Einnahmetreue bei Statin-Therapie

Einfluss durch Berichterstattung in den Medien


Veröffentlicht am: 28.11.2019

Prof. Dr. Ulrich Laufs, Homburg

Negative Presseberichte über Statine reduzieren die Einnahmetreue von Statinen und steigern das Risiko für Myokardinfarkt und kardiovaskuläre Sterblichkeit.
Mit einem Kommentar von Prof. Dr. Ulrich Laufs, Homburg

Presseberichte zu Cholesterin und Lipidsenkung sind heterogen (Beispiel: „Cholesterin-Lüge“). Bislang war unbekannt, ob die Berichterstattung in den Medien einen Einfluss auf die Einnahmetreue und klinische Ereignisse hat.

Zu diesem Thema publizierten Nielsen und Nordestgaard [1] im Dezemberheft 2015 des European Heart Journal eine bevölkerungsbezogene Analyse aus Dänemark, in der sie die Daten des Sterberegisters, des dänischen nationalen Medizinprodukteregisters sowie der dänischen Info-Media-Datenbank gemeinsam auswerteten. Die Analyse erfasst 647900 Menschen im Alter über 40 Jahre, die im Zeitraum von 1995 bis 2010 ein Rezept für einen HMG-CoA-Reductasehemmer (Statine) erhalten haben. Die Patienten wurden bis zum 31. Dezember 2011 beobachtet.

Studienergebnisse

Die Zahl der Statin-Behandelten stieg von unter 1% im Jahr 1995 auf 11% im Jahr 2010, gleichzeitig wurde eine Steigerung der Abbruchrate einer Statin-Therapie von 6% in 1995 auf 8% in 2010 beobachtet. Insgesamt beendeten 91551 Patienten ihre Statin-Einnahme und 583349 Patienten nahmen ihr Statin mindestens sechs Monate nach der initialen Verschreibung ein.

Die Wissenschaftler identifizierten 1931 Presseberichte mit Bezug zu Statinen im Zeitraum 1995 bis 2011 in den dänischen Medien. Von diesen waren 110 negativ, 1090 neutral und 731 positiv. Negative Statin-Berichte bezogen sich insbesondere auf die sogenannte „Cholesterin-Lüge“. Positive Medienberichte befassten sich typischerweise mit der Evidenz von publizierten Studien.

Die Analyse zeigt, dass Patienten mit Exposition zu negativen Presseberichten über Statine ein um 9% signifikant erhöhtes Risiko für eine vorzeitige Beendigung der Statin-Medikation aufwiesen (95%-Konfidenzintervall [KI] 1,06–1,12, multivariat adjustiert) (Abb. 1). Das Risiko für eine vorzeitige Beendigung der Statin-Medikation innerhalb von sechs Monaten stieg um 4% pro Kalenderjahr, um 4% pro Dosissteigerung, um 5% für männliches Geschlecht, um 13% für den Wohnort in einer Stadt im Vergleich zu einer ländlichen Region und um 67% für eine ethnische Herkunft außerhalb von Dänemark. Exposition zu positiven Berichten über Statine reduzierte die Wahrscheinlichkeit für eine vorzeitige Beendigung der Statine um 8%.

In Übereinstimmung mit früheren Analysen bestätigt sich auch in dieser großen Kohortenstudie die Bedeutung der Einnahmetreue zu Statinen für das Herzinfarkt- und Sterblichkeitsrisiko. Die Patienten in der dänischen Analyse, die vorzeitig die Statin-Medikation beendeten, waren durch ein um 26% erhöhtes Risiko für einen Myokardinfarkt und ein um 18% erhöhtes Risiko für einen kardiovaskulären Tod gekennzeichnet.

Abb. 1. Einfluss der Berichterstattung auf die Einnahmetreue bei Statin-Therapie KI: Konfidenzintervall

Kommentar

Die Untersuchung führt die Bedeutung der öffentlichen Kommunikation von kardiovaskulären Risikofaktoren und Therapieprinzipien vor Augen. Unkritische negative Berichterstattung über LDL-Senkung und Statine führt bei einer relevanten Anzahl von Menschen zum vorzeitigen Abbruch der Statin-Medikation, dies ist mit einer Steigerung des Risikos für Myokardinfarkt und Tod assoziiert. Die Studie unterstreicht weiterhin die Notwendigkeit, Strategien zu entwickeln, um die Einnahmetreue von Arzneimitteln – insbesondere bei chronischen Erkrankungen und bei Polymedikation – zu verbessern.

Literatur

Nielsen SF, Nordestgaard BG. Negative statin-related news stories decrease statin persistence and increase myocardial infarction and cardiovascular mortality: A nationwide prospective cohort study. Eur Heart J 2015. [Epub ahead of print].


Arzneimitteltherapie 2016; 34(03)