtungsstudien konnte gezeigt werden, dass sich bei einer Eliminierung von HCV die leberassoziierte Morbidität und Mortalität senken ließen. In der PHOTON-2-Studie konnten mit der Kombination von Ribavirin und Sofosbuvir hohe SVR-Raten bei HCV/HIV-Patienten erreicht werden. Nach der Zulassung des HCV-RNA-Polymerase(NS5B)-Inhibitors Sofosbuvir im Jahr 2014 erfolgte die Zulassung weiterer hochpotenter, direkt antiviral wirkender Substanzen, der NS5A-Inhibitoren Daclatasvir und Ledipasvir. Eine Kombination von NS5A- und NS5B-Hemmern führte in den Zulassungsstudien zu sehr hohen SVR-Raten bei monoinfizierten HCV-Patienten (vortherapiert und therapienaiv). In den vorliegenden Studien ION-4 und ALLY-2 sollten die Wirksamkeit und Sicherheit der Kombinationen von Sofosbuvir plus Ledipasvir beziehungsweise Sofosbuvir plus Daclatasvir bei HCV/HIV-1 koinfizierten Patienten untersucht werden.

ION-4-Studie: Studiendesign

Bei der ION-4-Studie handelt es sich um eine offene, multizentrische, nichtkontrollierte Studie, in die 335 Patienten mit HCV-Genotyp 1 oder 4 und einer HIV-1-Koinfektion eingeschlossen wurden (Tab. 1). 34% waren Afroamerikaner, 55% waren bereits vortherapiert, 20% hatten eine kompensierte Leberzirrhose, und alle wurden gegen HIV medikamentös behandelt. Aufgrund pharmakokinetischer Wechselwirkungsdaten von gesunden Probanden war jedoch die erlaubte HIV-Medikation eingeschränkt. Gestattet waren Therapieschemata bestehend aus Emtricitabin und Tenofovir plus Efavirenz, Raltegravir oder Rilpivirin. Alle Studienteilnehmer erhielten einmal täglich eine Fixkombination aus 90 mg Ledipasvir und 400 mg Sofosbuvir (Harvoni®) über 12 Wochen, unabhängig von einer Vortherapie, Zirrhose oder der HIV-Medikation. Primärer Wirksamkeitsendpunkt war die SVR (<25 I.U./ml) 12 Wochen nach Therapieende.

Tab. 1. Studiendesign von ION-4 und ALLY-2 [nach Naggie S, et al.; Wyles DL, et al.]; HCV: Hepatitis C Virus; HIV-1: Humanes Immundefizienz-Virus Typ 1; SVR: anhaltende virologische Ansprechrate (sustained virological response)

ION-4

ALLY-2

Studienziel

Wirksamkeit und Sicherheit der Ledipasvir/Sofosbuvir-Fixkombination für 12 Wochen bei Patienten mit chronischer Genotyp-1- oder -4-HCV/HIV-1-Koinfektion

Daclatasvir plus Sofosbuvir bei therapienaiven und vortherapierten Patienten mit chronischer Genotyp-1-, -2-, -3- oder -4-HCV/HIV-1-Koinfektion

Studientyp

Interventionsstudie

Interventionsstudie

Studienphase

Phase III

Phase III

Studiendesign

Multizentrisch, offen, nichtkontrolliert

Multizentrisch, offen, randomisiert

Eingeschlossene Patienten

335 mit HCV/HIV-1-Koinfektion

203 mit HCV/HIV-1-Koinfektion

Intervention

Fixkombination mit 90 mg Ledipasvir/400 mg Sofosbuvir, einmal täglich

30, 60 oder 90 mg Daclatasvir und 400 mg Sofosbuvir einmal täglich

  • Therapienaiv, 12 Wochen (n=101)
  • Therapienaiv, 8 Wochen (n=50)
  • Vortherapiert, 12 Wochen (n=52)

Primäre Endpunkte

SVR nach 12 Wochen; Inzidenz unerwünschter Arzneimittelwirkungen, die zu Therapieabbruch führen

SVR 12 Wochen nach Therapieende bei therapienaiven Patienten mit HCV-Genotyp1, die die Studienmedikation 12 Wochen erhalten haben

Sekundäre Endpunkte

SVR nach 4 und 24 Wochen; Anteil der Patienten mit HIV-1-Suppression (<50 RNA-Kopien/ml) während der HCV-Therapie

SVR 12 Wochen nach Therapieende unter 8-wöchiger Medikation (therapienaive Patienten) bzw. 12-wöchiger Medikation (vortherapierte Patienten) mit HCV-Genotyp 1; SVR-Rate unabhängig vom HCV-Genotyp; virologisches Ansprechen während der Therapie; Sicherheit

Sponsor

Gilead Sciences

Bristol-Myers Squibb

Studienregisternummer

NCT02073656 (ClinicalTrials.gov)

GS-US-337–0115

NCT02032888 (ClinicalTrials.gov)

AI444–216

Primärer Sicherheitsendpunkt waren unerwünschte Arzneimittelwirkungen (UAW), die zu einem Therapieabbruch führten; sekundärer Sicherheitsendpunkt war der Anteil der Patienten, bei denen eine HIV-1-Suppression (<50 RNA-Kopien/ml) während der HCV-Therapie erhalten blieb.

Ledipasvir plus Sofosbuvir: Studienergebnisse

Unabhängig von einer HCV-Vortherapie oder einer Leberzirrhose erreichten 12 Wochen nach Therapieende 96% (95%-Konfidenzintervall [KI] 93–98) der Studienteilnehmer eine SVR. Subgruppenanalysen der Genotypen zeigten folgende SVR-Raten: Genotyp 1a: 96% (95%-KI 93–98); Genotyp 1b: 96% (95%-KI 89–99); Genotyp 4:100% (95%-KI 63–100). Alle 13 Patienten, die unter der Vortherapie mit Sofosbuvir plus Ribavirin ein Rezidiv erlitten, erreichten eine SVR. 13 Patienten (alle afroamerikanisch) konnten keine SVR erzielen. Davon verstarb ein Patient.

Die Kombination aus Sofosbuvir und Ledipasvir wurde insgesamt gut vertragen. Es kam zu keinem Therapieabbruch aufgrund von Nebenwirkungen. Die am häufigsten genannten UAW waren Kopfschmerz (25%), Müdigkeit (21%) und Durchfall (11%). Acht Patienten (2%), alle mit Leberzirrhose, berichteten über schwere unerwünschte Wirkungen. Ein HI-Virus-„Durchbruch“ wurde während des Beobachtungszeitraums nicht beobachtet.

ALLY-2-Studie: Studiendesign

Die ALLY-2-Studie ist eine offene, multizentrische Studie, in die insgesamt 203 Patienten mit HCV-Genotyp 1 bis 4 und einer HIV-1-Koinfektion eingeschlossen wurden (83% mit HCV-Genotyp 1, 14% mit kompensierter Leberzirrhose und 98% mit HIV-Therapie, Tab. 1). 151 Teilnehmer waren HCV-therapienaiv und wurden 2:1 in einen 12-Wochen- und einen 8-Wochen-Studienarm randomisiert. Die Studienmedikation bestand aus einer einmal täglichen Gabe von 60 mg Daclatasvir plus 400 mg Sofosbuvir. Abhängig von der begleitenden HIV-Medikation mit Cytochrom-P450-3A4-Inhibitoren oder -Induktoren wurde die Dosis von Daclatasvir auf 30 mg (Ritonavir-geboosterte HIV-Therapie) oder 90 mg (HIV-Therapie mit Nevirapin oder Efavirenz) angepasst. Die 52 bereits vortherapierten Patienten (Vortherapie ohne NS5A-Inhibitor) erhielten die Medikation über 12 Wochen. Der primäre Wirksamkeitsendpunkt war die SVR (<25 I.U./ml) 12 Wochen nach Therapieende bei nicht vorbehandelten Patienten mit HCV-Genotyp 1, die die Studienmedikation 12 Wochen erhalten haben. Sekundäre Endpunkte waren die SVR-Raten 12 Wochen nach Therapieende unter 8-wöchiger oder 12-wöchiger Medikation bei vortherapierten Patienten mit HCV-Genotyp 1 und die SVR-Rate unabhängig vom HCV-Genotyp.

Daclatasvir plus Sofosbuvir: Studienergebnisse

12 Wochen nach Therapieende wurden folgende SVR-Raten erreicht:

  • Patienten mit Genotyp 1, therapienaiv, 12 Wochen Behandlungsdauer: 96,4% (95%-KI 89,8–99,2)
  • Patienten mit Genotyp 1, therapienaiv, 8 Wochen Behandlungsdauer: 75,6% (95%-KI 59,7–87,6)
  • Patienten mit Genotyp 1, vortherapiert: 97,7% (95%-KI 88,0–99,9)

Unabhängig vom Genotyp wurden SVR-Raten von 97,0% (95%-KI 91,6–99,4), 76,0% (95%-KI 61,8–86,9) und 98,1% (95%-KI 89,7–100,0) ermittelt.

Die Studienmedikation erwies sich als gut verträglich. Therapieabbrüche aufgrund von unerwünschten Wirkungen wurden nicht verzeichnet. Die am häufigsten gemeldeten UAW waren Erschöpfung (17%), Übelkeit (13%) und Kopfschmerz (11%). Bei vier Patienten wurden schwerwiegende Ereignisse beobachtet, wobei keines auf die HCV-Therapie zurückzuführen war. Ein Patient hatte einen HI-Virus-„Durchbruch“ aufgrund eines Studienabbruchs, ein weiterer zeigte erhöhte HIV-RNA-Kopien in der 12. Woche der Therapie und in der vierten Woche nach der Therapie. In der 12. Woche nach Therapieende erreichte er eine SVR; HIV-RNA-Kopien waren, ohne die antiretrovirale Medikation anzupassen, nicht mehr nachzuweisen.

Diskussion

Sowohl die Kombination von Ledipasvir plus Sofosbuvir als auch von Daclatasvir plus Sofosbuvir zeigten sehr hohe Raten an anhaltendem virologischen Ansprechen bei HCV/HIV-1-koinfizierten Patienten. Die Raten waren ähnlich hoch wie bei monoinfizierten HCV-Patienten.

Die Verträglichkeit war gut, eine begleitende HIV-Therapie wurde nicht beeinflusst. HIV-Therapien bergen ein hohes Risiko von pharmakokinetischen Wechselwirkungen. Die ION-4-Studie hatte deshalb enge Einschlusskriterien und ließ nur Proteaseinhibitor-freie HIV-Therapieschemata zu. Weitere Studien zur Sicherheit und Wirksamkeit von Ledipasvir/Sofosbuvir bei HIV-Therapien, die auch Proteaseinhibitoren enthalten, wären wünschenswert. Da aber bisher nur die Fixkombination verfügbar ist, sind Dosisanpassungen im Bedarfsfall schwer durchzuführen.

Die ALLY-2-Studie erlaubte viele Kombinationen von HIV-Therapien, sowohl mit als auch ohne Proteaseinhibitoren. Dosisanpassungen sind bei der Kombination von Daclatasvir plus Sofosbuvir generell leichter durchzuführen, da es sich um keine Fixkombination handelt.

Beide Studien belegen die Möglichkeit einer Interferon-freien Therapie mit noch höheren SVR-Raten als mit der Kombination von Sofosbuvir plus Ribavirin. Wenn möglich, sollte bevorzugt eine 12-wöchige Behandlungszeit gewählt werden.

Quellen

Naggie S, et al. Ledipasvir and sofosbuvir for HCV in patients coinfected with HIV-1. N Engl J Med 2015;373:705–13.

Wyles DL, et al. Daclatasvir plus sofosbuvir for HCV in patients coinfected with HIV-1. N Engl J Med 2015;373:714–25.

Arzneimitteltherapie 2015; 33(12)