Dr. Katharina Arnheim, Freiburg
Ausgangssubstanz von Eribulin (Halaven®) ist Halichondrin B, ein aus dem Meeresschwamm Halichondria okadai isoliertes Naturprodukt mit hoher antiproliferativer Wirkung. Das synthetische Halichondrin-Analog Eribulin inhibiert die Mikrotubuli-Dynamik in der Wachstumsphase von Zellen [1]: Es blockiert die mitotische Spindelformation durch Bildung nichtproduktiver Tubulin-Aggregate, verhindert so Zellteilung und Tumorwachstum und löst in den betroffenen Zellen die Apoptose aus. Eribulin unterscheidet sich von konventionellen Mikrotubuli-Inhibitoren wie Taxanen und Vincaalkaloiden durch die Bindungsstelle an den Mikrotubuli und den fehlenden Effekt auf die Mikrotubuli-Verkürzung (Kasten).
Es stand in der AMT
Fortgeschrittenes Mammakarzinom – Monochemotherapie mit Eribulin. Arzneimitteltherapie 2014;32:305–7.
Veränderung der Tumorbiologie
Auf dem San Antonio Breast Cancer Symposium wurden kürzlich neue Daten vorgestellt, die darauf hinweisen, dass Eribulin Zusatzeffekte besitzt und die biologischen Charakteristika von Tumorzellen beeinflusst. Dazu gehört die Umkehr der epithelial-mesenchymalen Transition (EMT), das heißt des Übergangs von Epithelzellen in Zellen mit mesenchymalen Eigenschaften. Dieser Wechsel des Phänotyps ist ein für die Metastasierung von Tumorzellen unverzichtbarer Prozess, durch den die Tumorzelle zur Migration und Invasion befähigt wird. Die Arbeitsgruppe um Dybdal-Hargreaves konnte in Zellkulturen zeigen, dass Eribulin die Lokalisation des Adhäsionsmoleküls E-Cadherin in der Plasmamembran begünstigt [2]. Für die Taxane als Mikrotubuli-Stabilisierer war dieser Effekt dagegen nicht nachweisbar. E-Cadherin spielt eine Schlüsselrolle beim Erhalt der Zellpolarität und eines epithelialen Zelltyps, da es die Fähigkeit von Zellen zur Ausbildung von Zell-Zell-Kontakten ermöglicht und die Zellmotilität unterbindet. Auch Beta-Catenin, ein an E-Cadherin gebundenes Protein, reicherte sich nach Behandlung mit Eribulin in der Zellperipherie an. Die Fähigkeit des Zytostatikums, rasche Veränderungen in der intrazellulären Lokalisation von E-Cadherin zu induzieren, spricht nach den Worten der Autoren dafür, dass Eribulin die epithelial-mesenchymale Transition umkehrt, das heißt einen sogenannten EMT-MET-Shift einleitet.
Prat und Mitarbeiter berichteten in San Antonio über molekulare Effekte der neoadjuvanten Eribulin-Monotherapie beim frühen Brustkrebs [3]. Die pharmakogenomische Phase-II-Studie SOLTI 1007 umfasste 95 Patientinnen mit unterschiedlichen Brustkrebs-Subtypen, deren Gensignaturen zu Studienbeginn, während der neoadjuvanten Therapie und postoperativ analysiert wurden. Interessanterweise änderte sich der Subtyp im Therapieverlauf – am häufigsten, nämlich in fast der Hälfte der Fälle, beim Hormonrezeptor(HR)-positiven, aber recht aggressiven Subtyp Luminal B. Mehrheitlich kam es dabei zu einem Wechsel zum prognostisch günstigeren HR-positiven Subtyp Luminal A. Auf Basis dieser Daten halten die Autoren es für möglich, dass Patientinnen mit Luminal-B-Mammakarzinomen am stärksten von Eribulin profitieren. Sie plädierten daher für die weitere Evaluierung von Eribulin in Kombination mit einer endokrinen Therapie.
Quelle
Prof. Dr. Christian Jackisch, Offenbach; Meet the Expert „Eribulin – Aktuelles aus der Forschung“, veranstaltet von Eisai im Rahmen des 38th San Antonio Breast Cancer Symposiums, San Antonio, USA, 9. Dezember 2015.
Literatur
1. SmPC Halaven (updated November 2015). Available at: www.medicines.org.uk/emc/medicine/24382 (Letzter Zugriff am 25.02.16).
2. Dybdal-Hargreaves NF, et al. SABCS 2015; Abstr. P5–03–09.
3. Prat A, et al. SABCS 2015; Abstr. P3–07–66.
Arzneimitteltherapie 2016; 34(04)