Dr. Marianne Schoppmeyer, Nordhorn
In klinischen Studien konnte gezeigt werden, dass NOAKs in Wirksamkeit und Sicherheit den VKA zur Prävention von thromboembolischen Ereignissen mindestens ebenbürtig oder sogar überlegen sind. Die NOAKs Apixaban und Rivaroxaban hemmen direkt den Gerinnungsfaktor Xa und sind unter anderem bei Patienten mit nichtvalvulärem Vorhofflimmern zur Schlaganfallprophylaxe sowie zur Therapie und Sekundärprophylaxe tiefer Venenthrombosen und Lungenembolien zugelassen.
NOAKs haben wenige Interaktionen mit Medikamenten und Nahrungsmitteln, sie sind einfach zu dosieren und erfordern keine regelmäßige Kontrolle der Gerinnungsparameter. Demgegenüber stand bisher ein fehlendes Antidot, das im Falle einer akuten Blutung oder bei einer Notfall-OP die Gerinnungsfähigkeit des Blutes schnell wiederherstellt [1]. Auch für VKA steht kein Antidot zur Verfügung. Für den Thrombininhibitor Dabigatran, der ebenfalls zu den NOAKs zählt, wurde allerdings mittlerweile das Antidot Idarucizumab erfolgreich getestet [2] und zugelassen. Nun wird mit Andexanet alfa auch ein Antidot der Faktor-Xa-Inhibitoren Rivaroxaban und Apixaban erprobt. Ebenfalls zur Klasse der Faktor-Xa-Inhibitoren gehört Edoxaban, das in der vorliegenden Studie jedoch nicht untersucht wurde.
Andexanet alfa
Andexanet alfa ist ein rekombinanter modifizierter Faktor Xa, der keine enzymatische Aktivität besitzt und daher auch nicht als Gerinnungsfaktor wirkt. Es bindet mit einer hohen Affinität an die Faktor-Xa-Inhibitoren und verhindert so deren Bindung an den humanen Faktor Xa im Blut und die so induzierte Gerinnungshemmung. Der Wirkstoff wird intravenös gespritzt und wirkt sowohl gegen die direkten als auch gegen die indirekten Faktor-Xa-Hemmer.
Studiendesign
Andexanet wurde in zwei getrennten Studien mit Apixaban (ANNEXA-A) oder Rivaroxaban (ANNEXA-R) getestet [3] (Tab. 1 und 2). Die Probanden erhielten jeweils über vier Tage das Antikoagulanz gefolgt von einer Bolusgabe Andexanet. Im zweiten Teil der Studien folgte nach der viertägigen Antikoagulation eine Bolusgabe Andexanet mit anschließender kontinuierlicher Infusion von Andexanet über zwei Stunden.
Tab. 1. Studiendesign von ANNEXA-A (für Apixaban) [ClinicalTrials.gov]
Studienobjekt |
Aufhebung der Apixaban-Antikuagulation |
Studienziel |
Wirksamkeit und Sicherheit von Andexanet |
Studientyp |
Interventionsstudie |
Studienphase |
Phase III |
Studiendesign |
Randomisiert, doppelblind, Placebo-kontrolliert |
Eingeschlossene Studienteilnehmer |
Gesunde und ältere Freiwillige (50–75 Jahre) |
Intervention |
Apixaban 2-mal 5 mg/Tag für 3,5 Tage An Tag 4:
|
Primärer |
Mittlere prozentuale Änderung der Anti-Faktor-Xa-Aktivität |
Sekundäre |
|
Sponsor |
Portola Pharmaceuticals, Pfizer, Bristol-Myers Squibb, Bayer, Johnson & Johnson |
Studienregisternummer |
NCT02207725 |
Tab. 2. Studiendesign von ANNEXA-R (für Rivaroxaban) [ClinicalTrials.gov]
Studienobjekt |
Aufhebung der Rivaroxaban-Antikuagulation |
Studienziel |
Wirksamkeit und Sicherheit von Andexanet |
Studientyp |
Interventionsstudie |
Studienphase |
Phase III |
Studiendesign |
Randomisiert, doppelblind, Placebo-kontrolliert |
Eingeschlossene Studienteilnehmer |
Gesunde und ältere Freiwillige (50–75 Jahre) |
Intervention |
Rivaroxaban 20 mg/Tag für 4 Tage An Tag 4:
|
Primärer |
Mittlere prozentuale Änderung der Anti-Faktor-Xa-Aktivität |
Sekundäre |
|
Sponsor |
Portola Pharmaceuticals, Bayer, Johnson & Johnson, Pfizer, Bristol-Myers Squibb |
Studienregisternummer |
NCT02220725 |
Normalisierung der Gerinnung innerhalb von Minuten
Sowohl unter Therapie mit Apixaban als auch mit Rivaroxaban führte Andexanet innerhalb von zwei bis fünf Minuten zu einer signifikanten Abnahme der Anti-Faktor-Xa-Aktivität um 94% (ANNEXA-A) bzw. 92% (ANNEXA-R) gegenüber Placebo (94% vs. 21%, p<0,001 bzw. 92% vs. 18%, p<0,001). Allerdings kam es bei beiden Antikoagulanzien nach der Bolusgabe rasch zu einem erneuten Anstieg der Anti-Faktor-Xa-Aktivität.
Wurde eine Infusion Andexanet über zwei Stunden an die Bolusgabe angeschlossen, konnte die Wirkung für ein bis zwei Stunden nach Beendigung der Infusion erhalten bleiben und kehrte dann auf das Placebo-Niveau zurück (Abb. 1).

Die Thrombinsynthese war bei 100% der mit Apixaban behandelten Probanden innerhalb von zwei bis fünf Minuten wiederhergestellt gegenüber 11% in der Placebo-Gruppe (p<0,001). Bei den mit Rivaroxaban behandelten Probanden war dies bei 96% der Fall gegenüber 7% in der Placebo-Gruppe (p<0,001).
Pharmakologisch aktiv ist lediglich das im Plasma ungebunden vorliegende Antikoagulanz. Die mittlere Konzentration ungebundenen Apixabans konnte in der Verum-Gruppe innerhalb von zwei bis fünf Minuten nach Gabe von Andexanet signifikant gegenüber der Placebo-Gruppe gesenkt werden (Reduzierung um 9,3 ng/ml vs. 1,9 ng/ml, p<0,001). Ähnliche Ergebnisse waren unter Rivaroxaban zu beobachten (Reduzierung um 23,4 ng/ml vs. 4,2 ng/ml, p<0,001).
Schwerwiegende unerwünschte Ereignisse wie eine Thrombose traten nicht auf.
Ausblick
Zurzeit läuft die einarmigen Studie ANNEXA-4, in der untersucht werden soll, ob Andexanet tatsächlich klinische Blutungen stoppen kann. In diese Studie eingeschlossen werden Patienten mit einer akuten Blutung unter Therapie mit den direkten Faktor-Xa-Inhibitoren Apixaban, Rivaroxaban, Edoxaban oder dem indirekten Faktor-Xa-Inhibitor und niedermolekularen Heparin Enoxaparin.
Literatur
1. Ymer HM, et al. New oral anticoagulants: their advantages and disadvantages compared with vitamin K antagonists in the prevention and treatment of patients with thromboembolic events. Ther Clin Risk Manag 2015;11:967–77; online unter www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4485791/ (Zugriff am 11.02.2016).
2. Pollack CV, et al. Idarucizumab for dabigatran reversal. N Engl J Med 2015;373:511–20.
3. Siegal DM, et al. Andexanet alfa for the reversal of factor Xa inhibitor activity. N Engl J Med 2015;373:2413–24.
Arzneimitteltherapie 2016; 34(04)