Dorothea Strobach, Michael Nagl und Alexandra Weber, München
Indikationen und Interaktionspotenzial von Rifampicin plus Clindamycin
Das Antibiotikum Rifampicin ist für sein hohes metabolisches Interaktionspotenzial bekannt. Es ist ein starker Induktor verschiedener Cytochrom-P450-(CYP-)Isoenzyme, des p-Glycoproteins und von UDP-Glucuronyl-Transferasen (UGT) und beeinflusst weitere Metabolisierungswege wie Acetylierung und anionische Transportersysteme [18]. Dies führt zu einer Vielzahl klinisch relevanter Interaktionen durch verstärkten Abbau anderer Arzneistoffe. Rifampicin wird neben der bekannten Indikation Tuberkulose zunehmend bei komplizierten Infektionen mit grampositiven Erregern eingesetzt. Aufgrund schneller Resistenzentwicklung bei Monotherapie muss Rifampicin immer in Kombination mit anderen Antibiotika verwendet werden.
Clindamycin ist antibiotisch wirksam gegen Infektionen mit den meisten Anaerobiern und grampositiven Kokken. Vor allem bei Knochen- und Gelenksinfektionen wird auch eine Kombinationstherapie mit Rifampicin eingesetzt.
Beide Substanzen sind gut wirksam in Knochen, Gelenken und Biofilmen [5, 26]. Die Kombination Clindamycin/Rifampicin wirkte in vitro und im Mausmodell synergistisch gegen Staphylococcus aureus [17]. Angaben in Interaktionsdatenbanken zu einer möglichen Wechselwirkung der Substanzen sind nicht einheitlich. Während einige keine Informationen zu dieser Kombination aufführen [1, 7, 19, 20], wird in anderen eine theoretisch mögliche Verminderung der Wirksamkeit von Clindamycin beschrieben [25]. In der Fachinformation von Clindamycin wird unter „Wechselwirkungen“ kein Hinweis auf eine mögliche Interaktion mit Rifampicin gegeben, allerdings im Abschnitt „Pharmakokinetik“ pauschal auf einen hepatischen Abbau und eine Verkürzung der mittleren Verweildauer von Clindamycin im Körper bei Gabe mit Enzyminduktoren hingewiesen [9, 11]. In der Fachinformation von Rifampicin wird Clindamycin nicht als möglicher Interaktionspartner aufgeführt [10].
Laut Datenbank „Facts & Comparisons“ wird Clindamycin in geringem Ausmaß über CYP3A4 metabolisiert [8]. Nach In-vitro-Daten wird es dagegen hauptsächlich oxidativ über dieses Enzym verstoffwechselt und ist selbst ein moderater Induktor [22, 24]. Aufgrund theoretisch-pharmakokinetischer Daten errechnet die Datenbank Youscript eine Abnahme der Clindamycin-AUC (area under the curve) um 51 bis 80% durch die gleichzeitige Gabe des CYP3A4-Induktors Rifampicin [25].
Untersuchungen am Menschen und an der Ratte zur oralen Bioverfügbarkeit von Clindamycin legen nahe, dass auch in der Darmwand eine Metabolisierung, wahrscheinlich durch CYP3A4, stattfindet [4, 13, 16, 23].
Weitere pharmakokinetische Angaben zu Clindamycin
Clindamycin zeigt eine zeitabhängige Abtötungskinetik [6, 26]. Als Zielwert wird ein Spiegel oberhalb der doppelten minimalen Hemmkonzentration (MHK) am Ort der Infektion angestrebt [6]. Für die Knochenpenetration wird ein Wert von 30 bis 50% angegeben, das heißt, die anzustrebenden Plasmaspiegel müssen bei Knochen- bzw. Gelenkinfektionen dementsprechend höher liegen [6, Originalreferenzen siehe dort].
Clindamycin kann oral und intravenös verabreicht werden. Die Standarddosierung für Erwachsene wird in Abhängigkeit von der Schwere der Infektion aufgeführt mit pro Tag 0,6 bis 1,8 g oral (aufgeteilt auf 4 Gaben) bzw. 1,2 bis 2,7 g i.v. (aufgeteilt auf 2 bis 4 Einzeldosen) [11]. Die orale Resorptionsquote von Clindamycin wird mit 90% angegeben [7]. Maximale Plasmakonzentration und AUC sind nach Gabe einer Einzeldosis von 600 mg oral ungefähr halb so hoch wie nach Gabe von einmalig 600 mg i.v. [11]. Dies spricht für einen First-Pass-Effekt, an dem wie oben beschrieben CYP3A4 in Leber und Darmwand beteiligt sein kann. Die wichtigsten Metaboliten sind Clindamycinsulfoxid (geringe antibakterielle Wirkung) und N-Desmethylclindamycin (antibakteriell wirksam) [4, 22]. In Fachinformation und Datenbanken finden sich keine Angaben, in welchem Ausmaß die Metaboliten möglicherweise zur antibakteriellen Gesamtwirkung beitragen [7–9]. Ältere Serumbestimmungen differenzieren nicht zwischen Clindamycin und den Hauptmetaboliten [12].
Klinische Daten zur Interaktion Rifampicin – Clindamycin
Bernard et al. behandelten 34 Patienten mit schweren Knochen-/Gelenkinfektionen durch Staphylokokken oral mit Clindamycin/Rifampicin oder Clindamycin/Levofloxacin über 30 Tage im Anschluss an eine intravenöse Therapie. Tal- und Spitzenserumspiegel (Cmin und Cmax) von Clindamycin waren in der Rifampicin-Gruppe deutlich niedriger (um Faktor 5,9 bzw. 2,9) als in der Levofloxacin-Gruppe. Die Werte lagen durchgängig unterhalb der empfohlenen Serumkonzentration von 5 bis 8 µg/ml (Spitze) bzw. 2 bis 4 µg/ml (Tal) und sanken über den Studienzeitraum weiter, was für eine kumulative Zunahme des Rifampicin-Effekts auf die CYP-Induktion spricht. Die Erfolgsquote war nach 12 bis 47 Monaten allerdings in beiden Behandlungsgruppen gleich. Vor dem Hintergrund möglicher Resistenzentwicklungen wird die orale Kombination Clindamycin plus Rifampicin von den Autoren nicht empfohlen [2].
In einer Beobachtungsstudie von Curis et al. wurden 61 Patienten mit Knochen-/Gelenkinfektionen unter Clindamycin-Therapie ausgewertet, sechs davon erhielten zusätzlich Rifampicin. Bei diesen Patienten war die Cmin von Clindamycin im Vergleich zu Patienten, die kein Rifampicin erhielten deutlich erniedrigt (im Mittel 0,37 mg/l vs. 1,38 mg/l). Im Serum lag der Clindamycin-Spiegel nicht zuverlässig oberhalb des Zielwerts der doppelten MHK (0,25 mg/l; Zielspiegel >0,5 mg/l). Geht man von einer Knochenpenetration von 30% aus, so wird im Serum der erforderliche Zielspiegel (Ziel >1,7 mg/l) nie erreicht. Alle sechs Patienten wurden aber erfolgreich von der Knochen-/Gelenkinfektionen geheilt. Bezogen auf das Körpergewicht (mg/kg) erhöhte eine niedrigere Dosis Clindamycin leicht das Risiko eines Wiederauftretens der Infektion [6].
Die Ausheilung von Knochen-/Gelenkinfektionen unter der oralen Kombination Clindamycin/Rifampicin beschreibt auch eine retrospektive Studie mit 20 Patienten [5]. Serumspiegelbestimmungen wurden nicht berichtet.
Zeller et al. untersuchten retrospektiv Patienten mit Knochen-/Gelenkinfektionen, die Clindamycin als intravenöse Dauerinfusion erhielten, um die zeitabhängige Abtötungskinetik der Substanz optimal auszunutzen. Von 70 Patienten wurden 24 zusätzlich mit Rifampicin und 32 mit Gentamicin gefolgt von Rifampicin behandelt. Clindamycin-Serumspiegel waren signifikant niedriger bei gleichzeitiger Rifampicin-Gabe. Während sie nach intravenöser Clindamycin-Gabe trotzdem noch zehnmal höher als die MHK lagen, konnte dies nach oraler Applikation nicht erreicht werden. Von 53 Patienten (ausschließlich parenterale Clindamycin-Therapie), die über durchschnittlich 30 Monate beobachtet wurden, wurden 49 (92%) als geheilt eingestuft [25].
In einer Studie zur Pharmakokinetik von Clindamycin bei 50 Osteomyelitispatienten erhielten vier Rifampicin als Komedikation. Die Clindamycin-Clearance dieser Patienten war um 43% erhöht. Die Autoren empfehlen eine weitere Untersuchung des Effektes [3]. Unklar ist, ob die hier erwähnten Patienten auch in der Studie von Curis et al. [6] berücksichtigt wurden. Weiterhin fanden die Autoren ein gewichtsabhängiges Erreichen des Serum-Zielspiegels: Die Standarddosis (oral oder i.v.) von 600 mg alle acht Stunden ist danach ausreichend für Patienten bis 75 kg Körpergewicht, während bei schwereren Patienten eine Dosis von 900 mg alle acht Stunden erforderlich ist.
Join-Lambert et al. bestimmten den Clindamycin-Spiegel bei zehn Patienten unter der Kombination von Clindamycin und Rifampicin mit Hidradenitis suppurativa, einer schweren entzündlichen Hauterkrankung mit möglicher Staphylokokkenbeteiligung: Cmax und Cmin waren um 82 bis 93% erniedrigt gegenüber einer Monotherapie mit Clindamycin. Von einem Patienten wird ungenügendes Ansprechen auf die Therapie berichtet, zu den weiteren neun Patienten werden keine Angaben zum klinischen Outcome gemacht. Als klinisch relevant sehen die Autoren die Interaktion vor allem für Patienten mit größeren, infizierten Läsionen und längerer Therapiedauer an. Da der enzyminduzierende Effekt von Rifampicin sich über mehrere Tage aufbaut, können zu Beginn der Therapie ausreichende Clindamycin-Spiegel in kleineren Läsionen erreicht werden [15]. Verschiedene retrospektive Untersuchungen beschreiben die Wirksamkeit der oralen Clindamycin/Rifampicin-Therapie bei Hidradenitis suppurativa. Serumspiegelbestimmungen von Clindamycin wurden in diesen Studien nicht durchgeführt [14, 21, u.a.]. Allerdings wird diskutiert, ob die Wirksamkeit der Antibiotikakombination in dieser Indikation nicht auf der antibiotischen Wirkung beruht, sondern auf immunmodulatorischen Effekten [15].
Zusammenfassung
Insgesamt liegen nur wenige klinische Untersuchungen zur möglichen Interaktion Clindamycin plus Rifampicin vor. Diese sind überwiegend retrospektive Untersuchungen mit geringen Patientenzahlen. Sofern Serumspiegel von Clindamycin bestimmt wurden, waren bei Rifampicin-Komedikation die Clearance deutlich erhöht und die Serumspiegel um 80 bis 90% erniedrigt. Problematisch scheint vor allem die orale Clindamycin-Applikation zu sein, bei der im Unterschied zur intravenösen Gabe mehrfach keine Serumkonzentrationen oberhalb der MHK erreicht wurden. In diesem Zusammenhang erscheint fraglich, inwiefern Clindamycin zum Therapieerfolg bei diesen Patienten beigetragen haben kann. Im klinischen Outcome wurde in den meisten Studien ein Ansprechen auf die Therapie Clindamycin plus Rifampicin berichtet, allerdings sind die Daten retrospektiv erhoben worden. Unklar ist der Beitrag der Clindamycin-Hauptmetaboliten zur antibakteriellen Wirkung. Unabhängig von der potenziellen Interaktion Clindamycin/Rifampicin ist ein First-Pass-Effekt bei oraler Gabe und eine körpergewichtsadaptierte Dosierung zu bedenken.
Fazit
Unter Berücksichtigung der bisher vorliegenden Ergebnisse sollte aus unserer Sicht die Interaktion Clindamycin/Rifampicin als potenziell klinisch relevant betrachtet werden. Insbesondere bei schweren Infektionen, Patienten mit höherem Körpergewicht und oraler Clindamycin-Gabe ist die Therapie hinsichtlich einer ausreichenden Wirksamkeit zu überwachen. Es bestehen Bedenken hinsichtlich Resistenzentwicklung, wenn Rifampicin ohne ausreichend wirksamen Kombinationspartner eingesetzt wird.
Interessenkonflikterklärung
DS, MN und AW erklären, dass im Zusammenhang mit diesem Artikel keine Interesssenkonflikte vorliegen.
Literatur
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Dr. Dorothea Strobach, Michael Nagl, Dr. Alexandra Weber, Klinikum der Universität München (LMU), Campus Großhadern, Apotheke, Marchioninistr 15, 81377 München, E-Mail: dorothea.strobach@med.uni-muenchen.de
What is the evidence for a drug-drug interaction between rifampicin and clindamycin?
Rifampicin is an antibiotic drug with a high potential for drug-drug interactions. For bone and joint infections it is often combined with clindamycin. While some drug interaction databases do not give any information on this combination, others warn that a significant decrease of clindamycin serum levels can occur. Studies on pharmacokinetic changes and clinical outcomes are sparse with only small patient numbers and retrospective design. An elevated clearance and significantly decreased clindamycin serum levels are reported, but clinical outcome was often comparable to drug regimens without rifampicin. Since monotherapy with rifampicin can lead to rapid bacterial resistance there is concern of an insufficient clindamycin effect. In summary, this drug-drug interaction should be considered as possibly clinical relevant, especially in patients with severe infections, high body weight and oral therapy.
Key words: rifampicin, clindamycin, drug interaction, evidence
Arzneimitteltherapie 2016; 34(03)