Dr. med. Peter Stiefelhagen, Hachenburg
Die chronische Herzinsuffizienz ist trotz gewisser Fortschritte weiterhin eine Erkrankung mit ernster Prognose. Die Hälfte der Patienten verstirbt innerhalb von fünf Jahren nach der Diagnosestellung. Somit ist die Prognose durchaus ähnlich der einer malignen Erkrankung. Die bisherige Prognose-verbessernde Standardtherapie umfasst RAAS-Blocker wie ACE-Hemmer oder AT1-Rezeptorblocker, Betablocker und Mineralocorticoid-Rezeptorblocker.
ARNI: Eine neue Substanzklasse
LCZ696 ist der erste Vertreter einer neuen Substanzklasse, nämlich der Angiotensin-Rezeptor-Neprilysin-Inhibitoren (ARNI). Es handelt sich um einen kristallinen Salzkomplex mit zwei aktiven funktionalen Einheiten, nämlich dem AT1-Rezeptorblocker Valsartan und Sacubitril, einem Prodrug des Neprilysin-Inhibitors LBQ657. Neprilysin ist eine Protease, die unter anderem natriuretische Peptide abbaut. Die Hemmung von Neprilysin führt somit zu einem Anstieg der natriuretischen Peptide und verstärkt deren günstige Wirkungen (z.B. Blutdrucksenkung, erhöhte glomeruläre Filtrationsrate, Hemmung des kardialen Remodellings). LCZ696 verfügt also über einen dualen Wirkungsmechanismus: Es hemmt zum einen das Renin-Angiotensin-Aldosteron-System und stärkt zum anderen das natriuretische Peptidsystem. Mit anderen Worten: Der insuffiziente Herzmuskel wird auf zweifachem Weg entlastet.
PARADIGM-HF-Studie
LCZ696 wurde im Rahmen der multizentrischen, randomisierten, doppelblinden Studie PARADIGM-HF untersucht, und zwar in einem vergleichenden Design mit dem ACE-Hemmer Enalapril (Tab. 1). Aufgenommen in die Studie wurden 8442 Patienten mit einer stabilen chronischen Herzinsuffizienz mit einer Auswurffraktion ≤40% im klinischen NYHA-Stadium II–IV. Dies wurde im Dezember 2010 im Studienprotokoll auf ≤35% geändert. In die Auswertung flossen schließlich die Ergebnisse von 8399 Patienten ein, wobei 70% der Patienten im NYHA-Stadium II waren. Das Follow-up betrug im Mittel 27 Monate.
Tab. 1. Studiendesign von PARADIGM-HF (Prospective comparison of ARNI with ACEI to determine impact on global mortality and morbidity in heart failure trial) [McMurray et al.]; BID: zweimal täglich
Studienziel |
Wirksamkeit und Sicherheit von LCZ696 im Vergleich zu Enalapril in Bezug auf Morbidität und Mortalität von Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz |
Studientyp |
Interventionsstudie |
Studienphase |
Phase III |
Studiendesign |
Multizentrisch, randomisiert, kontrolliert, doppelblind, parallel |
Eingeschlossene Patienten |
8442* |
Intervention |
|
Primäre Endpunkte |
Kardiovaskulär bedingter Tod oder Herzinsuffizienz-bedingte stationäre Aufnahme |
Sekundäre Endpunkte |
Gesamtmortalität, Veränderung in der klinischen Gesamtbewertung von Herzinsuffizienz-Symptomen und physischer Einschränkung (gemäß Kansas City Cardiomyopathy Questionnaire) nach 8 Monaten, Neuauftreten von Vorhofflimmern, Auftreten von Nierenfunktionsstörungen |
Sponsor |
Novartis Pharmaceuticals |
Studienregisternummer |
NCT01035255 (ClinicalTrials.gov) |
* 43 Patienten wurden nicht in der weiteren Auswertung berücksichtigt
Prognose und Symptome werden verbessert
Die Auswertung ergab eine eindrucksvolle Überlegenheit von LCZ696. Der primäre Endpunkt aus kardiovaskulär bedingter Mortalität und Notwendigkeit eines Krankenaufenthalts wegen Herzinsuffizienz wurde durch LCZ696 im Vergleich zu Enalapril um 20% gesenkt (Tab. 2; Hazard-Ratio =0,80). Die kardiovaskulär bedingte Mortalität sank um 20%, die Notwendigkeit für eine stationäre Behandlung um 21%. Die Gesamtmortalität nahm um 16% ab.
Tab. 2. PARADIGM-HF-Studie: Vergleich von LCZ696 versus Enalapril [nach McMurray, et al.]; HR: Hazard-Ratio; 95%-KI: 95%-Konfidenzintervall
LCZ696 |
Enalapril |
HR (95%-KI) |
p-Wert |
|
Primärer Endpunkt |
914 (21,8) |
1117 (26,5) |
0,80 (0,73–0,87) |
<0,001 |
Kardiovaskulär bedingte Mortalität |
558 (13,3) |
693 (16,5) |
0,80 (0,71–0,89) |
<0,001 |
Notwendigkeit für eine stationäre |
537 (12,8) |
658 (15,6) |
0,79 (0,71–0,89) |
<0,001 |
Sekundärer Endpunkt Gesamtmortalität |
711 (17,0) |
835 (19,8) |
0,84 (0,76–0,93) |
<0,001 |
In der LCZ696-Gruppe traten etwas häufiger symptomatische Hypotonien (14,0% vs. 9,2%, p<0,001) auf, jedoch waren Behandlungsabbrüche aufgrund Hypotonie-bedingter Nebenwirkungen in beiden Gruppen gleich häufig. Unter LCZ696 kamen eine Verschlechterung der Nierenfunktion (3,3% vs. 4,5%), eine Hyperkaliämie (16,1% vs. 17,3%) und Husten seltener vor als unter Enalapril. Unter LCZ696 gab es häufiger nichtschwerwiegende Angioödeme. Ein Anstieg schwerwiegender Angioödeme wurde jedoch nicht beobachtet. In der LCZ696-Gruppe setzten 10,7%, in der Enalapril-Gruppe 12,3% der Patienten die Studienmedikation wegen eines unerwünschten Ereignisses ab (p=0,03).
Anstieg des BNP
Das B-natriuretische Peptid (BNP) und NT-proBNP werden bei Herzinsuffizienz vermehrt gebildet. Sie gelten deshalb als Biomarker für die Diagnosestellung. LCZ696 hemmt den Abbau von BNP, aber nicht von NT-proBNP. Somit kommt es unter der Therapie mit LCZ696 zu einem Anstieg des BNP, was aber nicht als Verschlechterung der kardialen Situation, sondern vielmehr als Ausdruck der Wirkung gesehen werden muss. Zur Verlaufskontrolle empfiehlt sich bei einer Therapie mit LCZ696 nur die Bestimmung des NT-proBNP, das in der PARADIGM-HF-Studie unter LCZ696 auch abnahm.
Fazit
LCZ696 ist der erste Vertreter einer neuen Substanzklasse: ARNI vereinen zwei Wirkkomponenten in sich, eine AT1-Rezeptorblockade und eine Neprilysin-Hemmung. Im Rahmen der PARADIGM-HF-Studie konnte die Substanz nicht nur die Notwendigkeit für eine erneute stationäre Behandlung, sondern auch die kardiovaskuläre und Gesamtmortalität günstig beeinflussen.
Quelle
Prof. Dr. med. Burkert Pieske, Berlin; Pressekonferenz „Neue Strategien bei der Behandlung von Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz“, veranstaltet von Novartis Pharma GmbH im Rahmen der Tagung der European Society of Cardiology (ESC), London, 1. September 2015.
Literatur
McMurray JJV, et al. Angiotensin-neprilysin inhibition versus enalapril in heart failure. N Engl J Med 2014;371:993–1004.
Arzneimitteltherapie 2015; 33(12)