Prof. Dr. Hans-Christoph Diener, Essen
Ein Teil der Patienten, die initial wegen einer Borreliose antibiotisch behandelt werden, klagt über weiterhin bestehende Symptome mit Schmerzen, Müdigkeit und kognitiven Störungen. Dieses Krankheitsbild wird als chronische Borreliose bezeichnet. Einige in den Vereinigten Staaten durchgeführte Studien hatten gezeigt, dass eine Langzeitantibiose bei diesen Patienten die Symptomatik nicht verbessert. Der Vergleich einer Kurz- mit einer Langzeittherapie sollte jetzt in einer erneuten randomisierten Studie in Holland überprüft werden.
Studiendesign
Es handelt sich um eine randomisierte doppelblinde, Placebo-kontrollierte Studie, die in Europa durchgeführt wurde. Eingeschlossen wurden Patienten mit einer Borreliose, die über weiterhin bestehende Symptome klagten und bei denen ein positiver Immunglobulin(Ig)G- oder IgM-Titer für Borrelia burgdorferi vorlag. Alle Patienten erhielten initial für zwei Wochen 2000 mg Ceftriaxon intravenös täglich. Nach dieser Zeit wurden die Patienten randomisiert und erhielten über 12 Wochen entweder 2-mal täglich 100 mg Doxycyclin oder 2-mal täglich 500 mg Clarithromycin plus 200 mg Hydrochloroquin. Die Vergleichsgruppe erhielt Placebo. Der primäre Endpunkt der Studie war die gesundheitsbezogene Lebensqualität gemessen mit der RAND-36 Health Status Inventory-Skala. Diese hatte Werte zwischen 15 und 61, wobei höhere Werte eine bessere Lebensqualität darstellen. In die Studie wurden 280 Patienten eingeschlossen.
Studienergebnisse
Die am häufigsten geklagten Beschwerden waren Gelenkschmerzen, Muskelschmerzen, Missempfindungen, Müdigkeit und kognitive Einschränkungen. Die Symptome hielten im Mittel seit 2,5 Jahren an. Alle Pa tienten waren bereits über einen Zeitraum von im Mittel 30 bis 40 Tagen antibiotisch vorbehandelt worden. Am Ende der doppelblinden Behandlungszeit waren die Werte der RAND-36 zwischen den Therapiegruppen nicht unterschiedlich. In den beiden Studiengruppen kam es allerdings zu einer signifikanten Verbesserung der Lebensqualität, unabhängig davon, ob sie mit Antibiotika oder Placebo behandelt wurden. Die medikamentöse Therapie wurde gut vertragen. In der Clarithromycin- und Hydrochloroquin-Gruppe kam es vermehrt zu Hautausschlag und in der Gruppe mit Doxycyclin zu Lichtempfindlichkeit der Haut.
Kommentar
Es gibt jetzt sowohl aus den Vereinigten Staaten [1] als auch aus Europa randomisierte Studien, die eindeutig zeigen, dass bei Patienten mit persistierenden Beschwerden bei chronischer Borreliose eine Langzeitantibiose einer Placebo-Therapie nicht überlegen ist. Es war wichtig, diese Studie auch in Europa durchzuführen, da die Borrelien sich in Europa biologisch und genetisch von denen in den Vereinigten Staaten unterscheiden. Die persistierenden Symptome bei Patienten, die eine Borrelien-Infektion durchgemacht haben, müssen unter Umständen entweder als eine Somatisierungsstörung betrachtet werden oder als eine späte immunologische Reaktion, die einer Antibiose nicht zugänglich ist. Leider ist bisher nie versucht worden, ob die anhaltenden Beschwerden nach einer Borrelien-Infektion auf eine immunmodulatorische Therapie ansprechen.
Quelle
Berende A, et al. Randomized trial of longer-term therapy for symptoms attributed to lyme disease. N Engl J Med 2016;374:1209–20.
Literatur
Klempner M, et al. Two controlled trials of antibiotic treatment in patients with persistent symptoms and a history of Lyme disease. N Engl J Med 2001;345:85–92.
Tab. 1. Studiendesign [nach Berende A, et al. 2016]
Erkrankung |
Chronische Borreliose |
Studienziel |
Verbessert eine Langzeitantiobiose das Outcome von Patienten mit persistierender Borreliose? |
Studientyp/-phase |
Interventionsstudie/Phase IV |
Studiendesign |
Multizentrisch, randomisiert, parallel, doppelblind |
Eingeschlossene Patienten |
280 |
Intervention |
|
Primärer Endpunkt |
Gesundheitsbezogene Lebensqualität anhand RAND-36 Health Status Inventory-Skala |
Sponsor |
Radboud University |
Studienregisternummer |
NCT01207739 (ClinicalTrials.gov) |
1 Alle Patienten erhielten initial für zwei Wochen täglich 2000 mg Ceftriaxon intravenös.
Arzneimitteltherapie 2016; 34(12)