Multiple Sklerose

Der Hirnatrophie Einhalt gebieten


Veröffentlicht am: 28.11.2019

Christine Vetter, Köln

Bei der Behandlung der multiplen Sklerose (MS) geht es primär darum, die Schubrate zu reduzieren und die Behinderungsprogression möglichst zu stoppen. Die Betroffenen leiden jedoch unter weiteren Symptomen wie der Entwicklung kognitiver Defizite und/oder einer Fatigue, die möglicherweise sogar zur Aufgabe der Berufstätigkeit führen können. Solche „verborgenen Symptome“ der MS ernst zu nehmen, haben Experten beim Workshop „2. MS Special(ists)“ in Berlin gefordert.

Im Verlauf der Erkrankung entwickelt rund jeder zweite MS-Patient kognitive Störungen. Bis zu 90% der Betroffenen leiden unter einer Fatigue und 35 bis 50% unter Depressionen und/oder Ängstlichkeit. Dabei besteht zwischen Ärzten und Patienten eine deutliche Diskrepanz in der Einschätzung der Konsequenzen durch Symptome wie beispielsweise das Nachlassen der kognitiven Leistungsfähigkeit auf die Lebensqualität. So werden von vielen Ärzten vor allem physische Beeinträchtigungen als belastend erachtet. Für Patienten sind aber in der Regel die mentale Gesundheit, die Vitalität und der allgemeine Gesundheitszustand besonders wichtig.

Kognitive Störungen sind somit ein ernst zu nehmendes Problem bei der MS. Sie betreffen zumeist das verbale sowie das visuelle Kurzzeitgedächtnis, die kognitive Flexibilität und auch die Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit sowie die Fluidität. Die Beeinträchtigungen können bei allen Verlaufsformen auftreten und manifestieren sich oft schon früh im Krankheitsverlauf. Die Progression ist jedoch in aller Regel langsam und besonders ausgeprägt in den ersten fünf Jahren der Erkrankung. Es ist daher wichtig, schon frühzeitig durch eine effektive Behandlung der Entwicklung kognitiver Defizite entgegenzuwirken. Denn je besser die Kognition erhalten bleibt, umso höher ist in aller Regel die Chance, dass die Patienten berufsfähig bleiben.

Hirnatrophie signalisiert kognitive Beeinträchtigungen

Ein Surrogatparameter für die Kognition ist die Hirnatrophie, die bei MS-Patienten gegenüber Gesunden beschleunigt ist. Mittels einer effektiven medikamentösen Behandlung kann dem Phänomen entgegengewirkt werden, wie Studien belegen. So wurde für den Wirkstoff Teriflunomid gezeigt, dass unter der Therapie der jährliche Hirnvolumenverlust signifikant um rund 30% gemindert wird. Beeindruckend ist zudem die Reduktion der Hirnatrophie unter Alemtuzumab, wobei der Hirnvolumenverlust sogar auf den bei Gesunden üblichen Bereich gemindert wird.

Neben der medikamentösen Behandlung gibt es weitere Möglichkeiten, den Erhalt der kognitiven Leistungsfähigkeit zu fördern. Hierzu zählen zum einen ein gezieltes kognitives Training sowie regelmäßige körperliche Aktivität. Diese kann zugleich auch weitere Symptome wie eine Fatigue bessern.

Anhaltend niedrige Schubrate und geminderte Behinderungsprogression

Dass durch Teriflunomid und Alemtuzumab auch die Schubrate sowie die Behinderungsprogression nachhaltig und langfristig zu mindern ist, belegen die inzwischen vorliegenden Langzeitdaten. So dokumentieren die 13-Jahres-Daten einer Phase-II-Studie zu Teriflunomid eine über den gesamten Beobachtungszeitraum anhaltend niedrige Schubrate sowie einen niedrigen Behinderungsscore EDSS (Expanded disability status scale) zwischen 2 und 3. Bei den MRT-Untersuchungen zeigte sich ebenfalls eine Stabilisierung ohne das Auftreten neuer Gadolinium(Gd)-aufnehmender Läsionen und ohne Zunahme der Gesamtläsionslast.

Die klinische Wirksamkeit und Sicherheit des monoklonalen Antikörpers Alemtuzumab, der in zwei Behandlungsphasen mit fünf und drei Infusionen im Abstand von einem Jahr appliziert wird, ist mittlerweile über fünf Jahre in Studien belegt. Die jährliche Schubrate blieb dabei anhaltend niedrig: 58% der Patienten erlitten in den Jahren drei bis fünf keinen weiteren Krankheitsschub und 76% blieben über den gesamten Beobachtungszeitraum von fünf Jahren ohne Verschlechterung einer bestehenden Behinderung.

Sowohl für Teriflunomid wie auch Alemtuzumab wurde in den Langzeitdaten das bekannte Sicherheitsprofil bestätigt: In den Extensionsphasen der Studien traten keine neuen oder unerwarteten Nebenwirkungen auf.

Quelle

Priv.-Doz. Dr. Iris-Katharina Penner, Düsseldorf, Priv.-Doz. Dr. Kathrin Gerbershagen, Köln, MS-Workshop „2. MS Special(ists)“, Berlin, 13. Juli 2016, unterstützt von Sanofi-Genzyme.

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Arzneimitteltherapie 2016; 34(12)