Multikinase-Inhibitor bei FLT3-mutierter AML

Midostaurin in Kombination mit Chemotherapie verlängert Überleben


Dr. Susanne Heinzl, Reutlingen

Erstmals nach nahezu 30 Jahren konnte mit Midostaurin in Kombination mit Standardchemotherapie bei Patienten mit FLT3-mutierter akuter myeloischer Leukämie (AML) eine Verlängerung des Gesamtüberlebens erreicht werden. Dies zeigten die Ergebnisse der in der Plenarsitzung auf dem ASH-Kongress Anfang Dezember 2015 vorgestellten RATIFY-Studie.

Die akute myeloische Leukämie ist ein aggressiver Blutkrebs, der bei Erwachsenen einen Anteil von etwa 25% an allen Leukämien hat. Diese häufigste Form unter den akuten Leukämien hat die niedrigste Überlebensrate. Eine FLT3-Mutation tritt bei etwa 30% der Patienten auf und ist mit einer schlechteren Prognose assoziiert.

Seit mehr als 25 Jahren ist die Behandlungsstrategie bei AML unverändert, sie basiert auf der Gabe eines Anthracyclins mit Cytarabin. Bisher verbesserte die zusätzliche Gabe weiterer Substanzen das Therapieergebnis nicht.

Dies gelang nun in der RATIFY-Studie, die sich zum einen durch die Dauer von zehn Jahren von der Konzeption bis zu den Ergebnissen und zum anderen durch eine ungewöhnliche Zusammenarbeit von akademischer Forschung und Industrie auszeichnete. Die Studie wurde durch die Alliance for Clinical Trials in Oncology stellvertretend für 13 internationale Gruppen in Nordamerika unterstützt. Novartis war Sponsor in Europa und Australien.

Dirty Drug Midostaurin

Midostaurin (Abb. 1) ist ein oral applizierbarer potenter FLT3-Inhibitor. Weil es auch VEGFR, PKC, KIT und PDGFR hemmt, kann es als „Dirty Drug“ angesehen werden.

Abb. 1. Oral applizierbarer Multikinase-Hemmer Midostaurin

In der RATIFY-Studie wurden 717 Patienten im Alter von 18 bis 60 Jahren mit neu diagnostizierter AML und FLT3-Mutation aufgenommen. Randomisiert erhielten sie eine Standard-Chemotherapie aus Daunorubicin und Cytarabin mit Midostaurin (n=360) oder mit Placebo (n=357) sowohl für die Induktions- als auch die Konsolidierungsbehandlung und dann über ein Jahr nur Midostaurin oder Placebo als Erhaltungstherapie (Tab. 1).

Tab. 1. Therapieprotokoll der RATIFY-Studie [nach Stone et al]

Induktion
(2. Zyklus basierte auf Knochenmarkwerten an Tag 21)

Daunorubicin

60 mg/m² Tag 1–3

Cytarabin

200 mg/m² Tag 1–7

Midostaurin oder Placebo

50 mg oral bid Tag 8–21

Konsolidierung
(bis zu vier Zyklen)

Cytarabin

3 g/m² über 3 h/12 h Tag 1, 3, 5

Midostaurin oder Placebo

50 mg oral bid Tag 8–21

Erhaltungstherapie

Midostaurin oder Placebo

50 mg oral bid Tag 1–28
über 12 Zyklen

bid: 2-mal täglich

57% der Patienten erhielten eine allogene Stammzelltransplantation. Die Patienten waren im Median 48 Jahre alt. Die Nachbeobachtungszeit betrug im Median 57 Monate.

Die finale Analyse der Daten sollte nach 509 Todesfällen erfolgen. Im April 2015 waren aber erst 359 Patienten verstorben, daher wurde der Zeitpunkt für die Analyse des Gesamtüberlebens geändert.

Primärer Endpunkt erreicht

Nach 60 Tagen hatten 59% der Patienten in der Midostaurin- und 53% der Patienten in der Placebo-Gruppe komplett angesprochen, der Unterschied war nicht signifikant. Jedoch erreichten mit 66% signifikant mehr Midostaurin-Patienten ein komplettes Ansprechen in der Induktions-Konsolidierungs-Phase im Vergleich zu 59% in der Placebo-Gruppe (p=0,045).

Der primäre Endpunkt der Studie wurde erreicht. Im Median überlebten die Patienten der Midostaurin-Gruppe 74,7 Monate, in der Placebo-Gruppe 25,6 Monate (p=0,0076). Nach vier Jahren lebten noch 51,4% der Patienten, die mit Midostaurin behandelt worden waren, in der Placebo-Gruppe waren es 44,2% (Hazard-Ratio 0,77; p=0,0074) (Abb. 2). Dies entspricht einem um 23% verringerten Todesrisiko durch die Midostaurin-Behandlung.

Abb. 2. Primärer Endpunkt der RATIFY-Studie: Midostaurin in Kombination mit Daunorubicin und Cytarabin wirkten auf das Gesamtüberleben der Patienten mit FLT3-mutierter AML signifikant besser als Daunorubicin und Cytarabin [nach Stone]

Ohne neues Ereignis lebten die Midostaurin-Patienten 8 Monate, die Placebo-Patienten 3,0 Monate (p<0,05).

Hautausschlag und Hautabschuppung waren schwere unerwünschte Wirkungen vom Grad 3/4, die unter Midostaurin mit 13% signifikant häufiger als unter Placebo mit 8% auftraten (p=0,02).

Quellen

Stone RM et al. The multikinase inhibitor midostaurin (M) prolongs survival compared with placebo in combination with daunorubicin (D)/cytarabine (C) induction, high-dose C consolidation, and as maintenance therapy in newly diagnosed acute myeloid leukemia patients age 18–60 with FLT3 mutations (muts): an international prospective randomized placebo-controlled double-blind trial (CALGB 10603/RATIFY [Alliance]). 57. ASH-Kongress, Orlando, 5. bis 8. Dezember 2015, Abstract 6.


Arzneimitteltherapie 2016; 34(03)