Hypertonie

Betablocker in der Erstlinientherapie


Veröffentlicht am: 28.11.2019

Dr. Stefan Fischer, Stuttgart

Mit einem Kommentar von Dr. med. Peter Stiefelhagen, Hachenburg
In einem Review der Cochrane Library vom Juni 2016 zeigten sich in der Erstlinientherapie keine Vorteile für Betablocker im Vergleich zu anderen Arzneistoffen. Gegenüber Placebo wurde zwar die Anzahl der Schlaganfälle reduziert, nicht jedoch die Mortalität. Insgesamt ist die Datenlage aber nicht ausreichend, um verlässliche Aussagen treffen zu können.

Betablocker zeigen positive Langzeiteffekte auf die Mortalität bei Patienten mit Herzinsuffizienz oder Myokardinfarkt. Die Auswirkungen bei Hypertonie sind mittlerweile umstritten. Trotzdem werden Betablocker gleichrangig mit anderen Arzneistoffen in den deutschen Leitlinien zur Erstlinientherapie empfohlen [1].

In einem Review der Cochrane Library wurde die aktuelle Datenlage analysiert.

Hauptsächlich Atenolol

In die Untersuchung wurden randomisierte kontrollierte Studien mit mindestens einem Jahr Dauer eingeschlossen. Es musste sich um Erstlinientherapien handeln; Endpunkte sollten Mortalität und Morbidität bei Erwachsenen sein. Die Datenbanken CENTRAL, MEDLINE, Embase, ClinicalTrials.gov sowie das WHO-Studien-Register wurden durchsucht.

Die Autoren fanden 13 Studien, die die Kriterien erfüllten. Etwa 75% der Patienten unter Betablockern nahmen Atenolol.

Geringere Mortalität unter Calciumkanalblockern

Gegenüber Placebo zeigten sich unter Betablockern weniger Schlaganfälle (Risk-Ratio [RR] 0,80; 95%-Konfidenzintervall [KI] 0,66–0,96). Im Vergleich mit Calciumkanalblockern (RR 1,24; 95%-KI 1,11–1,40) und Inhibitoren des Renin-Angiotensin-Systems (RAS) (RR 1,30; 95%-KI 1,11–1,53) waren es jedoch mehr unerwünschte Ereignisse.

Patienten mit Betablockern brachen die Therapie aufgrund unerwünschter Ereignisse wahrscheinlicher ab als unter RAS-Inhibitoren (RR 1,41; 95%-KI 1,29–1,54).

Die Mortalität unter Betablockern war gegenüber der Therapie mit Calciumkanalblockern höher (RR 1,07; 95%-KI 1,00–1,14). Placebo, Diuretika und RAS-Inhibitoren zeigten im Vergleich mit Betablockern ähnliche Raten.

Unzureichende Datenlage

Die meisten der eingeschlossenen Studien unterliegen einem hohen Risiko für Verzerrungen. Aus den Ergebnissen kann aufgrund des hohen Atenolol-Anteils nur begrenzt auf einen Klasseneffekt geschlossen werden. Ergebnisse zu vasodilatierenden Betablockern wie Nebivolol fehlen völlig. Insbesondere die Daten zu älteren Patienten sind nicht ausreichend.

Die einzige sichere Aussage ist, dass mehr qualitativ hochwertige Studien zur Erstlinientherapie bei Hypertonie durchgeführt werden sollten.

Quelle

Wiysonge CS, et al. Beta-blockers for hypertension (review). Cochrane Database of Systematic Reviews 2017;1. Art. No.: CD002003.

Literatur

1. Deutsche Gesellschaft für Kardiologie und Deutsche Hochdruckliga (Hrsg.). Leitlinien für das Management der arteriellen Hypertonie. 2013. www.hochdruckliga.de/tl_files/content/dhl/downloads/2014_Pocket-Leitlinien_Arterielle_Hypertonie.pdf (Zugriff am 21.02.2017).

Kommentar

Dieses Ergebnis einer Cochrane-Analyse bestätigt erneut die Auffassung, dass Betablocker heute nicht mehr unbedingt zu den Antihypertensiva der ersten Wahl gehören sollten, auch wenn dies in den offiziellen Leitlinien noch nicht so formuliert ist. Nicht nur im Hinblick auf die Verträglichkeit, sondern auch im Hinblick auf die Verhinderung von Endorganschäden dürften RAS-Blocker wie ACE-Hemmer und Angiotensin-II-Rezeptorantagonisten evtl. in Kombination mit einem Calciumkanalblocker günstiger sein. Eine prognostisch günstige Wirkung der Betablocker ist nur bei Hypertonikern mit einer Herzinsuffizienz oder bei einem Z.n. Myokardinfarkt belegt. Auch wenn als Komorbidität Vorhofflimmern vorliegt, dürfe ein Betablocker zur Frequenzkontrolle sinnvoll sein. Doch wenn es um die Prävention des Vorhofflimmerns bei Hypertonikern geht, ist ein Angiotensin-II-Rezeptorantagonist nach den Ergebnissen entsprechender Studien effektiver. Dass Betablocker ansonsten bei Hypertonikern die Prognose qua ad vitam nicht verbessern, lässt sich durch die ungünstigen metabolischen Begleitwirkungen auf den Lipid- und Kohlenhydratstoffwechsel erklären. Entscheidend für die Prognose bei Hypertonikern ist nämlich nicht nur die numerische Blutdrucksenkung, sondern das gesamte Wirkprofil, genauer gesagt die antiatherogene Potenz der eingesetzten Substanz. Aber auch die unzureichende Compliance als Folge der unerwünschten subjektiv belastenden Nebenwirkungen dürfte sicherlich eine wichtige Rolle spielen.

Arzneimitteltherapie 2017; 35(04)