Anaphylaxie


Nur den akuten Notfall behandeln ist nicht ausreichend

Prof. Dr. med. Joachim Saloga, Mainz

[Foto: privat]

Bei der Anaphylaxie handelt es sich um die schwerwiegendste Form einer allergischen (oder ähnlichen Intoleranz-) Reaktion, die den ganzen Körper betreffen kann, aber nicht notwendiger Weise alle Organsysteme einschließen muss. Akut lebensgefährlich sind naturgemäß Reaktionen, die die Atemwege (Zunge, Kehlkopf, Bronchien) und/oder die Blutzirkulation betreffen (und damit zum anaphylaktischen Schock führen können). Somit steht bei diesen besonders gefährlichen Reaktionen zunächst einmal die kardiopulmonale Reanimation im Vordergrund. Hier sind die entsprechenden Leitlinien zu beachten, z.B. des European Resuscitation Council, die kürzlich in revidierter Form vorgelegt wurden und auch explizit die Anaphylaxie behandeln [1]. Gegenüber den Empfehlungen von 2010 wurde die Frequenz der Thoraxkompressionen bei Erwachsenen nun auf 100–120 pro Minute angehoben, weiterhin im Verhältnis 30:2 zu den Beatmungsmanövern. Bei der notfallmäßigen pharmakologischen Behandlung steht nach wie vor die intramuskuläre Adrenalingabe im Vordergrund.

Nach einer erfolgreichen Wiederbelebung oder sonstigen Behandlung einer nicht ganz so schweren anaphylaktischen Reaktion (Anaphylaxie-Fragmente, die beim nächsten Mal aber schwerwiegender ausfallen können) darf die Angelegenheit für den betroffenen Allergiker aber nicht beendet sein. Er muss nachfolgend unbedingt einer qualifizierten allergologischen Beurteilung zugeführt werden. Nur so kann das auslösende Agens identifiziert werden (abgesehen von ganz klaren Zusammenhängen), aber auch eine zielführende Beratung über die Meidungsstrategie unter Beachtung von möglichen Kreuzreaktionen, Verstärkungsfaktoren etc. durchgeführt und ein aussagekräftiger Allergiepass ausgestellt werden. Häufig sind auch Austestungen von Ausweichpräparaten oder verträglichen Nahrungsmitteln erforderlich. Weiterhin sollte der Patient, insbesondere wenn keine sichere Meidung gewährleistet ist (z.B. bei Allergien gegen Insektengift oder Nahrungsmittel), ein Notfallset zur Selbstanwendung einschließlich Adrenalin-Autoinjektor erhalten. Und auch damit ist noch kein erfolgreicher Abschluss der Behandlung erreicht, wenn der Patient die Meidungsstrategie nicht genau genug verstanden hat oder in seinem Alltag umsetzen kann oder sich bezüglich der Anwendung der Notfallmaßnahmen nicht ausreichend sicher ist. Dann ist eine (wiederholte) Diätberatung (bei Kindern auch der Eltern) und eine Anaphylaxie-Schulung einschließlich der Anwendung des Notfallsets (idealerweise unter Einbeziehung des sozialen Umfelds) wesentlich für die Vermeidung weiterer anaphylaktischer Reaktionen beziehungsweise ihr erfolgreiches Abfangen.

Diese wichtigen Aspekte und weitere Details wie Begriffsdefinitionen, Pathomechanismen, die vielfältige Symptomatik und Differenzialdiagnostik (nicht selten ist gar nicht gesichert, dass es sich um eine anaphylaktische Reaktion gehandelt hat), werden im Beitrag „Anaphylaxie – Erkennung, Notfallbehandlung und Management“ von den Autoren Ring et al. in diesem Heft der „Arzneimitteltherapie“ behandelt, dessen Lektüre ich daher allen Lesern ans Herz legen möchte.

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